Befürchtungen

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Barut-al-Zavid war noch am nächsten Morgen aufgebrochen. Er schärfte Turad-el-Zor ein, auf weitere Vorfälle in der Gegend zu achten und unbedingt auf das zu lauschen, was die Traumopfer kurz nach dem Aufwachen erzählten.

Der Hohe Meister war tief beunruhigt, denn die alte Frau war nicht die Einzige, die über Wochen hinweg von schlimmen Alpträumen heimgesucht worden war. Dabei traf es ausschließlich Magiekundige.

Wobei, bei genauerem Hinsehen, schienen zuvorderst Hexen in Gefahr zu schweben. Madica war das vierte Opfer, von dem man ihm berichtet hatte. Beim ersten Fall hatte es eine kräuterkundige Frau nahe Doriansstadt getroffen, von der man munkelte, sie wäre eine Naturhexe. Auch die beiden anderen, die im Schlaf den Tod fanden, galten die Magie mächtig, wenngleich niemand wusste, welcher Art.

Mit Kaspians Stein in der geballten Faust machte er sich auf den Weg zum Hexenstein. Er musste herausfinden, ob Halikarnosa zurückgekehrt war. Die gefallene Göttin vermochte in die Träume der Menschen einzudringen. Es lag auf der Hand, dass sie damit zu tun hatte. Suchte sie nach der Druidin und Bluthexe Cyriana, um sie wieder auf ihre Seite zu ziehen? Oder, um sie zu bestrafen, weil sie ihre Rückkehr als Göttin verhindert hatte?

Nein, das war unwahrscheinlich. Halikarnosa handelte viel subtiler, blieb so lange wie möglich im Verborgenen. Dabei gingen ihm die letzten Worte Madicas nicht aus dem Kopf. War es tatsächlich der Name der Schwester Cyrianas gewesen, den Danare geglaubt hatte zu hören? Eine Verbindung von »Blut« zur Druidin war jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, wenngleich der Hohe Meister inständig hoffte, dass er sich irrte.

Der Schattenwald lag gespenstisch ruhig vor ihm. Seit Yenravens Tod und der Zerschlagung des Hexensteins hatten sich viele Kreaturen des Walds noch tiefer in diesen zurückgezogen. Dennoch blieb der dunkle Forst, durchzogen vom dämonischen Hexenmyzel, ein gefährlicher Ort. Mahre, Nachtschrecken und andere finstere Geschöpfe durchstreiften das Unterholz. Weiterhin wagte kaum jemand, die Kaiserstraße nördlich in die Turmländer zu nehmen.

Den Wanderstab in der rechten Hand und Kaspians Stein in der Linken folgte der Hohe Meister einem schmalen Pfad durch das dichte Gebüsch. Das magische Artefakt schützte ihn vor den Kreaturen, sorgte es doch dafür, unscheinbar zu bleiben. Einmal begegnete er einem Wolfsmahr, der ihn aber nicht beachtete und ohne innezuhalten, an ihm vorbeizog.

Weitere gefährliche Begegnungen blieben ihm glücklicherweise dank Kaspians Stein erspart. Das Artefakt machte ihn vor den Augen all jener Kreaturen unsichtbar, die er selbst nicht wahrnahm. Das schützte ihn vor unerwarteten Angriffen aus dem Hinterhalt, nicht aber vor einem direkten Aufeinandertreffen. In diesem Fall galt es schnell und entschlossen zu reagieren, um mit geistiger Disziplin das Wesen aus den Gedanken zu verbannen.

Der Himmel war sternenklar und beleuchtete den schmalen, überwucherten Pfad, der ihm vage den Weg wies. In diesem Teil des dunklen Forsts bildeten die Bäume mit den rostroten Blättern glücklicherweise kein undurchdringliches Dach. Dennoch, der Marsch zum Hexenstein würde mehrere Tage andauern.

Barut-al-Zavid beschlich das ungute Gefühl, einen schrecklichen Fehler zu begehen.

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt