Taquaia

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Der Sand scheuerte über seine Haut und die Hitze trieb ihm die Schweißperlen auf die Stirn. Dairos blickte hinüber zu Valaria, die sich ebenso wie er unter der Sandschicht eingegraben hatte. Dabei ging es ihr deutlich schlechter wie ihm. Ihre Lider waren nur noch einen Spalt breit offen und ihr Atem flackerte wie eine Kerze im Abendwind. Seit Stunden steckten sie nun schon ohne Wasser in der Hitze dieses Glutofens fest.

»Nicht bewegen«, murmelte die bleiche Gestalt und fixierte ihn warnend mit ihrem Blick. Sie nahm wie so oft zuvor einen kleinen, spitz zulaufenden Kristall in die Hand und blies in einen schmalen Spalt. Kein Ton war zu hören und dennoch schien sie zufrieden.

Dairos knurrte wütend. Er blinzelte nach oben, sah die Schemen der Seelensauger am Himmel kreisen. »Sie hält nicht mehr lange durch.«

»Werden die Kreaturen auf euch aufmerksam, wird ihr Leiden enden.«

Dairos schluckte. Die seltsam bleiche Frau hatte sie gerettet, indem sie ein Buch aufgeschlagen hatte, durch das sie in Leishas Welt hatten fliehen können. Doch was war diese Rettung überhaupt wert?

Erneut tastete ein Tentakelarm an ihm vorbei über den Sand. Ein eiförmiger Kopf durchbrach den Boden und lugte in alle Richtungen, nahm sie aber glücklicherweise nicht wahr. Wenig später tauchte die krakenartige Kreatur wieder unter den Sand ab.

»Warten wir etwa auf die Dunkelheit?«
»Nein, keine Nacht.«

Die bleiche Frau mit den spitzen Ohren hatte ihnen bislang nicht viel erzählt. Nicht einmal ihren Namen hatte sie preisgegeben. Kaum angekommen, hatte sie auch schon befohlen, sich tief unter den Sand zu wühlen. Alsbald zeigte sich am Himmel die Silhouette eines einzelnen Seelensaugers, der in großer Höhe über sie kreiste. Das Vieh ahnte wohl, dass sie sich versteckt hielten, vermochte sie aber nicht aufzuspüren.

Vor einer knappen Stunde hatte dann zu allem Überfluss auch noch eine krakenartige Kreatur ihren eierförmigen Kopf aus dem Sand gestreckt und suchend seine Tentakel in alle Richtungen ausgestreckt. Irgendwann hatte es sich wieder vergraben und tauchte nur ab und wann auf.

»Keine Nacht«, murmelte er leise und sah in den Himmel, betrachtete aus zusammengekniffenen Augen die vier Sonnen. »Auf was warten wir denn dann?«

Die Elfe schloss die Augenlider und begann zu meditieren. Woher nahm sie nur diese innere Ruhe? Dank ihrer beigefarbenen Kleidung musste sie sich nicht unter den Sand wühlen, saß einfach nur auf dem heißen Untergrund und wartete.

Auf einer nahegelegenen Sanddüne bebte der Boden und zitternd streckten sich Fühler in die Höhe.

Welches Untier kam nun? Dairos verstärkte den Griff um das Heft seines Ordensschwerts. Seitdem die Krake aufgetaucht war, hatte er es nicht mehr losgelassen. Sobald ein Tentakel Valaria oder ihm zu nahe gekommen wäre, hätte er zugeschlagen. Und diese bleiche Frau hätte ihn nicht davon abhalten können.

»Kommt.«

Als wäre nichts gewesen, erhob sich die Elfe aus dem Sand. Über ihr erklang ein Kreischen. Der Seelensauger nahm eine Bewegung wahr, stieß aber nicht herab.

»Jetzt spielt das Flattertier dort oben wohl keine Rolle mehr?« Dairos sprang in den Stand und sah sich um, erwartete fast, dass aus dem Boden ein Tentakel hervorbrach, um sie zu umschlingen.

»Die Seelensauger hören nicht gut und haben nur eine verschwommene Sicht. Aber Blut wittern sie sofort.«

Dairos verstand. Als sie durch die Wand des Mausoleums gebrochen waren, hatten Valaria und er einige blutige Schrammen abbekommen. Sie waren also unter den Sand gekrochen, um dem Seelensauger die Witterung zu erschweren. Er warf einen Blick auf seinen Arm. Die Wunden waren verschorft, doch der Verband um Valarias Schulter war blutdurchtränkt.

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt