Die Tür unter Wasser

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Er hatte es Calmenwein nachgemacht und sich den Schimmerstein zwischen die Zähne gesteckt. Der Schacht war zwar eng, doch Dairos kam gut voran. Hier auf den ersten Metern hatten die Männer Lajetans gute Arbeit geleistet.

Doch schließlich bog der Weg im rechten Winkel nach oben hin ab. Mühsam zwängte er sich um die Engstelle herum. Ruhig bleiben, sagte er sich. Er wusste nicht, für wie lange er noch Luft in seiner Lunge hatte, aber er war sich darüber im Klaren, dass jegliche Panik sein Ende bedeutete.

Weit, viel zu weit vorne, machte er einen Lichtschein aus. Calmenwein war nur noch als vages flackerndes Glimmen auszumachen.

Der Kanal verengte sich zunehmend. Dairos tastete nach Vorsprüngen und zog sich durch die schmalen Stellen hindurch. Doch so sehr er sich mühte, der Abstand zu dem Assassinen wurde immer größer. Als sich der Gang wieder etwas verbreiterte und er weiterschwimmen wollte, verhakte sich sein Schwertgurt in der Höhlenwand an einem Felszacken.

Dairos versuchte, sich zunächst kraftvoll nach vorne zu wuchten, scheiterte aber am widerstandsfähigen Material seines Ledergurts. Obwohl die Lungen bereits zu brennen begannen, zwang er sich dazu, sich zurückzuschieben, bis er freikam. Danach drückte er sich tiefer auf den Boden und zog sich weiter.

Es gelang.

Das Licht in der Ferne verschwand. Calmenwein hatte wohl die Treppe erreicht und schwamm aufwärts zur Tür. Nun würde der Assassine sich daran machen, das Schloss zu öffnen.

Ich muss schneller werden ...

Da verhakte er sich erneut. Der Ruck presste ihm den letzten Rest seiner Luft aus der Lunge. Er konnte nicht mehr. Sein Brustkorb wollte explodieren. Der Schimmerstein fiel ihm aus dem Mund und landete im Schlick des Tunnels.

Vor seinen Augen tanzten schwarze Flecken, der Drang Luft zu holen wurde immer schlimmer. Er drehte sich halb um die eigene Achse, kam wieder frei und stieß sich ab.

Ich muss atmen ...

Vor seinen Augen wurde es schwarz.

Gerade als er seinen Mund weit aufreißen wollte, um nach Luft zu schnappen, pressten sich kalte Lippen auf die Seinigen. Arme umklammerten ihn, rissen ihn nach vorne. Ein Luftstrom blähte seine Lungen auf. Überrascht öffnete er seine Augen. Die Lippen lösten sich von seinem Mund.

Im Dunkel des Korridors sah er vage die Umrisse einer Frau, die, ihn fest umschlungen, geschmeidig den Schacht entlang schwamm, als würde sie sehen können. Dabei hielt sie ihn mit einer Kraft, die der Seinen weit überlegen war, im Griff und zog ihn wie ein Paket mit sich. Er blieb ruhig, vertraute sich Valaria an.

Sie erreichten die Treppe und wechselten die Richtung. Es ging nach oben. Einige Schwimmzüge später passierten sie eine geöffnete Tür und durchbrachen prustend die Wasseroberfläche.

Calmenwein lag erschöpft auf einem Treppenabsatz und sog gierig Luft in seine Lungen. Dairos spürte, wie Valaria ihn aus dem Wasser hob und freigab. Mit letzter Kraft schob er sich auf den gemauerten Boden.

Die Nebelsirene schwang sich geschmeidig neben ihn und sah kopfschüttelnd, aber auch besorgt auf ihn herab. Er war mit seinen Kräften am Ende und ein Blick zum Assassinen sagte ihm, dass es Calmenwein nicht anders ging.

»Keine Ahnung, warum ich euch gerettet habe, Dairos. Vielleicht weil, ihr damals geholfen habt, die Bluthexe zu stoppen. Vielleicht, weil ich euch irgendwie mag.«

Sie bückte sich und zog Calmenwein ein Messer aus dessen Gurt. Der Assassine war viel zu erschöpft, um es verhindern zu können, starrte sie nur feindselig an.

»Diese Klinge reicht aus. Es tut mir leid, Ritter, aber hier trennen sich unsere Wege. Ich erfülle mein Schicksal und das Cyrianas.«

Nein! Dairos wollte etwas sagen, konnte es nicht, musste hilflos mit ansehen, wie die Nebelsirene sich abdrehte und der Treppe weiter folgte. Kurz darauf war sie außer Sicht.

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt