Ohne zurückzublicken, eilte Valaria über die Stufen weiter nach oben. Zwar kannte sie sich im Palast nicht aus, aber die Gelegenheit, sich von Dairos und dem Assassinen zu lösen war einfach zu günstig gewesen.
Es wäre ihr schwergefallen, sich später gegen den Ordensritter zu wenden, ihn gar anzugreifen oder zu töten. Sie zollte seiner Standhaftigkeit und Aufrichtigkeit Respekt, mehr noch, sie musste sich eingestehen, dass sie ihn mochte. Aber das durfte sie nicht davon abhalten, ihr Schicksal zu erfüllen.
Die Auserwählte des Volkes muss den Dolch gegen jene führen, die unvergleichliches Blut vergossen hat, gegen jene, die von innen heraus verfault. Sie muss ihr Herz treffen und dann, und nur dann, wird die Najadengöttin bereit sein, die Nebelsirenen zu erretten ...
Sie hatte keine Wahl. Um ihr Volk zu retten, musste die Bluthexe sterben.
Mochte der Weg zu ihr auch unbekannt sein, so gab es doch Hinweise, wohin sie sich zu wenden hatte. Seitdem sie die Treppe erreicht hatten, nahm sie ein leises Wispern in ihrem Geist wahr. Der Choral der Magier war zusammengetreten und wirkte einen mächtigen Zauber. Arkane Mächte ballten sich zusammen, um sich auf ein Ziel weit im Süden, mitten auf der Smaragdsee zu richten.
Ein kalter Schauer rieselte über ihren Rücken. War es soweit, kam sie gerade noch rechtzeitig, um den Todesstoß gegen ihr Volk aufzuhalten?
Sie erreichte eine massive, mit metallenen Bändern verstärkte Eichentür und griff mit pochendem Herz nach der Klinke. Wenn sie verriegelt war, war ihr Weg möglicherweise zu Ende, denn trotz ihrer Körperkräfte schien sie ihr unüberwindbar.
Zu ihrer Erleichterung glitt die Tür auf und sie huschte in einen halbdunklen Gang hinein. Von wo kam das arkane Gemurmel? Sie drehte sich einmal im Kreis, sah eine weitere Tür im Gemäuer und dahinter eine schmale Treppe, die hinauf in die Kaiserfeste führte.
Magische Energien ballten sich direkt über ihren Kopf zusammen. Sie musste nach oben, in ein höher gelegenes Stockwerk. Einen kurzen Augenblick dachte sie an Dairos und den Assassinen. Wie viel Vorsprung hatte sie? Der eiserne Wille des Ordensritters war nicht zu unterschätzen. Kaum vorstellbar, dass er noch benommen am Boden lag. In seinem Wahn, die Bluthexe zu beschützen, war er sicherlich bereits ihr nachgewankt. Sie musste weiter.
Entschlossen lief sie zur engen Wendeltreppe und nahm eine Stufe nach der anderen. Sekunden später stand sie erneut vor einer Eichentür, die jedoch diesmal verschlossen war. Sie musterte die Scharniere im Mauerwerk, entdeckte, dass sie bereits viel Halt im Gestein verloren hatten. Ohne weitere, wertvolle Zeit zu vergeuden, nahm sie Anlauf und wuchtete ihren ganzen Körper gegen das massive Gebälk.
Splitternd gab das Blatt nach und die Scharniere rissen aus der Steinwand. Mit einem lauten Krachen flog sie mit der aufgebrochenen Tür in den dahinterliegenden Flur. Eine in der Nähe stehende Wache wandte sich ihr zu und musterte sie aus toten Augen.
Noch ehe sein träger Geist eine Entscheidung fällte, hatte sich Valaria abgestoßen und schmetterte den Mann auf die steinernen Bodenplatten. Der Soldat riss zwar seine Arme abwehrend in die Höhe, doch er war viel zu langsam. Sie fuhr ihm mit der Klinge einmal quer über seinen Hals. Gurgelnd hauchte der Wachposten sein Leben aus.
Ganz in ihrer Nähe schwoll der Magierchoral zu einem dumpfen Brummen an. Die Stimmen in ihrem Geist wurden immer lauter und drängender. Und auch wenn sie nichts verstand, so spürte sie, wie sich die Energien verbanden und eine Magie schufen, die ihresgleichen suchte. Was ging hier vor?
Xarop, der Bluthexer war zwar gefährlich, aber nicht mal ansatzweise in der Lage derartige Kräfte zu entfesseln. Und sie glaubte auch nicht, dass Cyriana dies vermochte. Es entstammte dem Werk vieler Zauberer.
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Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe (Band 2)
FantasyBand 2 Nach den Ereignissen im Schattenwald hat sich Cyriana, verborgen vor den Augen des Ordens, im Norden Dryadengrüns niedergelassen. Doch auch hier kommt sie nicht zur Ruhe. Mysteriöse Träume suchen die Hexen heim und als Aratica entführt wir...