Pläne entstehen

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Aratica winkte den anderen und deutete auf ein ihr wohlbekanntes Zelt. Es hatte einst Lord Kajat als Unterkunft gedient, doch seitdem er überstürzt abgereist war, war es verwaist.

Immer noch herrschte um sie herum helle Aufregung und überall eröffnete man provisorische Lazarette. Allerdings hatte sich der Staub bereits weitgehend gesenkt und ermöglichte einen Blick auf den eingestürzten Turm. Das Bild, das sich ihnen bot, war verheerend. Von den Grundmauern war kaum etwas übriggeblieben und in nordwestlicher Richtung lagen die größten Trümmerstücke.

Das Wahrzeichen Dryadengrüns – zermalmt.

Aratica trat durch den Eingang ins Zelt. »Mal sehen, was mein Kajatlein zurückgelassen hat.«

Dairos und Jutan folgten ihr dichtauf. Das geräumige Innere wirkte nicht so, als wäre sein Bewohner abgezogen. Aber Lord Kajat hatte das Weite gesucht, als sein Plan mit Aratica krachend gescheitert war.

»Berichtet mir alles, was geschehen ist«, forderte der blonde Ritter sie auf.

»Ganz der Ordensritter, Dairos? Kaum angekommen und gleich Befehle geben?«

»Die Sache ist viel zu ernst, Aratica. Unterlasst einfach eure üblichen Spielchen.«

»Natürlich.« Sie drehte sich um und entdeckte im hinteren Bereich des Zelts ein ausgedehntes Kissenlager.

»Oh, wie hübsch.« Aratica nahm Anlauf und ließ sich auf die plüschigen Kissen fallen. Sie drehte sich auf den Rücken, starrte auf das Zeltdach und wedelte mit ihrer Hand. »Berichtet ihr zuerst.« Wie sie es liebte, den prinzipientreuen Ritter zu provozieren.

Einen Moment zögerte Dairos, gab aber dann sichtlich genervt auf. Auf einen sinnlosen Disput mit ihr schien er keine Lust zu verspüren.

Wie schade ...

Er erzählte ihnen alles über seinen Auftrag, seine Reise nach Dryadengrün, der Begegnung mit dem unscharfen Wesen und schloss mit dem Tod Barut-al-Zavids. Dabei stand er die ganz Zeit gerade und aufrecht.

Aratica verspürte einen unerwarteten Stich in der Brust. »Barutilein?«, murmelte sie betroffen. Doch eine ihrer wichtigsten Lektionen aus ihrer Lehrlingszeit im Meuchlerorden war es, keinem lange nachzutrauern. Niemand hatte etwas davon.

»Die seltsame Kreatur hat ihm alles Wissen ausgesaugt. Und er wusste eine Menge über Cyriana.«

Aratica furchte die Stirn. »Wie schafft ihr das nur?«
»Was meint ihr?«
»Na, einfach so dazustehen, so aufrecht wie eine Planke. Werdet ihr nie müde?«

Dairos schnaubte und fixierte sie böse.

Aratica hob die Hand. »Nun gut, ich erzähle, was ich weiß. Bitte nur nicht so grimmig schauen.« Sie hielt inne und musterte ihn von oben bis unten. »Ihr macht eine gute Figur in eurer Lederrüstung und dem wuchtigen Schwert auf dem Rücken. Wenn ihr etwas freundlicher wärt, würde sich sicherlich die ein oder andere holde Maid in eure Nähe verirren.«

»Ihr wisst schon, dass eine Expertise eurerseits reichlich seltsam anmutet?«

Leider hatte Dairos durchaus Recht. Aratica spürte erneut einen feinen Stich in der Herzgegend und erinnerte sich an Trastian. Hoffentlich ging es ihm gut.

Aber diese Gefühlsduselei begann furchtbar zu nerven.

Sie nahm eine sitzende Haltung ein und erzählte alles über ihre Entführung und die zurückliegenden Stunden im Dryadenturm. Kaum hatte sie geendet, wandte sich ihr Blick Jutan zu. Der Schmied aus Hanfkoven zuckte nur mit den Schultern. »Von mir gibt es nicht viel zu berichten.«

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt