Laichfelder

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Siquotan sah die Eiselfe an der Reling stehen und gesellte sich zu ihr. Taquaia starrte wortlos auf die weite See. In ihrem makellosen, wächsern bleichen Gesicht zuckte kein Muskel. Von allen Nocturnen war sie ihm immer am unheimlichsten gewesen.

Sogar er, der Gesandte des Liberatus erschauerte in der Nähe der kühlen, unnahbaren Frau. Eine Zeitlang hatte er versucht eine Verbindung zu ihr aufzubauen, doch sie hatte ihn bei all seinen Versuchen, ihr nahezukommen, angeblickt, als wäre er ein lästiges Insekt.

Ohne ihren Blick von der See zu wenden, sprach sie ihn an. Es klang so erbarmungslos wie das Meer selbst und klirrte wie Eis.

»Was machen wir hier nur, Meerelf?«

Erneut fragte er sich, weshalb sie sie bei der Unternehmung nicht außen vorgelassen hatten. Sie war so anders wie seine übrigen Weggefährten. Xarop war ein eitler Magier, der sich selbst und seine Macht stets überschätzte. Ördir litt unter dem Schicksal seines Volkes mehr als alle anderen, denn Waldelfen brauchten die Geselligkeit abendlicher Lagerfeuer wie Insekten das Licht. Vereinsamt war er so abgestumpft, dass er niemanden als lebenswert erachtete. Maritobi, der Alchemist vertiefte sich in seinen Forschungen, stellte aber alles was er tat in den Dienst der gemeinsamen Sache. Sie einte die Sorge um ihre Völker.

Doch Taquaia? Sie hatte ihn vollkommen unerwartet darum gebeten, die Reise zu den Laichfeldern mitzumachen. Leider hatte sie ihm ihre Gründe nicht offengelegt. Lag es daran, dass von allen Nocturnenvölkern es ihres am schrecklichsten getroffen hatte? Wollte sie dabei sein, wenn sie die Nebelsirenen auslöschten? Gab ihr das eine Genugtuung?

Er erinnerte sich daran, wie sie damals nach einer langen Reise in den Süden zur Insel zurückgekehrt war und nur das karge, lebensfeindliche Riff vorfand, das einst ihre Heimat gewesen war. Seit jenem Tag hatte Taquaia sich von ihnen zurückgezogen und sich nur noch selten eingebracht. Sie tat, was man von ihr verlangte, ohne zu murren, aber auch eben nur das.

War das der Grund, weshalb sie alle anderen abwies? Weil sie sich längst damit abgefunden hatte, allein zu bleiben.

»Die Nebelsirenen haben sich uns lange genug in den Weg gestellt. Das wird nun enden«, antwortete er ruhig.

Zunächst sagte sie nichts, strich nachdenklich mit ihrer Hand die weißen Strähnen aus dem Gesicht. Dann sah sie ihn an.

»Ihr wollt sie auslöschen, Meerelf?«
»Ich dachte, deshalb seid ihr mitgekommen? Um dabeizusein, wenn wir endlich die Schuld eintreiben.«

Sie sah ihn aus unbewegten Augen an. Was dachte sie nur? Der Liberatus hatte angeordnet, dass jeder Nocturne stets von einem Siquotan begleitet wurde. Leider hatte das Schicksal ihn mit Taquaia bestraft. Sobald sie zurückkamen würde er sich mit einem anderen seiner Brüder abwechseln. Sogar mit Xarop ließ es sich in gewisser Weise besser aushalten, als mit der Eiselfe, die jedem das Gefühl gab, weniger wert als Dreck unter ihrem Fingernagel zu sein.

»Nein, das bin ich nicht.«
»Nicht?«
»Die Schuld der Nebelsirenen liegt Jahrhunderte zurück.«

Einen Augenblick lang war Siquotan versucht, ihr zu antworten, zu rechtfertigen, was sie taten, tun mussten, doch kannte er sie gut genug. Die Eiselfin war unerschütterlich, änderte nie eine Meinung. Da war es leichter einen Birnbaum davon zu überzeugen, Äpfel zu tragen.

Er seufzte. »Wir stehen im Krieg, Taquaia. Daran lässt sich nun mal nicht rütteln.«

Sie sah ihn auf eine Art und Weise an, die »So? Unsere Völker sind seit Ewigkeiten in Leishas Reich verschollen. Dort existiert niemand mehr. Wieso führen wir diesen sinnlosen Krieg?«

»Seid nicht voreilig. Ich habe die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wendet.«

In ihrem Gesicht zuckte kein Muskel. Starr sah sie hinüber zum Horizont. Gerade, als er sich abwenden wollte, ließ ihn ihre kalte Stimme erstarren.

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt