Leisha greift ein

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»Sie sind bereits da.« Leisha deutete auf eine Gruppe vage erkennbarer Gestalten, die in einiger Entfernung an den Ausläufern mächtiger Dünen standen und hinüber zum Sandkreisel blickten. »Legt euch auf den Boden.«

Der Sandgürtler hatte sie unterhalb der großen sandigen Ebene bis an den Rand der nahezu unsichtbaren Kuppel geführt. Danach war der Beduine mit der gewaltigen echsenartigen Kreatur wieder abgerückt. Nun lagen sie hinterhalb der aufgewühlten Erde und beobachteten, wie der kleine Trupp eine Formation bildete und die Sandfläche betrat.

»Erstaunlich, es sind sehr wenige.« Leisha wischte sich einige Strähnen ihrer langen Haare aus dem Gesicht. »Hätte ich gewusst, wie klein ihre Streitmacht ist, hätte ich vielleicht einen anderen Weg gewählt.«

»Götter sind also nicht allwissend?« Dairos rieb sich den feinen Sand aus den Augen und grinste. »Das ist sehr beruhigend.«

»Der Sandkreisel bindet meine Macht. Ich bin etwas eingeschränkt, Ritter Dairos.«

Er starrte auf beigefarbene Schlieren, die innerhalb der Glocke im Uhrzeigersinn entlangtrieben, streckte seinen Zeigefinger aus, um sie zu berühren, doch Leisha legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Auch wenn ich nicht allwissend bin, das ist keine gute Idee.«
»Mit euren Sandgürtlern und Beduinen hättet ihr den Trupp mit Leichtigkeit
stoppen können«, erkannte Dairos.

»Vielleicht. Aber ihr irrt euch, wenn ihr glaubt, wir wären in der Übermacht. Das übriggebliebene Volk der Nocturneninseln zählt nur noch ein paar hundert Seelen, Frauen und Kinder mit eingerechnet. Der Blutzoll gegen gut ausgerüstete Soldaten wäre zu hoch gewesen.« Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Für den Kampf habe ich die schwarzen Kreaturen erschaffen.«

Leishotan deutete auf eine blauhäutige Gestalt, die aus dem kleinen Trupp von herausragte. »Ein Siquotan?«

Ohne sich zu vergewissern, nickte Leisha einfach. »Gewiss. Wir haben nicht viel Zeit. Sie sind gekommen, um den Wall mithilfe von Qritonis Früchten zu zerstören. Es wird ihnen zweifelsohne gelingen. Ihr, Leishotan werdet aber das Blatt zu unserem Gunsten wenden.«

»Ich? Warum erwartet ihr Hilfe? Ihr sagtet doch selbst, dass ich jenem Volk angehöre, welches jenseits des Walls liegt. Wir stehen nicht auf derselben Seite.«

»Fühlt ihr euch als Meerelf oder als ein Diener einer Kreatur, die alles Leben vernichten will?«

Leishotan zögerte. Sein Blick schweifte hinüber zu dem Trupp heranlaufender Männer. Aus dem Sand wühlten sich katzengroße Spinnen hervor, die den Soldaten nachhetzten. »Weshalb weiß ich nichts von den Plänen, welche ihr glaubt, dass der Liberatus sie schmiedet.«

»Der Buchmagier hat alle anderen fest im Griff und lässt sie nur das wissen, was diese benötigen, um ihre Aufgaben durchzuführen. Als ihr hier in dieser Welt fast gestorben seid, verlor er seinen Einfluss auf euch. Ihr seid nun kein Teil dieser Kreatur mehr, ihr seid zu einem eigenständigen Wesen geworden.«

»Aber ...«, begann Leishotan, wurde von der Göttin sogleich unterbrochen. »Das schwarze Herz wird euch gnadenlos töten, sobald es merkt, dass ihr nicht länger unter seiner Kontrolle steht. Wacht auf, ihr seid Nocturne und kein Vasall einer anderen Macht.«

»Und wenn ich mich nicht auf eure Seite stelle?«
»Dann werden alle Elfen, die in diese Welt geflohen sind, sterben ... und das schwarze Herz wird sich neues Leben suchen.«

Die Miene des abtrünnigen Siquotans verdunkelte sich. »Warum schmerzt mich dieser Gedanke so?«
»Weil ihr vom Liberatus als ehrbarer Nocturne geschaffen wurdet und er das derzeit nicht ändern kann.«

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt