Suche nach Karan

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»Ihr seid es mir schuldig.«
»Nein, das ist völlig unmöglich. Dafür wird man mich einen Kopf kürzer machen.«

Jutan lehnte seinen Kriegshammer gegen die Wand. »Ich lasse Knut hier, aber lasst mich ein.«

Sein Gegenüber, ein alter, graubärtiger Veteran schüttelte ungläubig den Kopf. »Erzherzog Fablo hat klare Anweisung gegeben, während der Feierlichkeiten niemanden in den Palast einzulassen.« Er warf einen kurzen Blick auf den Kriegshammer. »Und ihn erst recht nicht.«

Jutans Augen wurden starr. Hatte sich dieser Kamerad vergangener Zeiten tatsächlich auf einen Fürsten aus Dachsburg berufen, dessen Ruf alles andere als unbescholten war. Hatte er die lange Reise aus dem goldenen Reich angetreten, um sich nun diesen Unsinn anzuhören? »Ihr habt einen Treueeid geschworen, der euch verpflichtet. Einen Schwur auf das Haus der Dryadengrüns. Das Wort eines Erzherzogs bedeutet nichts.«

Der Wachmann deutete zum Ausgang aus der kleinen Wachstube. »Kommt mir nicht damit, Jutan. Die Zeiten haben sich geändert. Der Regent ist tot, der Thronerbe außer Landes und Prinz Kendar ... unterstützt den Fablo dabei, Nachfolger Garls zu werden.«

Laut grummelnd griff sich Jutan in seinen schlohweißen Bart und strich ihn glatt. »Ich will nur meinen Jungen holen. Er hat hier nichts verloren.«

»Ich habe keine Ahnung, wo er ist ... und selbst wenn er im Palast sein sollte, dann hat er sich frisch als Rekrut verdingt. Ihr könnt ihn nicht so einfach abholen, er wäre fahnenflüchtig.«

Jutan beugte sich bedrohlich nach vorne. »Ich habe euch damals vor dem Schafott bewahrt, als ihr bei einer Wirtshauskeilerei einen eurer Kameraden den Schädel eingeschlagen habt.«

Der Veteran legte die Fingerspitzen an die Stirn. »Ich weiß, was ich euch schulde, alter Freund, aber was ihr nun von mir verlangt, wäre mein Todesurteil.«

Jutan deutete hinaus auf die Stadt, von der laute Schreie, Musik und Lachen herüberhallte. »Es geht nicht nur um meinen Sohn. In wenigen Stunden wird hier Schreckliches geschehen. Es ist möglich ...« Er brach bedeutungsschwanger ab.

Sein Gegenüber lächelte verhalten. »Erfindet keine Gefahr, nur um euren Sohn zu holen.«

Jutan seufzte auf, griff nach dem Stil seines Kriegshammers. »Warum glaubt ihr wohl, dass ich ihn hier weghaben will«, brummte er verärgert. Er wandte sich zum Ausgang der kleinen Wachstube.

Der Veteran schluckte nervös. »Das ist der Weg zum Palast, ihr müsst die andere Tür wählen.«

»So? Ihr könnt mich nur mit Waffengewalt aufhalten, doch dann wird niemand mehr da sein, der zwischen euch und dem Tod steht.«

Der Veteran stellte sich ihm in den Weg. »Das geht so nicht. Wenn ihr da allein hinausgeht, werden die Armbrustschützen keine Sekunde zögern.«

Jutan schob den Mann zur Seite und trat ins Freie. Fluchend folgte der Kamerad längst vergangener Zeiten, als er noch am Dryadenturm zu den Turmwachen gehört, ja sie sogar befehligt hatte. Der Schmied aus Hanfkofen lächelte still in sich hinein. Er hatte sich nicht in seinen alten Weggefährten getäuscht.

»Ich bringe euch bis zum Haupteingang, Jutan. Dort gebt euer Begehr an.«
»Habt Dank ... und wenn ich einen Rat geben darf, dann verlasst diese Stadt schnellstmöglich.«

Mit seinen Blicken suchte er die umliegenden Wachtüme und Balkone ab. Tatsächlich entdeckte er einige Armbrustschützen, die ihn aber nur mit ihren Augen verfolgten, dabei recht entspannt wirkten. Immerhin wurde er ja von dem wachhabenden Offizier begleitet.

Am großen Aufgang in den Palast erwartete sie ein dekorierter Leutnant. Er war noch recht jung und trug die Insignien derer aus Dachsburg. Ein Mann des Erzherzogs also. Jutan erkannte ihn nicht.

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt