Leishotan

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Das gemauerte Gebäude lag zum Großteil unter einer Düne begraben. Siquotan folgte Leisha über einen niedrigen Tunnel ins Innere. Angenehme Kühle empfing ihn. Ein Beduine zündete eine Laterne an.

»Wo sind wir?«

Leisha gab einem ihrer Begleiter ein Zeichen. »Ihr müsst durstig sein.«

Zwei Gestalten kamen aus einem Nebenraum und drückten ihm einen Wasserschlauch in die Hand. Er ließ sich an einer der Wände nieder. Der Boden war zwar aus Stein, aber auch mit einer feinen Sandschicht überzogen. Er kratzte sich an der Schulter.

»Ihr seid in einer unserer Außenposten. Dort finden wir Schutz vor den Schattenkreaturen.«

Siquotan nahm einen langen Schluck. Das Wasser schmeckte schal und war lauwarm. Zwischen seinen Zähnen knisterte der Sand. Leisha schien seinen angewiderten Blick zu bemerken und lachte auf. »Das Leben hier ist hart.«

»Was mache ich hier? Warum habt ihr mich verschont?«, erkundigte er sich misstrauisch. Er glaubte nicht an die Herzensgüte anderer Menschen und schon gar nicht an die der hintertriebenen Göttin, mochte sie noch so freundlich wirken.

»An was entsinnt ihr euch denn?«

Das war eine gute Frage. Er erinnerte sich daran, mit Cyriana im Dryadenturm vor den Nebelsirenen geflohen zu sein. Als die Schattenkobolde das Gebäude zum Einsturz brachten, gelang ihnen beiden die Flucht in Leishas Reich, einer Ödnis, bewohnt nur von einer Göttin und Heerscharen schrecklicher Schattenkreaturen.

So hatte er zumindest gedacht.

Als eine der beiden Nebelsirenen aus dem Turm in der Wüste auftauchte, um Cyriana zu töten, hatte er sich ihr in den Weg gestellt ... und war unterlegen. Der Stich der Muränenklinge hatte ihn augenblicklich gefällt. Aufgewacht war er schließlich in einem Zelt und war der Frau begegnet, die für die Nocturnen der eigentliche Erzfeind war, Leisha, eines skrupellosen Wesens, das an dem Schicksal der Elfenvölker schuld war. Sie hatte ihn gerettet.

»An vieles, aber nicht an eine Göttin, die sich als mitfühlender Mensch ausgibt.«

»Oh, dabei sind wir uns schon so oft begegnet, Siquotan.«
»Daran würde ich mich sicherlich erinnern.«

Leisha winkte einem der verhüllten Beduinen heran und murmelte ihm etwas ins Ohr. Er nickte und verschwand. Sie wandte sich ihm wieder zu.

»Ich werde euch eine Geschichte erzählen.«
»Ihr wollt mich mit euren Lügen vergiften.«

Sie wiegte nachdenklich ihren Kopf zur Seite. »Urteilt nicht vorschnell.«

»Ich werde nichts verraten.« Er nahm das Messer, welches sie ihm gegeben hatte und warf es vor ihre Füße. Niemals hätte sie es ihm überlassen, hätte er damit Schaden anrichten können.

»So? Werde ich das? In der Tat interessieren mich gewisse Dinge, aber ihr irrt, wenn ihr annehmt, ich wäre ahnungslos. Ironischerweise trifft das auf euch zu.«

Sie bückte sich, nahm das Messer auf und wog es nachdenklich in der Hand. »Hier existieren nicht viele materielle Dinge mehr. Daher solltet ihr eine derartige Waffe wertschätzen.«

Siquotan biss sich auf die Lippen. Sie würde ihn mit ihrer vorgetäuschten Freundlichkeit nicht täuschen. Die Geister unzähliger Elfen lasteten auf ihrer finsteren Seele. Er musste auf der Hut sein.

»Ihr seid vor etwa einem Jahr auf dem Buckelriff mit euren Kameraden erwacht. Der Schatten des Liberatus schickte euch daraufhin auf diese Mission.«

Siquotan verschränkte die Arme vor seiner Brust. Sollte sie doch reden. Er würde auf ihre Worte nicht hereinfallen, musste nur stark sein.

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt