Der Kutter

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Dairos und Jutan ritten an den Klippen entlang. Sie hatten mehrere Anlegestellen aufgesucht, um eine Passage ans jenseitige Ufer zu bekommen, hatten aber nur zertrümmerte Boote und Fähren sowie verlassene Häuser entdeckt.

Zuweilen hatten sie auch die Leichen der Fährleute und ihrer Familien gefunden. Dairos wandte sich schaudernd ab.

»Dieser Krieg ist erbarmungslos. Aber ich verstehe nicht, was die Nebelsirenen mit dieser Bluttat bezwecken. Weshalb haben sie sämtliche Fährhäfen ausgeschalten? Wollten sie die Verbindung zum goldenen Reich unterbrechen?«

Der Schmied aus Hanfkoven brummte etwas in seinen schlohweißen Vollbart, blieb aber eine Antwort schuldig. Dairos warf ihm einen schnellen Blick zu. Als einstiger kommandierender Offizier der Turmwachen war es Jutan nicht gewohnt, sich über solche Fragen den Kopf zu zerbrechen.

Sie erreichten eine Wegkreuzung. Ein Pfad führte an den Klippen entlang, hinab zum Ufer des Nebelfjords. Dichte Nebelschwaden schlugen ihnen entgegen.

»Dort liegt der Fährhafen, von dem ihr erzählt habt, Jutan. Hat nicht ein Krake die Fähre zerquetscht? Wir können also weiter.«

Der Schmied schüttelte den Kopf. Er schien sich an etwas zu erinnern. »Ich habe ein an Land aufgebocktes Boot gesehen. Vielleicht ist es den Nebelsirenen entgangen.«

Dairos zögerte nicht. Seitdem Zurolon ihnen eröffnet hatte, Cyriana hätte es möglicherweise in Ignatus' Ordensburg verschlagen, verfolgte ihn einzig der Gedanke, möglichst schnell zurückzukehren. Dabei beschlich ihn das untrügliche Gefühl, dass er sich beeilen musste. Der bucklige Ordensabt würde mit der Druidin schnellstmöglich zum Großmeister aufbrechen.

»Versuchen wir es«, entschied er.

Gerade als sie den Weg hinab einschlagen wollten, kamen ihnen zwei Männer entgegen. Beide, groß und hager, blieben stehen und warteten ab, bis er und Jutan sie erreichten.

»Seid gegrüßt. Kommt ihr vom Fährhafen? Ist er wieder in Betrieb?«

Die beiden Männer warfen sich einen kurzen Blick zu, schienen ihre Antwort stumm abzustimmen. Dairos ließ sie nicht aus den Augen, verfolgte jede ihrer Bewegungen, die zumeist linkisch wirkten.

»Nein. Er ist verwaist. Ihr solltet umkehren. Wir haben nur Leichen gefunden.«

Jutan brummte etwas Unverständliches. Er wollte gerade an den Männern vorbeireiten, als einer der beiden die Hand hob. Der Schmied zügelte sein Pferd.

»Ihr habt eine eigenartige Waffe über eurem Sattel hängen«
»Ihr meint Knut?«
»Knut?«
»Mein Kriegshammer.«

Der Mann zögerte. »Ist das eine Waffe, der man häufig begegnet?«
Jutan schüttelte seinen Kopf. »Was seid ihr denn für Burschen? Ein derart mächtiger Kriegshammer ist eine Rarität. Im Umkreis von drei Tagesmärschen gibt es wahrscheinlich keine ähnliche Waffe.«

Die beiden Männer sahen sich stumm an und nickten sich schließlich zu. »Ihr wollt hinab zum Fährhafen?«

Ehe Dairos einschreiten konnte, hatte Jutan die Frage bereits beantwortet. »Natürlich. Wir müssen hinüber ins goldene Reich. Wir haben einen alten Kahn gesehen. Den wollen wir nutzen, um überzusetzen.«

Einer der beiden Männer lächelte. »Das trifft sich gut. Das jenseitige Ufer ist auch unser Ziel. Wir können euch helfen das Boot flottzumachen. Nennt mich Tran.«

Dairos deutete mit seinem Arm den Pfad entlang. »Dann geht voraus. Ihr kennt den Weg. Wir folgen.«

Wie auf ein geheimes Kommando drehten sich beide um und schritten den Weg hinab zum Fährhafen.

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt