Vagabundierende Banditen

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Dairos begleitete die Händler nordwärts. Seit den Ereignissen am Fährhafen hatte keiner mehr gewagt, überzusetzen, zumal die Fähre aus Dryadengrün weiterhin verschollen blieb.

An jenem Tag hatte er minutenlang am Ufer gestanden und mit gezogenem Schwert darauf gewartet, dass sich etwas aus dem Nebel schälen würde, dem er sich mit seiner Klinge hätte stellen können. Aber es war zu seiner Enttäuschung nichts weiter geschehen.

Doch diese unnatürliche Angst hatte ihn weiterhin begleitet und verflog erst, als er den Fährhafen verließ. Er horchte in sich, versuchte zu ergründen, weshalb sich ihm die Nackenhaare gesträubt hatten, denn der Tod war der gewohnte Begleiter eines Ordensritters.

Schließlich hatten sich ein Teil der Kaufleute dafür entschieden, die Route am Nebelfjord entlang über den Landstreifen nach Dryadengrün einzuschlagen. Auch wenn dort etliche vagabundierende Räuberbanden ihr Unwesen trieben, so fühlten sich die Händler auf diesem Weg sicherer, zumal sie mit ihm, Dairos von Ordon einem ehemaliger Ordensritter, einen wehrhaften Weggenossen hatten, dessen Geleit sie dankbar annahmen.

Ein zweiter Konvoi zog südwärts, um eine entfernter liegende Fährstelle aufzusuchen, um überzusetzen.

Am Ende des langgezogenen Fjords erstreckte sich ein weitläufiges Hügelland. Dichtes Gebüsch und vereinzelte Bauminseln zogen sich verteilt über die Bergkämme. Aus dem Norden floss eine Vielzahl kleinerer Bäche aus dem Schattenwald südwärts in den Nebelfjord.

Es gab einige bekieste Wege, welche durch das Hügelland führten. Obgleich von ansehnlicher Breite, nannte man sie einfach nur Schotterpfade. Dairos hatte die Spitze eines Zugs aus fünf Händlergruppen mit neun Karren übernommen. Drei der Kaufleute hatten jeweils zwei, ein Händler einen einzelnen Söldner angeworben, so dass ihn insgesamt sieben Bewaffnete begleiteten.

Manchmal tauchten auf den Anhöhen Reiter auf, die den Zug aufmerksam beobachteten. Dairos hoffte, dass die Räuberbanden sich zurückhielten. Für das rauflustige Gesindel waren sie zwar eine durchaus schmackhafte, aber auch wehrhafte Beute.

Seine Hoffnung erfüllte sich nicht. Dies wurde ihm sofort klar, als er auf dem Weg, den sie entlangzogen, zwei Berittene sah, die mitten auf der Straße warteten. Dairos hob die Hand und ließ den Tross anhalten.

Die beiden Männer näherten sich aufreizend gelassen ihrem Konvoi, zügelten erst ihre Pferde, als sie ihn erreichten. Sie trugen feste, nietenverstärkte Lederrüstungen und machten mit ihren verfilzten Haaren und Bärten einen verwegenen Eindruck. Die Augen funkelten spöttisch. Sie waren sich ihrer Beute sicher.

»Seid willkommen, Reisende«, begrüßte sie der Ältere der beiden, in dessen dunkelbraunen Haarschopf sich erste graue Strähnen stahlen, scheinbar freundlich. Sein jüngerer Kumpan musterte unterdessen schamlos die Karren, als gehörten sie ihm.

Dairos legte seine Hand auf sein Schwert. Der Händler mit seiner persönlichen Wache schloss zu ihm auf. »Verschwindet, Gesindel«, mahnte der ehemalige Ordensritter ruhig.

Die beiden Gesellen ließen ihre Blicke lüstern über den Konvoi gleiten. Dairos sah ihnen an, dass sie den Wert jedes einzelnen Wagens taxierten und auch, inwieweit die bewaffneten Begleiter ein Problem darstellten.

»Was habt ihr geladen?«, erkundigte sich der Jüngere.
»Ich denke nicht, dass euch das auch nur das Geringste angeht«, entgegnete Dairos scharf.

Der Händler an seiner Seite legte ihm die Hand auf eine Schulter. Er hatte die Route durch die von Räuberbanden kontrollierten Hügel schon mehrmals genommen und wusste aus leidvoller Erfahrung über die Abläufe Bescheid.

Letztlich war auch das hier nichts anderes, als eine geschäftliche Transaktion. Das Gesindel hatte nicht die Absicht, jeden Konvoi anzugreifen, auszurauben und nur Leichen zurückzulassen. Damit wären sie schlecht beraten, würden die Händler doch zukünftig nur noch mit schwerbewachten Trossen die Route wählen oder sie sogar komplett meiden. In den allermeisten Fällen genügte es den Straßenräubern somit, eine Art Schutzgeld abzupressen, welches eine sichere Passage durch das Hügelland erlaubte. Dabei hing die Höhe der Zahlung von der Wehrhaftigkeit der Händler ab.

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt