Seelensauger

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Vier Sonnen brannten erbarmungslos auf sie herab. Hier gab es weder eine kühlende Nacht, noch einen tiefen Schatten, der Schutz vor der Hitze bot.

Maritobi, der Wolkenelf deutete nach oben. »Achtet auf den Himmel.«
Die vier Arkebusiere bildeten um ihren Ankunftsort ein Karree, pflanzten ihre Stützgabeln in den Boden und sicherten die Umgebung. Soldaten drückten sich in den heißen Sand. Dank der beigen Lederrüstungen verschmolzen sie fast gänzlich mit dem sandigen Untergrund.

»Die Fassträger sind am wichtigsten. Ihr Leben steht an erster Stelle. Verlieren wir sie, werden wir alle sterben. Es wird dann keine Rückkehr mehr für irgendeinen von uns geben.«, brüllte Siquotan.

Aratica entdeckte vier, nein fünf gewaltige Schemen, die weit oben am Himmel kreisten. Die Seelensauger spürten wohl, dass sie da waren, sahen sich nach allen Seiten hin um.

Der Meerelf holte eine Art Kompass aus seiner Weste. »Lärm spielt keine Rolle. Die meisten der schwarzen Kreaturen können nicht hören.« Er hob den Blick, als sich die Nadel zitternd in einer Richtung einpendelte. »Auch sehen sie nicht gut. Aber wenn einer verwundet wird, werden sie das Blut noch in weiter Ferne wittern.«

Die Männer nickten verstehend. Jedermann wusste nun, was es bedeutete, sollten sie sich verletzen. Ein unheimliches Krächzen erklang. Die Seelensauger hatten sie erblickt und kamen näher, kreisten schließlich wie Geier in großer Höhe.

»Dort lang«, befahl Siquotan. Er wandte sich Prinz Kendar zu. »Ihr deckt unseren Aufbruch. Nehmt euch sechs weitere Armbrustschützen und haltet den Kreaturen so lange wie möglich stand.«

Maritobi winkte die Fassträger zu sich. »Und ihr bleibt stets in meiner Nähe.«

Aratica sah hinüber zum Prinzen, der sich schlaftrunken am Kopf kratzte und verständnislos in den Himmel starrte. Natürlich, hier in Leishas Reich ließ Siquotans Beeinflussung nach. Das Prinzlein erwachte aus dem Bann und fragte sich wohl, was er hier suchte. Unentschlossen beobachtete sie, wie ihre Kameraden in einem langen Tross abrückten. Nur Kendar, die vier Arkebusiere und ein halbes Dutzend Soldaten mit großen Armbrüsten blieben zurück, bildeten eine Linie. Erst jetzt gewahrte sie, dass die Männer mit den Flinten knallrote Togen trugen. Sie waren von Anfang an als Lockvögel geplant gewesen.

Wie Schuppen fiel es ihr von den Augen. Vermutlich hatte Fablo darauf gedrungen, dass Kendar nicht zurückkehrte, um seinen Anspruch auf die Regentschaft anzumelden. Dieser Trupp sollte die Seelensauger aufhalten. Keiner von ihnen würde überleben.

Kendars Blick wurde klarer. Er starrte zu ihr herüber. »Geht. Haltet ihn auf.«

In diesem Moment stieß eine der Kreatur kreischend herab, fegte über die Dünen hinweg, ließ Sandfontänen in die Höhe spritzen. Die Arkebusiere schossen sofort, trafen die gewaltige Bestie in Kopf und Leib. Das fledermausartige Geschöpf brüllte vor Schmerz, brach seinen Anflug ab, stieg senkrecht in den Himmel.

»Nachladen«, befahl Kendar und orderte die sechs Armbrustschützen nach vorne.

Zwei Seelensauger umflogen sie in einem weiten Bogen, nährten sich nun von hinten. Aratica warf sich zu Boden, in der Hoffnung, ihre sandgelbe Uniform schützte sie vor den Blicken der Monster. Ein mächtiger Schatten jagte über sie hinweg, direkt in die Reihe der Soldaten hinein, packte einen der Männer und stieg steil in die Höhe.

Doch er kam nicht weit. In seinem Schädel steckten vier ellenlange Bolzen. Der Seelensauger schlug noch zweimal mit seinen Flügeln, stieß ein wildes Krächzen aus und stürzte dann mit seiner Beute in den Klauen ab. Die zweite Kreatur war heran. Keiner der Männer hatte Zeit gefunden nachzuladen. Sie stoben augenblicklich auseinander. Zielsicher pickte sich das Untier einen der wegeilenden Armbrustschützen heraus und zerriss ihn mit seinen Klauen. Flatternd blieb es an Ort und Stelle, schlug mit seinen Flügeln, wirbelte den Sand auf.

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt