Lord Kajats Plan

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Mit schmerzendem Brummschädel erwachte Aratica. Ihr Kopf schlug im Rhythmus des leichten Trabs gegen die Flanke des Pferds ... auf dem sie wie ein Paket geschnürt lag.

Mühsam versuchte sie sich, zu orientieren, scheiterte aber dabei, da sie kopfüber über dem Sattel hing und ihr Blick nur auf die Beine der Stute fiel. Faszinierend, wie geschmeidig sich das Tier bewegte ...

»Sie ist wach«, hörte sie einen der Männer rufen.

Die Pferde hielten an. Kräftige Arme packten sie und rissen sie vom Sattel herab. Schwer schlug Aratica auf den Boden. Zwei Stiefel bauten sich vor ihr auf. Eine Faust griff in ihre Rastalocken und zerrte ihren schmerzenden Kopf in die Höhe, stellte sie auf ihre Beine.

Sie starrte in das feiste Gesicht des Adeligen. Sein gestutzter Schnurrbart zuckte leicht.

»Mein Name ist Kajat, Lord von den Beereninseln, Mörderin.«
»Muss mir da etwas Leid tun?«

Da Araticas Hände und Füße fest zusammengeschnürt waren, hatte sie Mühe, das Gleichgewicht zu bewahren. Sie balancierte sich aus und sah dem Lord in die Augen.

»Ihr habt meinem Vater, noch während er schlief, feige die Kehle durchgeschnitten.«

Das schmierige Grinsen des Lords passte nicht zu der verpackten Botschaft. Er ließ seinen Worten eine Pause folgen und starrte sie mit gespielter Entrüstung an.

Heuchlerischer Hurensohn, dir geht es also gar nicht um Vergeltung, durchzuckte es sie. Aber um was dann?

Sie zwinkerte ihm zu, woraufhin sein Lächeln abrupt erstarb und er sich nervös mit der Zunge über die Lippe fuhr. Offensichtlich fehlte es ihm an der Erfahrung, mit jemanden wie ihr umzugehen.

Doch nicht so abgebrüht, alter Knabe. Mal sehen, wie weit ich gehen kann.

»Stimmt, da keimt eine Erinnerung. Das war dieser geile Bock, der mich besteigen wollte.«

Lord Kajat gab Aratica einen kleinen Stoß, so dass sie rücklings schwer auf den Boden schlug. Der Adelige begann gackernd zu lachen. Seine vier Spießgesellen fielen pflichtbewusst mit ein. Ihr Salär war wohl üppig genug ausgefallen, um seinen schlechten Scherzen Beifall zu spenden.

Überraschenderweise nickte er schließlich. »Ihr habt sogar Recht. Er war ein Schwein.«

Gut, das war geklärt. Keine Blutrache. Damit konnte sie arbeiten. Aber was hatte der Knabe dann vor? Sie verbiss sich ihren Schmerz. Er war ein willkommener Begleiter, der sie stets mahnte, nicht zu leichtsinnig zu werden. Sie schenkte Kajat einen kecken Augenaufschlag.

Dieser erwiderte den Blick, hielt ihm aber nicht lange stand. Zufrieden bemerkte sie, wie das Unbehagen des Lords in wachsende Furcht umschlug. Sein Adamsapfel hüpfte wie eine Boje im Wellengang. Zweifellos hatte er das wahnsinnige Funkeln in ihren Augen entdeckt. Etwas, was schon viele vor ihm kosten durften ... und für einige das Letzte gewesen war, was sie gesehen hatten.

Dir wird nun also klar, wer die Beute ist.

Er schluckte und trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Unschlüssig kratzte er sich an der Wange. Den Verlauf des Gesprächs hatte er sich sicherlich anders vorgestellt.

Kindliche Vorfreude auf das Kommende durchflutete sie. Das Spiel mit der Angst anderer, aber auch mit ihrer eigenen, ließ sie erst ihr Leben erspüren. So sehr sie Ruhe und Geborgenheit bei Cyriana gesucht und gefunden hatte, so freute sich nun darauf, die Grenzen dieser heiklen Situation auszuloten.

»Was wollt ihr, kecker Herr? Vaterliebe ist es ja wohl nicht.«

Er schwieg einen Moment und musterte sie gereizt. Dabei fuhr er sich immer wieder mit seiner Hand über die Haare. Schließlich gab er sich einem Ruck.
»Oh das ist ganz einfach. Hattet ihr eine Vorstellung, weshalb euch euer Onkel damals den Befehl gab, meinen Vater umzubringen?«

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt