Verluste

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Sie kamen etwa zwei Stunden später, schossen dicht über den Dünenkämmen heran und waren nur schwer zu entdecken. Aratica hatte sich wohlweislich in die Mitte des Zugs vorgearbeitet. Sie hatte kein Interesse daran, Aperitif heranjagender Seelensauger zu werden.

Der Multiplex und der Wolkenelf marschierten an der Spitze, blieben dabei immer wieder stehen und diskutierten, welche Route sie einschlagen mussten. Da der direkte Weg zu gefährlich schien, wichen sie des Öfteren in einen Bogen einem Gebiet aus.

Die Frage, weshalb Siquotan sie nicht aus der Welt schaffte, ließ sie nicht los. Zunächst hatte sie vermutet, dass er sie für Halikarnosa aufsparte. Doch das war zu kurz gedacht. Für die Göttin vom Hexenstein hatte sie keinen Wert. Aber für den Meerelfen musste sie lebend mehr Nutzen haben, als tot.

Sie kamen vollkommen unerwartet.

Die beiden Soldaten, die am Ende des Zugs schritten, wurden von den Klauen der Seelensauger gepackt und noch während sie sich in die Höhe schraubten, in zwei Teile zerrissen. Augenblicklich spritzten die Männer auseinander, nahmen die gespannten Armbrüste vom Rücken und bildeten einen Schutzwall um die sieben Träger mit den Holzfässern.

Aratica reihte sich in den Kreis ein und legte ihre Waffe an. Doch die beiden Seelensauger waren zwischen den Dünenkämmen untergetaucht und nicht zu sehen.

»Dort.« Einer der Soldaten deutete auf seine linke Seite und tatsächlich, eine feine Sandwolke stieg über die wellenartigen Hügel auf.

»Sie versuchen, uns zu umrunden, sichert in alle Richtungen«, befahl der Offizier, der, nachdem Kendar mit den Arkebusieren zurückgeblieben war, den Befehl übernommen hatte.

Siquotan und Maritobi mischten sich unter die Träger, die ihre schweren Holzfässer in den Sand hievten und die Pause nutzten durchzuschnaufen. Aratica beobachtete den muskelbepackten Schmied aus Hanfkoven. Seine Gesichtszüge kamen ihr bekannt vor. Als Assassine hatte sie lernen müssen, ihre Mitmenschen zu durchschauen und sie in die Kategorien »Gegner«, »Verbündete« und »Beiwerk« einzuordnen. Speziell verwandtschaftliche Beziehungen galt es zu erkennen. Denn gerade die Bande des Blutes schweißte Menschen zusammen ... oder machte sie zu erbittertsten Feinden.

Ein Seelensauger spritzte über eine Düne und jagte auf sie zu. Die Armbrustschützen legten an und lösten die Arretierung ihrer Waffen aus. Ein Projektilhagel schlug der Kreatur entgegen, traf sie im Körper und ließ sie krächzend abdrehen. Sich mehrfach überschlagend krachte das Wesen in den Sand.

»Vorsicht!«, schrie Maritobi.

Der zweite Seelensauger raste von der gegenüberliegenden Seite heran, donnerte in die Reihe der Soldaten und sprengte sie auseinander.

Aratica warf sich geistesgegenwärtig in den Sand, spürte, wie die messerscharfen Krallen knapp über ihren Rücken hinwegfuhren. Einer der Träger reagierte zu langsam, wurde von einer Schwinge getroffen. Die Kanten der lederartigen Flughäute waren scharf wie eine gutgepflegte Klinge. Sie zerschnitten ihn und das Fass in zwei Hälften.

Siquotan griff in seine lederne Umhängetasche und beförderte einen handtellergroßen Gegenstand heraus. Er zögerte einen Moment, warf ihn dann auf den Boden. Dichter Rauch stieg empor, hüllte sie alle in einen diffusen, gelblichen Nebel ein. Krächzend schraubte sich der Schattensauger in die Höhe, stieß durch den Dunst in den Himmel.

»Spannen! Die nächste Salve muss sitzen.«, schrie der Offizier, bückte sich nach der Waffe eines toten Soldaten und setzte den Spannbügel an. Die Schwaden verflogen schneller, als es den meisten gelang, ihre Armbrüste neu zu laden. Die Schattenkreatur verhielt über ihnen, drehte sich in der Luft und stieß wie ein Falke auf sie herab, direkt auf die Träger mit den Holzfässern zu.

Nocturnenzorn - Die Legende der Bluthexe  (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt