Kapitel 74

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Nikis POV

Meine Füße baumeln über dem Boden, meine Arme sind auf dem rauen Holz des Küchentisches verschränkt und alle sind leise. Etwas summt, er schmatzt und die Gabeln und Messer kratzen auf den Tellern, nur bei mir nicht. Ich hab keine Gabel und kein Messer und auch keinen Teller. Ich hab blaue Flecken auf dem Arm, in die ich die Finger reindrücke, meine Füße immer noch am Baumeln. Dann sehe ich einen Schatten Augenwinkel und halte inne.
Ich hebe den Kopf hoch zur Decke, wo eine Lampe über dem Tisch hängt, die ein schwaches, gelbes Licht ausstrahlt. Unter dieser Lampe schwirrt eine dicke Fliege herum und ich bekomme ein schweres Gefühl in der Brust. Etwas stimmt nicht und ich weiß, was es ist, aber gleichzeitig kann ich es in meinem Kopf nicht zusammentun.
Langsam senke ich den Blick. Sie schauen herunter auf ihre Teller, keiner sagt was. Die Stille ist normal, aber heute ist sie irgendwie anders.
Ich muss hier weg, aber meine Beine bewegen sich nicht. Ich sitze bloß wartend da und beobachte sie.
Er beißt vom Brot ab, dann nimmt er mit der Gabel ein Stück Fleisch in den Mund, kaut und spült beides mit einem Schluck Wein runter. Sein Mund glänzt vom Fett. Ich hab Hunger. Ich hab lang nichts gegessen. Aber ich sollte nichts essen.
In der Mitte des Tisches steht ein offener Topf, dort drin sind Kartoffeln. Ich könnte sie mit meinem Arm bestimmt erreichen, aber das sollte ich nicht versuchen.
Ich will, aber etwas sagt mir, dass ich es unter keinen Umständen versuchen sollte. Etwas schreckliches würde passieren.
Ich greife in den Topf und nehme direkt die erste Kartoffel, welche meine Finger berühren. Er hebt den Kopf, ich führe die Kartoffel an meinen Mund und nehme einen großen Bissen.
"뱉어", sagt er. Ich kaue hastig.
"뱉어!", brüllt er.
Ich schlucke runter und nehme einen weiteren großen Bissen. Mein Herz schlägt schnell.
Er legt sein Besteck auf und der Stuhl quietscht, als er ihn nach hinten schiebt und sich aufrichtet. Er kommt zu mir rüber, beugt sich runter auf meine Höhe, hält mit einer Hand meinen Kopf
auf der Stelle und packt mich mit der anderen Hand an meinem Kiefer, um meinen Mund zu öffnen, während er mich immer wieder ein Schwein nennt und sagt, ich soll es ausspucken.
Ich halte den Mund fest verschlossen.
Sie sitzt mir gegenüber und isst weiter, sie hat immer noch nicht hochgeschaut.
Mein Kiefer schmerzt und ich fange an zu weinen.
Ich spucke es aus, in sein Gesicht.
Er lässt mich los und stellt sich gerade hin. Ich hätte es nicht versuchen soll.
Er wischt sich zuerst mit den Fingern die gekaute Kartoffel aus dem Gesicht, ruhig und gelassen, und danach streicht er sich ein paar Reste, die auf seinem weißen Hemd gelandet sind, weg. Ich hab Angst.
Nachdem er sich sauber gemacht hat, hebt er den Blick, er schaut mich an, in meine Augen, und mir wird klar, dass es nicht irgendein Abend, sondern dieser Abend ist.
Er packt mich an den Armen und hebt mich mit Leichtigkeit aus dem Stuhl heraus auf meine Beine, ich hab nicht aufgehört zu weinen.
Er will mich hier wegzerren, doch ich protestiere und rutsche ihm aus der Hand. Ich laufe um den Tisch herum und er mir hinterher. Ich mach das ganze zu einem Katz-und-Maus-Spiel, in dem ich verlieren werde.
Irgendwann bleibe ich stehen und meine Hände greifen nach dem Ärmel ihrer bunten Bluse.
"Eun-Kyung", sage ich und zupfe an dem dünnen Stoff, während er näher kommt. Aber sie sagt nichts und sie schaut nicht hoch, sie wird mir nicht helfen. Warum bewege ich mich nicht weiter? Oder warum wache ich nicht einfach auf? Er hat mich gleich und ich stehe nur hier und warte darauf, dass sie etwas macht, aber sie macht nichts. Ich hab Panik und ich gebe mein bestes, aufzuwachen, bevor wir zusammen hochgehen würden.
Der Stoff ihrer Bluse rutscht aus meinen Fingern und mein Körper wird mit einem mal in die Höhe gehoben, als
er seine langen Arme um mich schlingt, ich schnappe nach Luft.

Ich schnappe nach Luft und sitze kerzengerade im Zelt. Es ist dunkel, Maurice schnarcht und Dan atmet ruhig vor sich hin. Alles ist normal.
Mir ist heiß, meine Kleidung klebt an mir, meine Augen sind nass und ich hab Herzrasen. Mein Herz schlägt zu schnell und ich hab Angst, dass es gleich aufhört, weil es zu viel ist.

Definitely Not a SociopathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt