Kapitel 31

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Niki POV 

Pia wendet ihren Blick von meinem Gesicht ab und geht einen Schritt nach hinten, um mich mustern zu können.

Die Stimmung ist immer noch unangenehm und ich weiß, dass es Pia genauso geht, aber sie bemüht sich, es nicht zu zeigen. Ich hab die Brandnarbe auf meinem Rücken schon völlig verdrängt, weil ich sie selbst fast nie sehen kann. Die Narbe an sich ist mir egal, es geht um die Erinnerungen, die daran hängen. Ich will nicht daran erinnert werden und ich will nicht an den Mann denken müssen, welchen ich so verabscheue. 

Ich bringe meine Hände hinter den Rücken, da ich das Zittern nicht kontrollieren kann. 

"Also irgendwie... es hängt einfach nur runter, das sieht kacke aus", gesteht sie ehrlich. 

Ich sage nichts, aus Angst, dass ich keine feste Stimme zustande kriege. 

Ich weiß, dass es kacke aussieht. 

"Hast du vielleicht irgendwo einen Taillengürtel?", fragt sie. 

Sie ignoriert mein Unwohlsein und wie offensichtlich aufgewühlt ich bin, und das ist das beste, was sie tun könnte. 

"Nadine... Nadine hat einen. Vielleicht", stammel ich. 

"Hm, ist sie zuhause?"

Ich schüttle den Kopf. 

"Wir können einfach mal gucken gehen", entgegne ich.

Hat sie nicht die ganzen kleinen Schnitte auf meinen Oberschenkeln gesehen, dessen verheilte Narben dunkler sind, als der Rest meiner Haut? Ob sie die Narben gesehen hat, kümmert mich gerade irgendwie nicht so viel wie es vielleicht sollte. Die Situation eben war schon genug Aufregung und ich hoffe sie macht es mir nicht noch schwerer, indem sie irgendwelche Erklärungen für meine Beine verlangt. 

Ich gehe, gefolgt von Pia, die steile Wendeltreppe zum Schlafzimmer meiner Adoptiveltern hoch. Ich bin hier gefühlt 1-2 mal im Jahr oben, aber jedes mal hab ich Angst, die Treppe runter zu fliegen und mir sämtliche Knochen zu brechen. 

Deren Schlafzimmer ist ein Dachbodenzimmer und der kleinste Raum im gesamten Haus, aber es ist trotzdem gemütlich. Außer im Sommer, da ist es so unerträglich, dass Nadine und Philipp manchmal unten auf der Couch schlafen.

"Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist im Schlafzimmer deiner Eltern rumzustöbern", zweifelt Pia. 

Sie steht etwas weiter hinter mir an der Treppe, während ich bereits den Schrank öffne. Auf der einen Hälfte befinden sich die langweiligen Klamotten von Philipp und auf der anderen Hälfte die Klamotten seiner Frau. Darunter befindet sich alles, von hässlichen, schlabbrigen Cardigans bis hin zu schicker Abendkleidung. Sie hat auch eine kleine Abteilung extra nur für ihre Gürtel.

"Nadine hätte nichts dagegen", meine ich. 

Nun gesellt sie sich auch neben mich und begutachtet mit mir die Gürtel.

"Sie hat so hübsche Kleider", kommentiert sie. 

Pia nimmt sich einen schwarzen, etwas breiteren Gürtel, den man vorne zubinden muss.

"Wie findest du den?", fragt sie und ich zucke mit den Schultern.

Ohne weiter nachzuhaken legt sie mir den Gürtel um die Taille und nachdem sie erstmal herausfinden muss, wie man ihn überhaupt trägt, zieht sie ihn eng, um ihn daraufhin vorne mit einer hübschen Schleife zu festigen. 

"Kannst du atmen?", sie schaut mit neugierigen zu mir auf.

Ich nicke. Ich kann normal atmen, von mir aus könnte sie ihn noch enger ziehen.

Definitely Not a SociopathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt