Kapitel 87

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Pias POV

"Ich muss mich übergeben", presst Dan hervor. Nervös trommelt er mit dem Fuß auf dem Boden rum.

"Es wird alles genauso sein, wie wir es geübt haben. Mach dich nicht verrückt", sage ich und Hannah stimmt mir zu.

Wir stehen alle zusammen gequetscht auf dem Gang und der Treppe verteilt und warten nur darauf, dass wir in den Prüfungsraum dürfen. Mir ist warm, ich hab Bauchschmerzen, hier gibt es zu wenig frische Luft und ich hoffe, ich hab nichts wichtiges vergessen.

"Niki!", rufe ich. Die aller meisten waren schon früher da als sonst, Niki hingegen kommt erst relativ spät eingetrudelt und ist gerade fast an uns vorbeigelaufen.
Er schlängelt sich an ein paar Leuten vorbei und zu uns rüber.

Ich hatte Sorge, ob er überhaupt hier erscheinen wird, aber als ich ihn gestern extra gefragt habe, meinte er, er wird auf jeden Fall da sein.

"Wir kriegen das hin. Es ist deutsch. Wir können alle deutsch, oder? Das wird einfach", spricht Hannah uns zu.
Dan ist kreidebleich, ich fühle mich extrem unwohl und Niki starrt schweigend aus dem Fenster.

Da fällt mir auf, er hat gar nichts dabei außer sich selbst und seine Kleidung.

"Wo ist dein Rucksack?"

Er starrt aus dem Fenster. Wenn er beim Hörverstehen gleich genauso schlecht zuhört, wird das nichts. Er wird sitzenbleiben und dann wird es ihm noch schlechter gehen, weil einfach nichts gut läuft.
Ich klopfe ihm auf den Arm, bis seine Aufmerksamkeit endlich bei mir liegt.

"Wo sind deine Sachen?"

"Hab sie vergessen. Hast du einen Stift?", fragt er.

Unsere Prüfungsaufsicht kommt gerade die Treppe hoch.

"Das ist nicht dein Ernst. Wo bist du mit deinem Kopf?"

Ich lasse den Rucksack von der Schulter gleiten und knie mich auf den Boden, während ich gestresst nach einem Stift krame. Alle sind schon auf dem Weg zum Raum.

"Im Auto", sagt er.

"Was?", frage ich verwirrt.

"Ich hab die Sachen im Auto vergessen."

"Das hab ich nicht gefragt."

Ich drücke ihm einen Stift in die Hand, schnappe meinen Rucksack und eile meinen Mitschülern hinterher, wobei Niki sich alle Zeit der Welt lässt.

Ich glaube, ich hab noch nie so konzentriert zugehört wie in diesem Hörverstehen. Und ich denke, es läuft gut für mich. Ich verstehe die Texte und ich weiß, was ich schreiben möchte und wie ich es strukturieren sollte. Ich liege auch gut in der Zeit.
Ab und zu schaue ich zu Niki rüber, um zu sehen, ob es bei ihm auch gut läuft oder ob er der Verzweiflung nahe ist. Und es ist gar nichts von beiden. Dir meiste Zeit sitzt er nur da und starrt die Zettel an ohne den Stift anzurühren. Selten schreibt er auch mal, jedoch sieht sein Gesicht dabei so aus, als hätte er nicht einen klaren Gedanken in seinem Kopf.

45 Minuten vor Abgabe quietscht ein Stuhl, als er zurückgeschoben wird, und Niki steht mit seiner Abschlussprüfung auf, um nach vorne zu gehen.
Unsere Klassenlehrerin schaut ihn skeptisch an, während er die Prüfung auf ihrem Pult ablegt.

"Bist du dir ganz sicher, dass du schon abgeben willst?"

Er nickt.

"Es ist noch viel Zeit, vielleicht solltest du nochmal drüberschauen und prüfen, ob dir noch was einfällt."

Er schüttelt den Kopf.
"Darf ich jetzt gehen?"

Jemand in der Klasse lacht, aber ich finds nicht lustig. Ich mache mir einfach nur Sorgen um seine Note.

Definitely Not a SociopathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt