Pias POV
Langsam senke ich mich auf seinen Schreibtischstuhl, der PC leuchtet immer noch mit der leisen Videospielmusik am laufen.
Seine Körperwärme hat mich verlassen und plötzlich ist es ganz kalt in seinem Zimmer.Hab ich etwas falsch gemacht? War er mit der Situation überfordert?
Ist ihm kurzzeitig eingefallen, dass er nochmal schnell aufs Klo muss oder sich frischmachen sollte?
Er hat gesagt, er kommt gleich wieder, aber der Monitor verdunkelt sich, bis er letzendlich ganz schwarz ist, und er ist immer noch nicht da.Ich stehe auf, um das warme Licht der Deckenleuchte anzuschalten, und setze mich seufzend auf die Bettkante.
Falls er jetzt wiederkommen sollte, habe ich auch keine Lust mehr weiterzumachen.Ist er ausgerutscht und bewusstlos geworden? Ist er bewusstlos geworden, ohne ausgerutscht zu sein?
Hat er eine Panickattacke bekommen?
Ich bin früher gerne im Bad verschwunden, als sich in der Anwesenheit anderer Leute eine Panickattacke angekündigt hat.
Vielleicht ist er aber auch gar nicht im Bad. Sondern bei seinen Eltern. Oder in der Küche. Oder im Garten frische Luft schnappen.
Wo auch immer er ist oder was er macht, vielleicht sollte ich besser mal nach ihm sehen.Ich trete in den Flur und drücke die Türklinke zum Badezimmer herunter.
Abgeschlossen.
Ich klopfe an.
"Niki?"
Keine Antwort, aber ich höre, dass er die Schranktür im Badezimmer schließt."Was machst du so lange? Ist alles ok?"
Nichts.
"Kannst du mal antworten oder die Tür aufmachen?", frage ich nachdrücklich.
Das Türschloss öffnet sich und ich trete herein. Niki lehnt sich stumm gegen das Waschbecken, hält sich mit einer Hand am Ellbogen. Es liegt etwas ganz bedrückendes, komisches in der Luft.
"Was hast du gemacht?"
"Toilette", antwortet er.
"15 Minuten lang?"
Niki lässt den Blick durch das Bad schweifen, bevor er antwortet.
"Ja", erwidert er schulterzuckend."Wenn du nicht mehr weitermachen wolltest, hättest du es auch einfach sagen können."
"Darum geht es doch gar nicht!"
Durch seine dunklen Augen schaut er mich an. Er ist so genervt, als müsste ich ihn verstehen können, dabei macht er es mir gar nicht so einfach damit, ihn zu verstehen.
"Worum dann?", hake ich nach und versuche die Ruhe zu bewahren.
"Ist jetzt egal."
Warum atmet er so schwer und warum ist der Griff an seinem Ellbogen so stark, dass seine Knöchel sich weiß färben?
"Nein, warum bist du auf einmal gegangen?"
Er sagt nichts.
"Bist du... gekommen?"
Er verzieht angewidert das Gesicht.
"Was?"Jetzt hab ich das Gefühl, die dümmste Frage gestellt zu haben.
Er ist 16 und Jungfrau, es passiert schnell. Und dann musste er ins Bad.
Ich dachte, es könnte vielleicht passieren, ok?"Vergiss es", entgegne ich kopfschüttelnd und peinlich berührt.
"Nein, ich bin nicht gekommen."
"Ok, ich habs schon verstanden! Dann sag mir doch einfach, was sonst dein scheiß Problem ist."
"Nichts, es ist einfach- Ich-", er gestikuliert verzweifelt mit den Händen. "Ich kann nicht", seine Stimme bricht, als er anfängt zu weinen, und meine ganze Wut verfliegt mit einem Mal.
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Definitely Not a Sociopath
JugendliteraturVielleicht ist es Besessenheit statt Liebe. WARNUNG: In diesem Buch werden Themen wie Gewalt, sexueller Missbrauch, Selbstverletzung, Essstörungen usw. behandelt. Ich bin kein Experte, aber ich versuche mich über jedes der vorkommenden Themen mögli...