Kapitel 84

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Pias POV

Sobald wir bei ihm zuhause angekommen sind, habe ich Niki vorgeschlagen, dass wir zusammen für die Prüfungen lernen sollten, weil ich ehrlich gesagt echt Angst habe, dass er es versäumen wird.
Das würde ihm glaube ich nicht gut tun.

Jedenfalls meinte er, wir würden gleich hochgehen und lernen.
Das ist jetzt zwei Stunden her.
Inzwischen gab es auch Abendessen.

Es läuft irgendein Horrorfilm, von dem wir beide nicht sonderlich beeindruckt sind - ich die meiste Zeit an meinem Handy und Niki in Gedanken versunken an seinem Pflaster rumfummelnd, sodass es kaum noch hält.

Langsam zieht er das Pflaster von seinem Zeigefinger ab, darunter befindet sich ein relativ großer Schnitt mit getrocknetem Blut an den Rändern.

"Wie passiert sowas?", frage ich mit angewidert verzogenem Gesicht, als er sich das blutige Pflaster in die Hosentasche steckt.

"Mein Taschenmesser lag offen in meinem Rucksack."

"Ich dachte, das ist beim Essen machen passiert?"

"Wie soll man sich denn beim Essen machen so in den Finger schneiden?", entgegnet er als wäre ich blöd oder so.

"Keine Ahnung, hast du doch gesagt. Deswegen frage ich ja, wie sowas passieren kann", murmle ich.

"Wann hab ich das bitte gesagt?"

"Hast du Frau Horn heute morgen erzählt."

Er überlegt einige Sekunden.
"Oh, stimmt", erwidert er dann und ich lasse das unkommentiert.
Vielleicht sollte er mal etwas weniger lügen.

"Warum bist du denn zu spät gekommen?"

"War mit Suizidgedanken beschäftigt", meint er und ich warte ab, ob da noch was kommt - vielleicht ein Anzeichen darauf, dass er nur Witze macht.
Er schaut ausdruckslos auf den Bildschirm des Fernsehers, da kommt nichts mehr.

"Meinst du d-"

"Spaß, ich hab verschlafen, wie du gesagt hast. Danach hatte ich aber auf jeden Fall Suizidgedanken."

"Oh, okay. Tja, gut, dass du noch hier bist, sonst würden wir jetzt nicht zusammen diesen tollen Film gucken können."
Das war so unlustig von mir. Unangenehm. Ich wusste noch nie, wie man auf Witze über Selbstmord oder allgemein auf dunklen Humor reagiert.

"Nein, dann würde ich jetzt mit meiner Mom abhängen."

"Glaubst du an sowas?", hake ich interessiert nach.

Sein Kopf rollt auf der Rückenlehne der Couch zur Seite, um mich anschauen zu können.

"An was?"

"Na daran, dass man seine Geliebten nach dem Tod nochmal trifft?"

Er lacht kurz auf.

"Nein."

"Was glaubst du, was passiert?"

"Gar nichts. Wie schlafen, nur ohne Träume."

"Wäre das nicht traurig?"

"Nein. Stell dir vor, du stirbst, alles ist endlich vorbei, aber dann merkst du auf einmal, dass es noch weiter geht und du dort irgendwo trotzdem noch weiter leben und Leute treffen musst. Das wäre übelst stressig."

"Das wär schön. Ich will meinen Vater treffen", sage ich.

Er dreht sich desinteressiert über das Thema weg und starrt wieder den Bildschirm über dem Kamin vor uns an.

"Ich hab vergessen, wie sich seine Stimme anhört", füge ich hinzu, "Erinnerst du dich an die Stimme deiner Mom?"

"Ja", antwortet er stumpf. Und damit scheint das Gespräch beendet zu sein.

Definitely Not a SociopathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt