Kapitel 61

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Pias POV

Ich werde am nächsten morgen wach.
Oder ist es noch mitten in der Nacht?
Grelles Licht und ich blinzele verwirrt.
Ich nehme verschwommen Niki war.
Auf dem Boden vor seinem Kleiderschrank. Erst dann realisiere ich, dass etwas nicht stimmt.
Er ist am weinen und am Luft schnappen und ich springe schockiert auf, nur um daraufhin überfordert einen Meter vor ihm stehen zu bleiben.

"Niki, was ist los?", frage ich und hocke mich auf den Boden. Aber er antwortet nicht, vielleicht weil er auch gar nicht kann. Er schaut mich nicht mal an, er ist einfach nur voller Panik.
Mein Herz klopft schnell und durch meinen Kopf schießen tausende Gedanken. Ich ziehe ernsthaft kurz in Erwägung, den Krankenwagen zu rufen - er zittert und kann nicht atmen, was wenn er gerade stirbt? -, aber dann fällt mir auf, er hat mit Sicherheir nur gerade eine Panikattacke.

Ich bin immer noch überfordert mit der Situation, ich weiß nicht, wie ich reagieren soll und ich denke nicht ganz klar, als ich instinktiv meine Arme um ihn schlinge und ihn an mich ziehe, in dem Versuch ihn damit zu beruhigen.

Er stemmt sofort seine Arme gegen mich und versucht sich zu befreien, während ich ihn nur noch enger an mich drücke, und letzendlich gibt er nach wenigen Sekunden auf und klammert sich selbst fest an mich.
Ich kann seinen Herzschlag an meiner Brust spüren und frage mich, ob so ein hoher Puls überhaupt noch menschlich ist. Niki fühlt sich mit einem mal so klein an in meinen Armen.

"Es ist ok, versuch langsamer zu atmen", spreche ich beruhigend auf ihn ein und streiche ihm über den oberen Rücken.

"Aber ich hab das Gefühl, du weißt schon selbst, dass du langsamer atmen solltest...", murmel ich verunsichert und unbeholfen.

"Konzentrier dich auf mich und darauf, wie meine Atmung ist."

Ich weiß nicht, ob es an mir liegt, aber er scheint sich zu beruhigen. Sein Atem immer noch schwer und unregelmäßig, aber wenigstens ist er nicht am hyperventilieren.

Ich löse mich aus unserer zugegebenermaßen sehr unbequemen Position und setze mich stattdessen, mit dem Rücken an seinen Schrank gelehnt, hin. Meine Arme bleiben weiterhin um ihn und ich ziehe ihn mit mir nach hinten, bis er mit seiner Rückseite an mich gelehnt zwischen meinen Beinen sitzt bzw. fast liegt.

Mein T-Shirt ist hoch gerutscht und entblößt meine graue Unterwäsche, aber ich glaub, das ist ihm gerade total egal, und richten kann ich es jetzt auch nicht.

"Kriegst du oft Panikattacken?", frage ich.

"Phasenweise", antwortet er und ich bin froh, dass er wieder spricht.

"Ich hatte es einige Male, nachdem mein Vater gestorben ist. Sie waren bei weitem nicht so stark, aber dafür haben sie echt lang angehalten", erzähle ich.

Ich hätte ihn wahrscheinlich nicht gegen seinen Willen festhalten sollen. Ich hab es gehasst, mich in diesen Momenten eingeengt zu fühlen.
Aber hey, am Ende hat es irgendwie doch ganz gut funktioniert.

Ich tue nichts außer ihn zu halten.
Wir haben uns noch nie in dieser Position befunden. Davor war das, was am ehesten an eine Umarmung rankam, als sein Arm beim Einschlafen um mich herum war. Ich war ihm noch nie so nahe. So nahe, dass ich seine Schulterblätter an meiner Brust spüren kann oder seine Rippen unter meiner Hand. Man sieht durch die Klamotten nicht wirklich, wie dünn er ist, und ich mache mir echt Sorgen um ihn.

Niki ist ganz still und ruhig geworden, er liegt regungslos in meinen Armen.
Ich lehne den Kopf nach vorn, um prüfend in sein Gesicht blicken zu können. Er schaut hoch und unsere Blicke treffen aufeinander.

Er sieht ausgelaugt aus. Als würde das letzte bisschen Emotion, was noch in ihm steckte, eben aus ihm rausgesaugt worden.

"Alles ok?" hake ich nach. Ich wische ihm mit dem Daumen über die nassen Wangen.

Definitely Not a SociopathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt