Definitely Not a Sociopath

Kapitel 56

Nikis POV

Etwas überfordert wirkend kümmert sich Herr Jäger um Maurice und versucht seine blutende Nase zu inspizieren, wo Maurice aber ganze Zeit seine Hand vorhält, während seine Augen, glaube ich, anfangen zu tränen.
Ein Bild von ihm, was einem ausnahmsweise mal gefallen könnte.

"Kann jemand mal nebenan klopfen und Hilfe holen?", fragt er und ohne zu zögern läuft Niklas los.
Daraufhin bewegt Herr Jäger sich auf mich zu und ich schaue ihm entgegen.

"Du kommst mit", sagt er.

Ich greife nach meinem Block, um meine Sachen einzupacken, aber der wird mir unhöflich aus der Hand gerissen und zurück auf den Tisch geschmissen.

"Lass das alles liegen", er legt mir seine Hand auf den Rücken und schiebt mich ungeduldig vor sich her, bis wir aus dem Klassenraum raus und weg von den vielen Augen der Schüler sind.

Verwirrt schaue ich über meine Schulter zum Lehrer, der mich immer noch vor sich her treibt.

"Die Treppe runter zum Sekretariat", meint er.

Na toll, jetzt werde ich behandelt wie ein Krimineller.

"Der hat mich angepackt und ich hab gesagt, dass er aufhören soll, aber das hat er nicht", rechtfertige ich mich, als ich die Treppe runterlaufe.

"Ich weiß, was ich gesehen habe. Du hast ihn mit dem Buch geschlagen."

"Weil er-"

"Man schlägt jemanden nicht auf brutalste Weise, nur weil er nicht sofort tut, was du willst. Wir rufen deine Eltern an und sehen dann weiter."

Ich halte meine Klappe und rolle mit den Augen, was er zum Glück nicht sehen kann.

"Du kannst auch hier warten", meint er, als wir vor dem Sekretariat ankommen.

"Was, wenn ich abhaue?", hake ich nach.

"Dann werden deine Eltern trotzdem angerufen", entgegnet der Mann streng und verschwindet dann nach kurzem Anklopfen im Sekretariat.
Seufzend lasse ich mich auf die kleine Ledercouch fallen und lehne meinen Kopf gegen die Rückenlehne.

Erst jetzt fällt mir auf, dass Pia das ganze Szenario wahrscheinlich beoachtet hat und ich frag mich, ob sie auf meiner Seite wäre.

Herr Jäger ist schon seit einer ganzen Weile nicht mehr zu sehen und sicherlich kotzt er sich mit der Sekretärin gerade über die schrecklichen Dinge aus, die er mit eigenen Augen gesehen hat.
Oder er tut dasselbe gerade am Telefon mit Nadine oder Philipp, welche eigentlich beide mit ihren Jobs beschäftigt sind.

Am anderen Ende des Ganges läuft Maurice mit Niklas und einer anderen Lehrerin in den Sanitätsraum, alle zu beschäftigt um überhaupt in meine Richtung zu blicken.
Oh Gott, sein armes weißes T-Shirt.

Irgendwann kommt Herr Jäger endlich durch die Tür gelaufen und informiert mich darüber, dass meine Mutter gleich hier sein wird. Ich hätte es bestimmt auch allein nachhause geschafft, aber jetzt bin ich Schuld daran, dass Nadine ihre Arbeit vernachlässigen muss.
Und das wird ihr bestimmt nicht gefallen. Alles hieran wird ihr nicht gefallen.

"Das wird garantiert noch Folgen haben. Da kann man nur hoffen, dass es bloß Nasenbluten und kein Bruch ist."

Ich schweige weiter und hake auch nicht nach, was für Folgen er meint.
Auf Eltern- und Direktorgespräche hätte ich nicht so Lust.
Aber ich hab ihm auf keinen Fall die Nase gebrochen, dazu hätte ich ja nicht einmal die Kraft.

"Frau Graf! Guten Morgen", er macht sofort den Rücken gerade und richtet sein Hemd, als Nadine um die Ecke gelaufen kommt.

Ihr Blick fällt als erstes auf mich und ich lächel sie lieb an. Allerdings sinken meine Mundwinkel langsam wieder nach unten, als sie mir total gestresst und streng aussehend entgegenblickt.