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Space Song
-Beach House

Nate's Pov:

Wie konnte man so perfekt sein? Das fragte ich mich schon die ganze Zeit, während ich Luce dabei beobachtete, wie er seinen Vortrag in Geschichte zur französischen Revolution hielt. Er hatte sich nicht vorbereitet, und doch sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus. Seine Spontanität rettete ihm jedes Mal den Arsch, da er nie lernte, nie aufpasste und nie Motivation fand. Und doch waren seine Worte nun - in diesem Moment und vor der ganzen Klasse - perfekt zutreffend und richtig, ohne, dass er die ganze Zeit auf das geschriebene sah. Mein Blick lag auf der Bewegung seiner Lippen, seinem Lächeln und in seinen Augen, die die ganze Klasse abwechselnd musterten. Ebenfalls hörte ich, wie seine raue und doch melodische Stimme Witze riss, andere zum lachen brachte und den Raum in eine schöne Atmosphäre versetzte.

Als seine Präsentation endete, begannen alle - so auch ich - zu klatschen, wobei ich nichtmal wusste, was er vorgetragen hatte. Gerade mal das Thema kannte ich, da ich ihm bei der Vorbereitung unter die Arme gegriffen hatte. Und wiedermal grinste Luce stolz, doch das Grinsen erreichte nicht mehr seine Augen. Manchmal glaubte ich, dass ich in tote, blau graue Augen sah. Und das machte sein Lächeln kaputt. Alleine der Gedanke, dass seine Augen tot, leer und nicht mehr strahlend aussahen, ließ mich erschaudern. Manchmal glitzerten seine Augen aufgeregt, wenn wir etwas zusammen unternahmen, worauf er sich schon lange freute, doch vorallem in größeren Gruppen oder Menschenmengen, sah man die Falschheit seines Lachens in, sobald man einen Blick in diese Augen warf. Ich war nicht gut im Augenkontakt halten, doch sobald wir uns ansahen, war ich Weltmeister darin.

Wie als könnte ich meinen Blick niemals wieder von ihm lösen, sah ich ihn an, wie er Feedback bekam, und es sich aufmerksam lächelnd und gleichzeitig nickend anhörte. Es interessierte ihn nicht, das war klar, doch im Schauspielern kannte ich niemand besseren, als ihn - zumindest nicht persönlich.

Als er wieder zurück zu seinem Platz kam und sich wieder neben mich auf den Holzstuhl fallen ließ, sah ich ihn belustigt an, da er nahezu lautlos seufzend seinen Kopf auf seine auf den Tisch gelegten Arme, fallen ließ.
»Ich weiß nichtmal, über was du gerade geredet hast!«, raunte ich leise und er drehte den Kopf so zu mir, dass er auf seiner Wange lag. Seine Augen sahen müde aus.

»Glaub mir, ich eigentlich auch nicht. Hab nur den Text heruntergerasselt, den ich noch ungefähr konnte und bisschen Humor mit hinein gemischt.« »Vielleicht verführst du die Lehrer zu sehr, dass du so gute Noten bekommst, oder jeder findet deine Kreativität gut.« »Bist du neidisch auf meine Noten?« »Ne, bin nur genervt.« »Also alles wie immer« Wir sahen uns an, ich zog eine Augenbraue hoch, verschränkte die Arme vor der Brust und sah wieder nach vorne. Ich war nicht genervt, wollte nur nicht genervt werden. Luce nervte zwar im Moment nicht, doch in unserer Gruppe ließ sich nie unterscheiden, wer nervte und wer nicht.

Der Unterricht unser alten Lehrerin war wie immer. Sie redete und redete, gab uns schließlich einen Arbeitsauftrag, den keiner mitbekam, weil jeder halb eingeschlafen war, und dann schrieb sie einen ihrer wunderbaren Romane an die Tafel. Und das, was an der Tafel stand, nannte sie dann 'Zusammenfassung der Stunden'. Für mich war eine Zusammenfassung maximal drei kurze Sätze lang, für diese Frau mindestens sechs Sätze, die eine halbe bis ganze Seite gut füllten.

Wir begannen zu schreiben und schon nach dem ersten Satz hatte ich keinen Bock mehr. Eigentlich las ich mir das hier nur durch, weil es als schriftliche Note vom Unterricht galt, und ich mündlich schon auf einer vier oder fünf stand. Ebenfalls konnte man ja immer mal nach Schreib- oder Kommasetzungsfehlern suchen.

Es klingelte zum Stundenende und alle Schüler legten ihre 'Mitschriften' auf das Lehrerpult. Luce zog mich förmlich durch die Schülermenge, vorbei an einem Zickenkrieg, einem in der Nähe rummachenden Pärchen - welches sich die Zunge tiefer in den Hals steckte, als ich es mir vorstellen mochte - und vorbei an jedem Mädchen, welches ihn anhimmelte und bewunderte, wie als wäre er Gott. Genau diese Mädchen hasste er. Er hatte mir anvertraut, dass er es zwar nicht hasste, beliebt zu sein, jedoch nicht von jedem angehimmelt werden wollte, wenn er sowieso an niemandem Interesse hatte.

Draußen ließ er meinen Ärmel los und verschwand in unser 'Versteck'. Was auch immer es war, was ihn fliehen ließ, es schien ihn sehr zu betreffen. Genau deswegen sagte ich nichts, ließ mich einfach nur neben ihn fallen und zündete mir eine Zigarette an. Es war häufig so, dass ich mit ihm redete oder ihm half, wenn es ihm nicht so gut ging oder die Welt gerade zu viel wurde.

Er legte seinen Kopf auf meine Schulter, seufzte leicht und ich legte meinen Arm um seine Schultern, womit ich ihn näher an mich zog. Der Junge lehnte sich an mich an, wie als hätte ihn plötzlich alle Energie verlassen, während ich an meiner Zigarette zog.

»Weißt du Luce, rauchen hilft manchmal echt- «, er unterbrach mich, indem er mir die Zigarette aus der Hand schlug und mich dann genervt ansah.
»-aber manchmal wünschte ich echt, dass ich genug Selbstbeherrschung hätte, um aufzuhören«, vervollständigte ich den Satz und bemerkte, wie sein Blick zum Boden ging. Irgendwas in mir kribbelte, sagte mir, dass ich sein Kinn heben, in seine wunderschönen Augen sehen und seine vollen Lippen kosten sollte. Und trotzdem ließ ich es bleiben. Ich war unsicher, auch wenn wir uns gestern fast geküsst hätten. Vielleicht ... wollte er es auch nicht und war nur verwirrt oder sowas gewesen? Mich verunsicherten auch seine Worte weiterhin. Diese Worte, dass er nicht auf Jungs stand, hatten irgendwie weh getan. Es war wie ein kleiner Stich in die Brust gewesen, an den man sich zwar immer erinnern, ihn aber nicht vernarbt sehen würde.

»Wieso sind wir das, was wir sind? Stell dir vor, dass wir uns in einem anderen Moment getroffen hätten, zu einem anderen Zeitpunkt und vielleicht alles anders wäre. Vielleicht würden wir uns nichtmal mögen, wenn wir uns früher getroffen hätten?« Wieder sahen wir uns an, doch diese blauen Augen waren unglaublich verunsichert. Und wieder war dort dieses Bedürfnis, ihn zu halten, zu küssen und zu lieben. Das stärkste Bedürfnis war eindeutig, ihn zu küssen. Verdammt, diese Lippen machten mich schwach, diese Stimme machte mich verrückt und dieser Blick erstrecht. Ich wandte den Blick ab, um mich unter Kontrolle zu behalten, während dieser Junge neben mir saß und ich seine angenehme Körperwärme an meiner Seite spürte. Alles in mir kribbelte, alles spielte verrückt und mein Kopf wollte aufhören zu denken. Doch er hatte mir eine Frage gestellt. Er hatte einen Gedanken ausgesprochen, der ihn beschäftigte, und darauf nun nicht zu antworten, könnte echt scheiße rüberkommen.

»Ich glaube nicht, dass wir uns verstanden hätten«, gab ich zu. »Warum?« Ich war kurz still, seufzte und lehnte meinen Kopf an den kühlen Stein. Ja, warum hätten wir uns nicht verstanden? Vermutlich, weil ich glücklich war und gerne andere provoziert hatte. Vermutlich, weil ich so wie Luce gewesen war - ein Draufgänger, der nicht nachgedacht hat. Wir hätten uns nicht verstanden, da ich Leute wie ihn gehasst hatte, bis ich kurz vor meinem Schulwechsel selbst so einer geworden war. Und verdammt, damals war ich naiv wie sonst was gewesen.
Doch meine Antwort war nichts von meinen Gedanken. Sie lautete schlicht und weg: »Weil ich nicht so war, wie ich heute bin. Ich war nicht 'Nate', sondern 'Nathan'.«

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Ein neuer Tag, ein neues Kapitel😉 Eigentlich wollte ich dieses Kapitel schon viel früher veröffentlichen, habe allerdings früher keine Zeit gefunden. Naja, jetzt ist es da, ich freue mich über Votes und Kommentare und hoffe natürlich wie immer, dass euch dieses Kapitel gefallen hat. Danke fürs lesen🫠🫶

You'll Lose In Love | Boy×BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt