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The Night We Met
-Lord Huron

Nate's Pov:

Mit Luce verging die Woche schnell. Er schlief immer bei uns und solange er da war, schien alles ruhiger und angenehmer zu sein. Ich lebte nur in der Realität, wenn wir etwas zusammen machten, oder ich ihn berührte. Wir machten auch viel zusammen. Manchmal gingen wir essen, wenn wir das leicht angebrannte Essen von Blaine nicht mehr sehen konnten, oder wir gingen ins Einkaufszentrum, einfach nur um in Läden zu gehen, uns Sachen anzugucken und dann wieder zu verschwinden, ohne das wir etwas gekauft hatten. Und manchmal gingen wir auch einfach in den Park, spazierten auf dem Schotterweg und beobachteten die Menschen, wie sie ihr Leben anders lebten. In der Öffentlichkeit waren wir nur Luce und Nate. Wir waren die besten Freunde, von denen niemand wirklich dachte, dass wir beste Freunde wären. Doch sobald wir im Haus waren, waren wir mehr als nur Freunde. Weiterhin hatten wir keine Bezeichnung für uns, was allerdings auch nicht sonderlich schlimm war, da wir diese nicht brauchten. Wir machten viel zusammen, küssten uns - solange niemand zusah -, schliefen etwas mehr als eine Woche zusammen in einem Bett und auch er schien die Zeit zu genießen.

Doch die Woche war vorbei. Samstags hatte er sich fertig gemacht, hatte seine Sachen wieder gepackt und wir hatten kaum ein Wort gewechselt. Blaine würde eine extra Schicht einlegen, damit er sich am Montag einen Gleittag nehmen könnte, weshalb mein Bruder quasi mit Luce verschwinden würde. Melli war wie so häufig bei Freunden, hatte vermutlich den Spaß ihres Lebens und genau den sollte sie auch haben. Die Kleine sollte nichts von der ganzen Negativtät dieses Hauses mitbekommen oder gar abbekommen. Cynthia war da, doch sie verkroch sich in ihrem Zimmer, so wie ich es normalerweise auch tat. Zu ihr einen Kontakt zu knüpfen, solange man kein Teil der Familie war, war generell sehr schwer, weshalb Luce auch nie ein sonderlich großes Gespräch mit ihr geführt hatte.

Ich fühlte mich, wie bei einer Trauerfeier, als Luce, Blaine und ich im Stillen nach unten gingen. Normalerweise wusste Blaine, dass er mich nicht in einer solchen Situation später alleine lassen sollte, doch er hatte sich tausend Mal dafür entschuldigt, dass er musste und dafür die restlichen Tage für mich da war. Er plante etwas, weshalb er nun auch häufiger mal weg fuhr, doch was er plante, wusste ich nicht.

Ich stellte mich in den Schatten des Vordaches, unseres Hauses und sah Luce dabei zu, wie er genervt in seinem Auto begann etwas zu suchen. Schnell schob ich mir eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete diese an, womit ich mir einen genervten Blick von Luce einfing, der sich wieder zu mir umgedreht hatte. Blaine ließ die Kommentare inzwischen sein, da er selbst sehr lange Zeit geraucht hatte und sich nun meistens mit Arbeit zuhäufte und sich damit von der Welt abschottete.

Der Junge mit den wunderschönen, blauen Augen ging langsam auf mich zu und als er vor mir zum stehen kam, schlang er seine Arme um meinen Oberkörper. Ich räusperte mich kurz und verfiel in eine Schockstarre, doch dann legte ich meine Arme ebenfalls um ihn und umarmte ihn zurück, während meine Zigarette zwischen meinen Fingern verglühte.

Nachdem wir uns gelöst hatten verabschiedeten wir uns und wie so häufig in letzter Zeit, schaffte Luce es, mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Dann stieg er in seinen Wagen, startete diesen und nach einem letzten kurzen Blickkontakt fuhr er davon. Ich zog an dem Zigarettenstummel, sah die Straße entlang und verabschiedete mich von Blaine, der sich nun ebenfalls in seinen Wagen setzte. Zu meinem Glück musste ich bereits seit zwei oder drei Wochen nicht mehr zur Arbeit, da sich unsere finanzielle Lage wieder verbessert hatte und ich die Zeit zum lernen wieder zurück gebraucht hatte.

Als ich fertig mit rauchen war, betrat ich seufzend erneut das alte Haus, ließ die Haustüre hinter mir zufallen und trat auf die Treppe. Plötzlich schien alles wieder still zu sein. Zu still. Selbst als ich die Wohnungstüre aufschloss, empfing mich diese Stille, hieß mich willkommen und ließ mich nachdenken. Man sollte mich nicht nachdenken lassen. Ich war ein Mensch, der zu viel nachdachte, zu sehr in seinen Gedanken versank und schnell in eine weitere Episode herein rutschte. Blaine wusste das. Es war der Grund, warum er mich normalerweise nicht alleine ließ. Ich war ein Klapsenkind, dass sich jeden Moment umbringen könnte, wenn es wollte. Das verschwieg ich Luce. Es war vielleicht das Wichtigste, was man über mich wissen musste, und doch verlor ich kein Wort über meine Psyche.

»Ist dein Freund wieder weg?«, fragte Cynthia vorsichtig, als sie in die Küche trat. Ich nahm mir nur eine Flasche Wasser, sie begann sich etwas zum Essen zu machen. Nachdem ich mich geräuspert hatte, sagte ich: »Wir sind nicht zusammen!« Damit wollte ich mich umdrehen und mich wieder in meinem Zimmer in mein Bett legen, so wie ich es immer tat, wenn ich nachdachte und aufhörte zu fühlen. Doch Cynthia hielt mich zurück mit einem einfachen »Nate!«. Sie zog mich an meiner Schulter zurück, nahm mein Gesicht vorsichtig als könnte es zerbrechen, in ihre sanften Hände und umarmte mich dann. Ich stand nur da. Normalerweise musste man sie umarmen, um sie aus dieser kalten Starre zu holen, in der sie keinen Körperkontakt wollte, doch heute umarmte sie mich einfach so, schlang ihre Arme um meinen Nacken und hielt mich wie sich selbst.

»Wir sind eine große Familie, Nate! Und wir sind alle immer und zu jeder Tageszeit für dich da, verstanden? Du verkriechst dich jetzt nicht in dein Zimmer mit deinen Zigaretten, einer Flasche Alkohol oder sonst irgendwas, mit der Begründung, dass du etwas fühlen willst! Es gibt viel schönere Wege, um etwas zu fühlen, großer! Wir setzten uns jetzt auf die Couch, du suchst einen Film aus und ich bestelle uns etwas zum Essen, okay?« Ihre Stimme war streng, doch gleichzeitig führsorglich und als wir uns wieder lösten, sah ich sie an. Sie lächelte aufmunternd, ich seufzte und steuerte auf die Couch zu.

»Na geht doch!«, grinste das Mädchen, welches mich überzeugt hatte, stellte die Lebensmittel für ihre Mahlzeit weg und griff zu ihrem Handy. Dann ließ sie sich neben mich auf die Couch fallen, lehnte sich an meine Schulter und ich legte den Arm um sie, wie wir es früher immer gemacht hatten, bevor wir uns ein wenig voneinander distanziert hatten. Vielleicht hatten wir uns ja distanziert, da wir älter geworden waren, oder da wir besseres zu tun hatten. Doch jetzt war es egal, wir waren immernoch Geschwister und wir konnten immernoch einen Tag kuschelnd und meinetwegen auch wegen einem Film heulend auf der Couch verbringen. Denn bei Filmen war ich wirklich der absolute Softie.

Wir fanden einen Schnellimbiss, bei dem meine Schwester bestellte und das Essen liefern ließ, da wir beide logischerweise keine Möglichkeit hatten, um zum Laden zu fahren. Dann gingen wir auf Netflix und ich sah seufzend durch die Filme, die angezeigt wurden. Das wir Netflix bei unseren Geldproblemen überhaupt benutzten, grenzte schon fast an ein Wunder, doch so war es eben. Eigentlich benutzten wir es, wegen unserer Mutter. Wenn diese nämlich mal Zuhause war, setzte sie sich gerne vor den Fernseher, machte sich einen beliebigen Film an und schlief dann auf der Couch ein. Doch solange sie nicht betrunken war, war es uns egal.

Wir entschieden uns für einen Film, den wohl jeder kennt, der homosexuell oder bisexuell ist: Call me by your name. Wir hatten uns den Film beide schon ungefähr tausend Mal reingezogen, doch weil wir ihn beide wunderschön fanden, waren wir der Meinung, dass er in jeder Situation ging.

Als ungefähr die erste halbe Stunde vergangen war, klingelte es an der Tür und Cynthia löste sich aus unserer Position, stoppte den Film und lief lächelnd an die Tür, nachdem sie sich das bereit gelegte Geld vom Tisch geschnappt hatte. Lächelnd und kopfschüttelnd sah ich ihr nach, um mich im nächsten Moment umzusehen. Seit ein paar Jahren lebten wir nun schon hier, doch irgendwie vermisste ich immernoch unser altes Zuhause. Früher waren alle meine Freunde mit zu mir gekommen, wir hatten bei mir zocken können und konnten - im Falle, dass es uns zu langweilig werden würde - in den Garten zum kicken gehen. Doch jetzt ging das nicht mehr. Manchmal fragte ich mich, wie wir es überhaupt schafften, noch die Miete zu zahlen, wenn Blaine's Gehalt weniger war, als normalerweise.

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Mir fallen jetzt schon keine Sprüche mehr ein, deswegen: Ein neuer Tag, ein neues Kapitel😉
Was glaubt ihr, was mit Nate los ist? Und was wird wohl als nächstes passieren, wenn er sich in einem solchen Zustand befindet?🤔
Wie immer freue ich mich über Reader, Votes und Kommentare und hoffe, dass ihr die ganze Geschichte bisher mochtet. Einen schönen (restlichen) Tag noch und bis morgen👋🫶

You'll Lose In Love | Boy×BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt