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Pray
-EMO

Nate's Pov:

Der Schultag verging relativ schnell, war allerdings so langweilig, dass ich zwei Mal im Unterricht eingeschlafen war, mich ein Mal rausschmeißen lassen hatte und eine Stunde einfach rauchend auf dem Schulhof verbrachte. Ich wusste, mein Verhalten tat meinen Noten alles andere als gut, doch dies war mir relativ egal. Die letzte Stunde meines Tages lehnte ich einfach am Schulgebäude, unter einem Dach, damit ich wenigstens ein wenig vor der Sonne geschützt würde. Ich hasste warmes Wetter. Es zwang einen, kurze Sachen zu tragen, und genau das wollte ich nicht.

»Na du Raucher!« Ich drehte meinen Kopf zu Luce, welcher gerade aus dem Schulgebäude trat. »Na du Alkoholiker!« Er grinste nur, doch in seinen Augen lag eine gewisse Müdigkeit. Wir kannten uns schon lange und kamen schon immer gut miteinander aus. Ebenfalls war ich einer der wenigen, der über seine Familie bescheid wusste.
»Na, wie hast du es diesmal geschafft, zu fliehen?« Luce sah sich um, seufzte dann genervt und huschte neben mich, sodass man ihn aus dem Schulgebäude heraus nicht mehr sehen konnte. Er war der Mädchenschwarm der Schule, was ihn nicht gerade weniger beliebt machte. Und vermutlich würde jeder - wenn es eine Umfrage zu dem beliebtesten Jungen der Schule geben würde -, für ihn stimmen. Denn ohne Zweifel rannte ihm jedes Mädchen - egal ob früh- oder spätpubertierend - hinterher, wie ein Hündchen. Und er, der beste Lügner, das größte Arschloch, der beste Betrüger und manchmal auch der stilleste Junge, nannte sich seit Jahren mein bester Freund. Doch etwas war anders zwischen uns, seitdem Cassie in mein Leben getreten war. Seitdem ich eine Freundin hatte, blieb Luce auf Distanz und ließ sich von mir abwimmeln, obwohl er normalerweise der dominante war, der kein »nein« akzeptierte.

»Und, wie läuft es bei Cassie und dir so?« Ich sah ihn verwirrt an, zog an meinem Zigarettenstummel und ließ meinen Blick über sein Gesicht wandern. Solche Fragen waren neu. Sonst beschwerte er sich immer über Cassie, aber das er nach unserer Beziehung fragte, hätte ich von ihm niemals erwartet.
»Bist du krank oder sowas?« Ein kleines Lächeln huschte über seine, für einen Jungen relativ vollen Lippen. Sein Blick traf meinen und ich konnte nicht verneinen, dass ich kurzzeitig vergaß zu atmen. Denn man sah ihm an, warum jeder auf ihn abfuhr. Er sah aus wie ein Engel, mit seinen hellblauen Augen, blonden Haaren, dem perfekten Gesicht ohne eine einzige Macke und mit seinem Körper. Dieser Junge trainierte schon seitdem er neun oder zehn Jahre alt war, und dies sah man seinem Körper auch an. Während ich breit gebaut war, da ich gute Gene geerbt hatte, hatte er hart für seinen durchtrainierten Körper gekämpft, der von den Mädchen so geliebt wurde. Allgemein schien sein Körper so schön für alle Mädchen zu sein, dass sie ihn als »griechischen Sexgott« bezeichneten. Wie gesagt, mein Verständnis dafür war vorhanden.

»Also physisch noch nicht.« Ich stieß lautlos die angehaltene Luft aus und sog sie wieder in meine Lungen.
»Hast du gerade die Luft angehalten?« Ich hatte meinen Blick abgewandt, doch nun sah ich ihn vorwurfsvoll wieder an, als könnte man dies nur verneinen. Er hob schmunzelnd die Hände neben seinen Kopf, als würde er gleich von der Polizei verhaftet werden.
»Oh mein Gott, Luki, da bist du ja!«, rief plötzlich eine hohe Mädchenstimme, bei der ich zusammenzuckte und mich wieder an meine Zigarette erinnerte, welche ich nun an einem Mülleimer ausdrückte und dann hinein warf. Luce's überforderter und gleichzeitig genervter Blick fand meinen belustigten. Es hängte sich gerade ein Mädchen - maximal 15 Jahre alt -, an seinen Arm, welches ihn breit angrinste. Vermutlich würden gleich auch noch ihre Freundinnen folgen, doch dadurch, dass noch keine Pause war, war es doch eher unwahrscheinlich.

Als Luce's Blick bittend wurde, seufzte ich lautlos und scannte das Mädchen ab. Klein, zierlich, fast schon eine Puppe und vermutlich leicht zu handhaben, wenn man sie richtig packte. Denn auch wenn ich manchmal nur der Arsch mit der Freundin war, der immer bei dem so ziemlich beliebtesten Typen abhing, kam ich meiner Rolle als bester Freund nach. Also ging ich langsam auf das Mädchen zu, welche mich zuerst nicht bemerkte, doch als ich direkt vor ihr stand und mich laut räusperte, sah sie sich zu mir um.
»Dieser Junge hier, gehört nicht dir, kleines Mädchen! Ich warne dich vor, lasse ihn los, geh und sag einfach nichts mehr, oder ich bringe dich dazu, dich nie wieder in seine Nähe zu begeben!« Luce kannte das Spiel, es war immer dasselbe. Doch das Mädchen, war unwissend und trotzig zugleich, weshalb sie mich nur ansah und sich provokant noch mehr an Luce dranhängte, welcher daraufhin kurz zischte. Meine Geduld war mit der ersten und letzten Vorwarnung vorbei, weshalb ich mit einer schnellen Handbewegung ihren Griff löste und sie feste anpackte, bevor ich sie in die Richtung zurück ins Schulgebäude schob.

»Fass ihn nie wieder so an, solange er es dir nicht ausdrücklich erlaubt!« Sie kicherte, ich drehte mich um. »Eifersüchtig oder was?« Nun blieb ich stehen, ballte meine Hand zur Faust und entspannte sie wieder. Sie spielte das freche Püppchen. So konnte ich auch spielen.
»Ich hab ne Freundin, kleines Mädchen!« Meine Stimme war ruhig und bedrohlich, obwohl in mir die Wut brodelte. Doch scheinbar hatte sie ein solches Erbsengehirn, dass ihr nichtmal meine angespannte Haltung aufzufallen schien. Als ich zwei schmale Hände spürte, die sich an meine Seiten legen wollten, schlug ich diese weg, drehte mich um und funkelte das erschrockene Mädchen an. »Ich meine es ernst!« Weiterhin erschrocken, nickte sie und wieder drehte ich mich um, und schaffte es, mehr als zwei Schritte weiter zu gehen.

Als ich wieder an die frische Luft trat, sog ich diese gierig in meine Raucherlunge und sah mich dann knapp um, bevor ich wusste, wo Luce war. Wenn er sich verstecken wollte, dann setzte er sich hinter einen großen Stein, welcher ein wenig an einen Sarg erinnerte, vom Aussehen her. Niemand kannte diesen Platz, niemand sah ihn dort, außer mir. Es war wie ein geheimer Rückziehungsort, der - zumindest theoretisch - jederzeit gefunden werden könnte. Doch niemand fand uns dort, also bräuchten wir auch nicht darüber nachzudenken, was wäre, wenn wir gesehen werden würden.

Ich ließ mich auf den Boden, neben den hübschen Jungen fallen, lehnte mich ebenfalls an den Stein und setzte mich in den Schneidersitz. Er hatte die Beine einfach ausgestreckt, winkelte nun eines leicht an und lehnte seinen Kopf gegen den Stein. Seine Augen hatte er geschlossen. In Momenten wie diesen, wenn er sich erschöpft hier hinter versteckte, sah man erst, wie müde und überansprucht er eigentlich war. Erst hier sah man die Schatten unter seinen Augen und erst hier sah man, dass auch er sich gerne an jemanden anlehnen und sich ausreden würde - nur hier tat er genau dies. Er ließ seinen Kopf auf meine Schulter fallen, lehnte sich einfach stumm an mich an und ich legte meinen Arm um seine Schultern. In meinem Bauch und meiner Brust schien etwas freudiges und warmes zu Kribbeln, doch ich ignorierte es und tat es wie immer, als ein Gefühl der Vertrautheit ab.

»Wie geht es dir im Moment?« Meine Frage überraschte ihn scheinbar schon lange nicht mehr, genauso wenig, wie mich selbst. Ich war normalerweise nicht so der Typ, der andere fragte, wie es ihnen ging, doch bei ihm fragte ich immer nach. Doch warum, wusste ich selbst nicht so genau.
»Geht eigentlich, bin einfach nur müde.« In seiner Stimme spiegelten sich seine Worte wieder, also schenkte ich ihm Glauben. »Und wie geht's dir?« Ich blieb still, er war es gewohnt. Nie antwortete ich auf diese Frage, nie redete ich über meine Gefühle und nie war ich derjenige, der sich öffnete, überwand oder zugab, dass er überfordert war. Nur die Zigaretten, schienen meine Probleme zu verstehen, ohne, dass ich sie erzählen musste. Zwar wusste Luce viel über mich - mehr, als meine anderen Freunde -, aber er wusste nicht alles. Er kannte die Wahrheit über mein Leben nicht, deswegen ergaben meine Taten für ihn meistens keinen erkennbaren Sinn, doch dies mussten sie auch gar nicht. Doch ich konnte mich ihm gegenüber nicht öffnen. Zu häufig hatte ich vertraut, ohne Vertrauen zu können. Und eine leise Angst in mir, dass ich wieder verraten werden würde, hielt mich davon ab, ihm mehr über mich zu erzählen. Also blieb ich still, in Momenten wie diesem.

You'll Lose In Love | Boy×BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt