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Starshopping
- Lil Peep

Luce's Pov:

Manchmal verstand ich Nate wirklich nicht. Wir bezeichneten uns zwar als beste Freunde, doch ich wusste so wenig über ihn, dass man versuchen könnte, mich über ihn auszufragen und ich könnte gerademal seine Augenfarbe, seine Körpergröße und sein alltägliches Rauchen beschreiben. Ich war noch nie bei ihm, in diesem alten und heruntergekommenen Haus, doch er war häufig bei mir, wenn meine Eltern nicht da waren. Und jedesmal wenn ich darüber nachdachte, kam ich zu der gleichen Schlussfolgerung, die mich mein Leben und mich selbst noch mehr hassen ließ; ich war ein schlechter Freund.

»Nate? Bin ich ein schlechter Freund?« Wir saßen immernoch in unserem Versteck, obwohl es schon längst zu der dritten Stunde geklingelt hatte. Doch keiner von uns beiden machte sich die Mühe, pünktlich zu seinem Unterricht zu kommen. Und immernoch lag mein Kopf auf seiner Schulter, was ihm scheinbar weiterhin nichts ausmachte, warum auch immer das so war. Doch als er realisierte, welche Frage ich gestellt hatte und welche Gedanken mit ihr kamen, sah er mich leicht geschockt an. Ich hatte vermutlich noch nie so viele Emotionen in seinen grünen Augen und diesem hübschen Gesicht gesehen, wie in diesem Moment.
»Du? Ein schlechter Freund?« Die Nachfragen machten mir Angst, da man Nate's Art häufig nicht einschätzen konnte, doch als er mich in seine Arme nahm und ich meinen Kopf in seine Halsbeuge legte, während mein Körper noch mehr verrückt spielte, fühlte ich mich wieder sicher.

»Du bist der beste Freund. Du lügst nicht, du kümmerst dich, du bringst jeden zum lachen, wenn ich Streit mit meiner Familie oder mit Cassie habe, dann bist du da und hörst mir zu. Ich könnte so viel noch auflisten, aber du bist kein schlechter Freund! Wie kommst du überhaupt zu diesem bescheuerten Gedanken?« Wir lösten uns, ich sah in seine Augen. »Da ich so gut wie nichts über dich weiß. Ich könnte nichtmal sagen, wie du dich gerade fühlst oder wie es mit Cassie im Moment läuft, neben den Streitereien.« »Ich dachte du magst Cassie nicht?!« »Tu ich auch nicht, doch sie gehört nunmal in dein Leben, also muss ich sie wenigstens akzeptieren.« Er grinste leicht, sein Blick wurde warm. »Das macht dich noch mehr zu einem guten Freund.« Auch ich grinste nun leicht und wir ließen uns wieder in unsere alte Position fallen. Unsere Gespräche wurden wieder weniger Ernst und wir begannen wieder mit den kleinen Späßen und Sticheleien - wie immer.

Die Stunde verging so schnell, dass wir erst nicht das Klingeln hörten, doch als die ersten Schüler den Schulhof betraten - da sie nun Lernzeit hatten und wir auch auf dem Schulhof lernen und Hausaufgaben machen durften -, sah ich zu Nate. Er war wieder die Ruhe selbst, sah einfach in die Ferne und schien alles zu versuchen, damit man nicht bemerkte, dass er nervös auf seiner Lippe und der Innenseite seiner Wange kaute. Manchmal war es schwer, mit ihm umzugehen und zu reden, wenn man nur die Hälfte seiner Geschichte kannte. Denn eigentlich kannte ich nur sein Schulleben, seinen Schulalltag und seine Freizeitbeschäftigungen. Doch alles, was vor unserer Freundschaft passiert war, kam nicht ans Tageslicht. Nur er selbst schien zu wissen, dass er uns niemals erzählen würde, wie es ihm wirklich ging, was mit seiner Familie war, was für einen Job er angenommen hatte, warum er kaum lachte oder Spaß am Leben hatte, warum er immer vor Menschengruppen oder ernsten Situationen floh und was passiert war, dass er viel wusste, aber nichts sagte. Es waren Dinge, die sich klein anhörten, doch von großer Bedeutung waren. Kleine Dinge, die mir wichtig waren, zu erfahren.

»Weiß Cassie eigentlich mehr über dich, als ich?« Ich wusste nicht, warum ich diese Frage stellte, doch nachdem sie aus mir herausgebrochen war, konnte ich sie nicht mehr zurückziehen. Nate sah still nach vorne und diese Stille, die von ihm ausging, machte mir Angst vor seiner Antwort. Doch schließlich sah er mich an, nickte einmal knapp und stand auf, bevor er ging und mich damit alleine ließ. Sollte sein Nicken ein 'ja' sein oder fand er die Frage komisch? Ich blieb kurz wie erstarrt sitzen und starrte die Mauer des Gebäudes vor mir nieder, bis ich mich aufrappelte und in die Richtung sah, in die Nate gegangen war. Er sollte warten, doch das tat er nicht. Es kam nicht häufig vor, dass er vor mir oder meinen gestellten Fragen weglief, doch heute tat er es und das machte es verwirrend.

Nach einiger Zeit - in der mein Gehirn ratterte und ich abwägte, was nun sinnvoller wäre - ging ich ihm langsam hinterher. Eigentlich wusste ich, wo er hin ging und er wusste, dass ich ihm dorthin folgen würde. Man könnte uns wirklich manchmal als Hund und Besitzer ansehen, da einer dem anderen immer folgte.

Ich ging langsam den Gang entlang und spürte förmlich die brennenden Blicke der Mädchen in meinem Nacken. Viele hassten mich, da ich Herzen brach, wenn sich jemand in mich verliebte, nachdem wir einmal miteinander geschlafen hatten, doch andere wollten es wiederholen. Vermutlich hatte ich schon mit nahezu jedem Mädchen der Schule gevögelt. Doch für mich war es einfach nur zum Spaß. Ja, es machte mich noch mehr zum Arschloch und ja, es war alles andere als nett für andere, doch es war mir egal. Ich hatte meine Regeln und Strukturen, die mir absicherten, dass sich niemand beschweren konnte. Beispielsweise hatte ich die Regel, dass nach einem Mal Sex nichts zwischen uns war, nichtmal eine Bekanntschaft, doch wenn es häufiger wurde, dann dürfte sie mich auch als einen Bekannten ansehen. Bescheuert, aber es funktionierte. Und dadurch, dass mich manche an dieser Schule wie einen Star anhimmelten, wollten mich auch viele als ihren Bekannten aufzählen.

Während ich über ziemlich viel nachdachte, kam ich an den Musikräumen an und hörte bereits die ersten Töne. Als langsam eine Melodie entstand - welche mir so bekannt vorkam, dass sie nur von Nate gespielt werden würde - schlich ich mich in den Raum hinein und setzte mich auf den Boden, mein Rücken lehnte an der Wand. Direkt der Tür - und damit auch mir - gegenüber, saß er am Klavier, spielte eine seiner komplizierten Melodien und war so sehr darin vertieft, dass er mich nicht bemerkt hatte. Immer wenn Nate aufgewühlt war, kam er hierher, setzte sich und spielte. Es beruhigte ihn, etwas zu spielen, worauf er sich gut konzentrieren musste. Und offensichtlich tat es ihm auch gut, etwas anderes zu tun, als sich nur mit mir zu unterhalten.

Während er spielte, sah ich ihn an. Seitdem ich ihn das erste Mal gesehen hatte - dies war am ersten Schultag der siebten Klasse gewesen, an welchem er auf diese Schule gewechselt war -, hatte ich ihn als den hübschesten Jungen eingestuft, den ich jemals gesehen hatte. Der gebräunte Junkie, mit seinen braunen Haaren, dem schlanken Gesicht, der geraden Nase, den vollen Lippen, den grünen Augen und mit dem atemberaubenden, durchtrainierten Körper, war quasi sofort in meinen Augen mit mir befreundet, obwohl es hart war, sein Vertrauen zu gewinnen. Am Anfang hat er nicht viel geredet, doch irgendwann habe ich bemerkt, wie krampfhaft er versucht, seinen Akzent zu verbergen und als ich ihm sagte, dass es kein Problem seie, wenn er mit Akzent sprach, da es sich irgendwie süß anhörte, huschte das erste kleine Lächeln über seine Lippen. Bis zur neunten Klasse hatte ich gebraucht, um ihn das erste Mal rauchen zu sehen und ungefähr am Ende der neunten Klasse, hatte ich ihn das erste Mal als meinen besten Freund bezeichnet. Nun, wo wir in einem guten Jahr vermutlich unseren Abschluss machen würden, wusste ich vermutlich nicht viel mehr über ihn, als vor vier Jahren, doch es war egal, solange er bei mir war und ich bei ihm.

Nate beendete die Melodie, öffnete seine Augen und wir sahen uns stumm an. Er war immernoch der hübscheste Junge, den es für mich gab.

You'll Lose In Love | Boy×BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt