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Tw! Detaillierte Trauma- und Gewaltbeschreibung, sowie Aufgreifung von Alkohol-/Drogenabhängigkeit, Misshandlung und Selbstverletzung!
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The War
-SYML

Nate's Pov:

Ich schlug die Augen auf, fuhr hoch und atmete hektisch. Mein Zimmer war dunkel, die Ecken schienen Schatten in sich zu bergen. Schatten, die sich wie Monster auf mich stürzen könnten - oder wie mein Vater. Ich war verschwitzt, war panisch, bekam nicht sonderlich viel Luft und doch bemerkte ich, wie sich jemand neben mir regte. Mein Blick fuhr herum und traf diese Augen, in die ich mich verliebt hatte.

»Hey, Nate! Es ist alles gut, okay? Was ist los?«, fragte er ruhig, richtete sich nun ebenfalls auf und gab mir einen sanften Kuss auf die Wange. Ich konnte nicht antworten, doch seine Augen zogen mich in einen Bann und irgendwie hatten sie eine beruhigende Wirkung auf mich. Doch das machte den Rest nicht wirklich besser. Ich hatte immernoch eine Vergangenheit, von der ich Luce nichts erzählt hatte, doch ich konnte es auch nicht ewig vor ihm geheim halten.

Als die erste Träne sich aus meinem Augenwinkel löste, ließ ich meinen Kopf auf seine Schulter sinken, spürte, wie sich seine Arme um mich legten und er mich festhielt. Auch ich legte meine Arme um ihn, wollte sicherstellen, dass er nicht weggehen würde, wie es bereits einige Menschen getan hatten, sobald ich zusammen brach. Doch ich war auch nur ein Mensch, auch ich durfte überfordert sein und zu viele Emotionen in mir verbergen, die plötzlich heraus brachen.

»Es ist alles gut! Du bist in Sicherheit, nichts wird passieren und ich bin bei dir!« Ich weinte, auch wenn ich nicht wollte. Doch Luce war da, ohne es zu kommentieren. Auf seinen Armen sah ich, wie sich Gänsehaut bildete, als mein unruhiger Atem und meine Tränen auf seine nackte Schulter trafen. Langsam konnte und wollte ich die Mauer nicht mehr aufrecht erhalten. Ich wollte nicht mehr der Nate sein, der niemals etwas für eine Person fühlen würde und niemals eine tiefgründige Information über sich preis gab. Denn im Endeffekt war ich immer noch nur eine Version des alten Nate's - damals noch Nathan.

»Was ist passiert, Nate?« »Albtraum, Panik, mein Vater.« Meine Stimme war rau und leise, doch dieser Junge verstand und hielt mich. »Willst du mir davon erzählen oder ist das dann zu viel Information, die du mir anvertraust?« Ich zuckte nur mit den Schultern und spürte, wie alles in meinem Körper danach schrie, es ihm zu erzählen. Doch somit würde ich mich noch mehr in die Opferrolle begeben. Blaine war immer besser im Erzählen, über unsere Vergangenheit gewesen. Er konnte die Vergangenheit besser von der Gegenwart trennen und zog eine klare Grenze dazwischen, während sich meine Vergangenheit immer wieder in meine Gegenwart und Zukunft einmischen würde. Ich konnte mich davon nicht distanzieren. Irgendwie ging das einfach nicht.

»Hab ich dir schonmal von meinem Vater erzählt?« Kurz blieb Luce still, dann schluckte er hörbar und räusperte sich. »Von den Drogen und das er im Knast sitzt, hast du mir erzählt.« Ich nickte, schluckte dann ebenfalls und lehte meinen Kopf mehr in seine Halsbeuge. Allerdings drehte ich mich so, dass er mich verstehen konnte, wenn ich redete.

»Er war schon früher so. Hier mal ein bisschen Alkohol, da mal ein bisschen Gras. Doch am Tag war er der liebe, nette Vater, der führsorglich war und sich um seine Kinder gekümmert hat, wenn unsere Mutter auf der Arbeit und er Zuhause war. Die beiden haben uns nie alleine gelassen, bis wir acht wurden. Dann wurde es schlimmer mit ihm. Wir waren zu jung, um damals schon zu verstehen, wieso er betrunken nach Hause kam, merkwürdig kicherte und lallte, dass wir die beste Familie wären. Doch zu dieser Zeit wurde er auch abweisender. Als ich neun und Blaine ungefähr zehn oder elf war, hat er meinen Bruder das erste Mal geschlagen. Es waren zwei Ohrfeigen in betrunkenen Zustand und zwei Wochen später begann er, ihn regelmäßig zu verprügeln. Ich musste zusehen, da ich zu jung war, um einzuschreiten und er sich nicht auf mich fokussierte. Mit zehn wurde auch ich das erste Mal von ihm verdroschen. Wir wollten immer, dass er aufhörte, wollten immer, dass er einfach wieder unser Vater sein würde, mit dem wir einen wunderschönen Start ins Leben gehabt hatten, doch es schien Woche für Woche und Monat für Monat schlimmer zu werden. Nichtmal unsere Mutter erkannte ihren Mann wieder. Er zwang sie häufig, ihm dabei zuzusehen, wie er uns verprügelte und sie versuchte immer wieder, dazwischen zu gehen, doch er schubste sie immer weg und ließ sie darum betteln und weinen, aufzuhören.

Niemand weiß, wann das mit den Drogen richtig anfing, doch wir schätzen, dass Blaine nichtmal ein Teenager war. Irgendwann kam er wochenlang nicht nach Hause, unsere Mutter verschanzte alle Türen, wenn sie zur Arbeit musste und als das Kündigungsschreiben des Jobs unseres Vaters herein flatterte, brach sie zusammen. Ich hab die Situation nie verstanden, dachte immer, dass er wieder zurück kommen und alles wie früher werden würde, doch eigentlich habe ich nur verdrängt, dass wir ihm ausgeliefert wären, wenn er wiederkam. Genau das tat er auch. Plötzlich tauchte er wieder auf, stürmte trotz allen Bemühungen unserer Mutter die Wohnung, und fragte sie nach Geld. Er bettelte, ließ sie nicht gehen und schließlich hatte sie Mitleid und gab ihm, was er verlangte. Mit 500 Euro in der Tasche ging er wieder, ohne sich auch nur zu bedanken.« Zwar hatte ich mich inzwischen beruhigt, doch trotzdem musste ich zittrig einatmen. Für mich war diese Zeit nicht die Schlimmste gewesen, doch die darauf folgenden Jahre hatten mich zerstört. Luce strich mir beruhigend durch die Haare, während ich jedes einzelne Detail aus meiner Vergangenheit wieder hochholte.

»Als ich Liam kennenlernte und wir uns anfreundeten, brachte ich ihn häufig mit zu uns nach Hause, da die damals sieben jährige Cynthia ihn praktisch vergötterte und er unsere Familie mochte. Als unser Vater erneut auftauchte, während Liam da war, schrie er uns an, dass wir das nicht machen konnten, noch so ein Kind hier zu haben, doch als er wieder Geld bekam, ging er. Jede beschissene Woche kam er an, fragte nach Geld und unsere Mutter bekam mit ihren drei Jobs Geldprobleme. Irgendwann war alles erspartes aufgebraucht, das Essen wurde knapp und unser Vater kam wieder. Er war es, der wütend in die Küche stürmte, als er kein Geld bekam. Er war es, der sich ein Messer nahm, es zuerst Blaine entgegen hielt, mich dann aber damit verletzte. Und manchmal wünschte ich, dass er mich damit umgebracht hätte. Es tat weh und ich bettelte, dass er aufhören sollte, mir Schmerzen zuzufügen, doch er grinste mich nur an und als ich in seine Augen sah, sah ich den puren Teufel in ihm. Ich war zwölf, als das passierte, war mit der Situation und dem Mann überfordert, und wollte nicht mehr leben, als ich im Krankenhaus wach wurde. Immer wieder sehe ich ihn in meinen Träumen und auch wenn ich weiß, dass er zwei Monate später bei uns von der Polizei angeführt wurde, habe ich Angst, dass er uns findet.« Luce strich mir über den Rücken, und als ich fertig war, hob er meinen Kopf und küsste meine Stirn. In seinen Augen sah ich pures Verstehen und ganz sanft legte er seine Lippen auf meine. Irgendwie wusste dieser Junge ja doch immer, wie er mich beruhigen konnte.

»Was ist mit euch passiert?«, fragte er, als wir uns lösten. »Wir sind weg gezogen, von einer Nacht auf die andere, haben Englisch gelernt und hatten erstmal privat Unterricht. Unsere Mutter nahm hier vier Jobs an, während wir Zuhause saßen und uns nicht trauten, das Haus zu verlassen. Selbst Cynthia hatte Angst. Sie wuchs mit der Angst auf, hatte nie das Gefühl einer behüteten Kindheit gehabt und das nur, weil sie alles mitangesehen hatte. Blaine schnitt sich die Arme, Beine und den Oberkörper auf, während ich zum Junkie wurde, bis ich merkte, dass ich wie unser Vater wurde und mich aufs Rauchen beschränkte. Irgendwann kam das Ritzen auch bei mir hinzu und somit war unsere Kindheit wie Jugend komplett im Eimer. Ich hab immer an ihn gedacht. An seinen Blick, das gehässige Grinsen und dieses nicht existente Mitleid, welches er an sich hatte. Er stand vollkommen unter Drogen und hatte eine Fahne, als ich ihn ein letztes Mal von Nahem sah.« »Deswegen passt du so auf mich auf«, bemerkte er und zog mich erneut in eine Umarmung. »Genau deswegen!«, gab ich seiner Vermutung recht. Niemand sollte diese Gewalterfahrungen bis zum Ende hin durch machen, und vorallem nicht alleine.

Er hauchte mir einen sanften Kuss auf den Hals, drückte mich fest an sich und wir legten uns wieder hin. Bei Luce war ich sicher. Bei Luce war es schön. Das Gefühl, dass ich ihm vertrauen konnte, war wunderschön. Also hatte ich genau das getan. Ich hatte ihm meine Geschichte anvertraut, in der Hoffnung, dass er sie verstand.

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Das Kapitel kommt mal etwas früher, da ich dringend eine andere Meinung dazu brauche (!), also würde ich mich sehr über Feedback und vorallem Anregungen freuen, ob und was man noch aus Nate's Vergangenheit machen könnte.
Was haltet ihr von seiner Vergangenheit und davon, dass er sie Luce anvertraut? Wie sieht ihr seine Reaktion auf alle Geschehnisse?

Um ehrlich zu sein, war es sehr schwer, seine Geschichte zu verfassen, da ich nicht gerne gewaltvolle Szenen oder Streitigkeiten aufschreibe - wie man sicherlich auch häufig bemerkt😅🫣

Hinterlasst doch gerne einen Kommentar oder Vote, und sonst wünsche ich euch noch einen wunderschönen Tag🫶

You'll Lose In Love | Boy×BoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt