Sommerstart

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Keyla

„KeyKey, was hältst du davon?", meine beste Freundin hielt mir ihr Handy hin und zeigte ein knappes Kleid, welches sie letzte Woche gekauft hatte. Ich stimmte nickend zu, denn das schwarze Spagettiträgerkleid stand ihr ausgezeichnet. Ich hingegen war mir unschlüssig, was ich anziehen wollte, weshalb ich weiterhin Kleid für Kleid den Kopf schüttelte und weiterschob.

„Was hältst du von dem?" und deutete auf ein schlichtes, eher langweiliges Kleid. Zoe schüttelte heftig ihren Kopf, sprang auf und machte sich an meinen Klamotten zu schaffen. Sie schmiss mir einen Faltenrock und ein weißes Shirt auf das Bett.
„Perfekt. Schmeißt du mir noch eben eine Strumpfhose zu?"

„Wir gehen an den Strand. Genauer gesagt zu einem Lagerfeuer. Du brauchst keine Strumpfhose, wohl eher ein Bikini" Zoe riss die Schublade auf, landete einen Treffer und zog ein rotes Set heraus. Der dünne Stoff landete ebenfalls auf meinem Bett. Ich schnappte mir die vier Teile und verschwand ins Bad, frischte mein Make-up auf und schlüpfte in meine weißen Sneakers.
„Was sagst du?"

„Ich beneide dich für deine Beine, Key", ihre Hände falteten sich vor ihrem Mund und ihre blauen Augen funkelten vor Freude. Ihr blonder Longbob wirbelte umher, als sie sich plötzlich zur Musik bewegte, was mich zum Lachen brachte.
„Wollen wir los, zu dir?"

Zoe ging bereits hinunter, erzählte meinen Eltern von den Plänen heute Abend und holte die Zustimmung dafür, denn bei ihr, würden sie niemals Nein sagen. Ich suchte noch schnell meine Handtasche, packte alles hinein und wollte gerade die Balkontür schließen. Roi. Oben ohne. Er trug kein T-Shirt.
Mir stockte der Atem, als ich ihn so sah. Seine Bauchmuskeln oder das nasse Haar. Alles in mir stockte, seinetwegen. Peinlich berührt, weil sein Blick meinen traf, zog ich die Vorhänge zu und stürmte die Treppe hinunter, um zu vergessen, was eben passiert war.

„Hast du alles?", wieder ein Nicken. Roi hatte mir die Stimme verschlagen. Mit angespannten Muskeln lief ich hinter Zoe her, winkte zum Abschied meiner Mom zu und verließ das Haus. Auf dem Weg zum Strand, wo die Party eines Mitschülers stattfand, unterhielten meine beste Freundin und ich uns über Gott und die Welt.

„Ich glaube, ich lasse heute Abend nichts anbrennen, besonders, wenn Josh da sein sollte", die Trennung vor vier Wochen lag ihr nach wie vor in den Knochen, auch wenn sie es ungern zugab, doch kannte ich meine beste Freundin. Keine Ahnung, woher mir der plötzliche Gedanke kam, aber ich schlug ihr etwas vor.

„Lust auf ein Trinkspiel? Wir suchen einander Typen aus und sollte er uns nicht gefallen trinken wir. Gefällt uns der Typ versuchen wir seine Nummer zu klären und sollte es uns nicht gelingen, trinken wir"

„Mensch, KeyKey. Das ist eine fantastische Idee", meine Freundin klatschte sich freudig in die Hände, bis sie, wie ich eine Präsenz hinter mir wahrnahm.

„Darf ich mitmachen, Kröte?", es war Roi. Mein geliebter Nachbar. Nicht.

„Sorry, Mädelsabend", rettete mich Zoe, bevor ich etwas Dummes sagen konnte, wie jedes Mal, wenn er in meiner Nähe war.

„Schade drum. Ich hätte gerne deinen Männergeschmack erfahren, Kröte"

„Hör auf, mich so zu nennen. Du weißt, genauso wie ich, dass ich mich damals erschrocken habe und keine Angst hatte"

„Da sagen ich, zwanzig Mitschüler und ein Lehrer was anderes, so wie du auf den Stuhl gehüpft bist"

„Verpiss dich, Williams", knurrte ich bedrohlich, zumindest versuchte ich das, doch anscheint amüsierte mein Verhalten ihn.

„Aber komm später nicht heulend an und frag mich nach einem Schwangerschaftstest, Kröte" Roi zwinkerte mir zu, drehte seinen Kopf nach hinten und pfiff. „Komm, Askan"

Sein Husky kam sofort beifuß und setzte sich brav neben sein Bein. Stolz streichelte Roi über sein weißes Fell, bevor er sich bei uns verabschiedete.

„Er ist ein arrogantes Arschloch", murmelte ich genervt vor mir her, unwissend, dass Zoe mich hörte.

„Ein gut aussehendes Arschloch", korrigierte sie mich, weshalb ich sie spielerisch schubste.
„Hey, ich weiß, du hasst ihn, aber bist du denn nicht neugierig, mal zu kosten?"

„In diesem Leben nicht und die danach auch nicht, Zoe!"

„Gut, da das jetzt geklärt ist, lass uns zum Strand und andere Männer kosten" Zoe hakte sich bei mir unter und zusammen gingen wir die letzten Meter, bis der weiße Sand um unseren Füßen war. Die Feier fand am Rand von Paris statt, genauer gesagt, an einem kleinen See. Ich hörte bereits die lautstarke Musik, sowie den Bass, welcher die feinen Körner unter mir zum Tanzen brachte. Und wie jedes Mal, wenn ich Roi begegnete, verseuchte er meine Gedanken. Wieso war er hier an der Strandpromenade entlang spaziert und nicht wie sonst sein Weg durch den Wald? Manchmal kam er mir wie ein Entführer vor, der in den hintersten Ecken murmelte, mich beobachtete und auf seinem Angriff wartete. Nur dass er mich nicht entführen würde, sondern wir uns ein Wortgefecht lieferten, bis uns einer unterbrach. Schon als Kinder lagen wir uns regelmäßig in den Haaren, dass selbst unseren Müttern es manchmal schwerfiel dazwischen zu kommen. Einen Sommer lang hatten sie uns sogar verboten, uns in den gleichen Räumen zu bewegen oder die Straße mit dem anderen zu benutzen, was wir natürlich nicht einhielten. Es war wie eine Sucht, den anderen zu provozieren und zu blamieren, so wie damals beim familiären Weihnachtsessen. Ich hatte meine Eltern nie darüber aufgeklärt, dass ich in Wirklichkeit noch Jungfrau war, stritt stattdessen die Nummer mit dem Schwangerschaftstest ab. Es war aus dem einfachen Grund, dass ich mir ein weiteres peinliches Aufklärungsgespräch ersparen wollte, was bis jetzt gut funktionierte.

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt