Epilog

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Roi

„Wie hast du dir deine Zukunft vorgestellt?", fragte ich, während wir auf die Getränke warteten und gleichzeitig den beeindruckenden Ausblick auf die funkelnde Stadt genossen. Die Lichter der Hochhäuser spiegelten sich in den Fenstern des Restaurants und tauchten alles in ein warmes, goldenes Licht.

„Was meinst du?", erwiderte sie mit einem schiefen Lächeln und belustigten Augen, die neugierig auf meinem Gesicht ruhten.

„Nachdem du aus dem Koma aufgewacht bist", wiederholte ich sanft und suchte nach den richtigen Worten, „wie hast du dir deine Zukunft vorgestellt?"

Ein Schatten huschte über ihr Gesicht und sie wandte den Blick kurz ab, bevor sie mir wieder in die Augen sah. „Ehrlich gesagt, ich wusste es nicht genau", begann sie. „Es war wie ein Neuanfang, aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, als wäre uns so viel Zeit gestohlen worden. Alles war anders, vertraut und doch so fremd zwischen uns. Mir wurde aber bewusst, was ich vom Leben wirklich will."

Ich nickte verständnisvoll. „Und was willst du vom Leben?" Askan schnaufte bei meinen Füßen auf, es schien, als wäre er genervt von meiner Fragerei.

Keyla seufzte leise und lächelte dann, wenn auch etwas melancholisch. „Ich wusste, dass ich dich heiraten will, dass wir mit Maila eine Familie werden. Dass wir entweder in Paris oder auch in London ein gemeinsames Zuhause finden, vielleicht noch ein Kind mehr bekommen. In meiner Vorstellung wollte ich eine französische Bäckerei in London eröffnen, und du könntest bei einer Zeitung arbeiten, damit die Welt immer noch ein Teil von dir bleiben kann." Ihre Stimme wurde sanfter, als sie fortfuhr: „Ich träumte davon, Maila aufwachsen zu sehen, ihr die Welt zu zeigen und ihr beizubringen, dass sie alles erreichen kann, was sie sich vornimmt. Und ich träumte davon, dass wir beide diese Reise gemeinsam antreten, Roi. Dass wir zusammen lachen, zusammen weinen und zusammen die Herausforderungen des Lebens meistern."

Sie hielt inne und sah mich direkt an, als wollte sie sicherstellen, dass ich jedes ihrer Worte verstand. „Ich habe mir eine Zukunft vorgestellt, in der ich keine Angst mehr haben muss. Eine Zukunft, in der ich stark genug bin, meine Träume zu verfolgen, ohne mich selbst oder die Menschen, die ich liebe, zurückzuhalten. Ich wollte ein Zuhause schaffen, einen Ort, an dem wir alle sicher und glücklich sind."

Sie griff nach meiner Hand und drückte sie fest. „Aber vor allem habe ich mir eine Zukunft vorgestellt, in der wir beide die Zeit, die wir verloren haben, wieder aufholen. Eine Zukunft, in der wir keine Angst mehr haben müssen, uns zu verlieren, weil wir wissen, dass wir uns immer wieder finden werden. Eine Zukunft, in der unsere Liebe stärker ist als alles andere."

Ich spürte, wie mein Herz vor Liebe und Dankbarkeit überquoll. „Kröte", sagte ich mit belegter Stimme, „das ist genau die Zukunft, die ich mir auch vorgestellt habe. Zusammen, für immer"

In diesem Moment kam der Kellner mit unseren Getränken, und wir hoben unsere Gläser. „Auf dass unsere Zukunft genauso geworden ist, wie wir es uns erträumt haben"

„Und dass wir für immer zusammenbleiben", hauchte meine Frau, während wir die Gläser zusammenstießen.

Genau heute ist es zehn Jahre her, seit Keyla aus dem Koma erwacht war. Die Welt davor war eine grausame, aber die Hoffnung hatte uns am Leben erhalten. Die Erinnerungen an diese schmerzhafte Zeit kamen mir deutlich zurück, doch ebenso die wunderbaren Momente, die wir seitdem geteilt hatten. Das Sonnenlicht fiel sanft auf ihr Gesicht und erhellte ihre Augen, die voller Leben und Liebe strahlten.

Zehn Jahre. Es fühlt sich an, wie ein ganzes Leben und doch wie ein Augenblick.

Es war eine lange Reise, aber ich würde keinen Moment davon ändern wollen, nicht, wenn es uns hierher nach London geführt hat.

Ich bin stolz auf uns, unsere kleine Familie. Keyla, Maila, Lian Roy und ich. Wir haben so viel durchgemacht und sind daran gewachsen. Ich habe eine Zukunft, von der ich nicht einmal zu träumen gewagt hatte.

Jeder Tag mit meiner Frau und meinen Kindern war ein Geschenk.

„Endlich habe ich euch gefunden", hörte ich meinen Bruder stöhnen und als ich mich zu ihm umdrehte, sah ich, wie er seine Nichte und seinen Neffen auf den Armen trug.

„Die beiden haben Füße, Remi", erwiderte ich und erhob mich von meinem Stuhl.

„Du solltest mal in meinen Kofferraum schauen, dann siehst du, wie viele Wünsche ich ihnen nicht ausschlagen konnte", lachte mein Bruder und überreichte mir meinen kleinen Jungen.

„Wo habt ihr Oma und Opa gelassen?", fragte ich an Lian gewandt.

„Im Auto", kicherte er. Ich konnte nicht anders, als über die kindliche Unschuld zu schmunzeln, die in Lians Augen funkelte. Keyla trat an meine Seite und nahm unsere Tochter auf den Arm, die gerade begann, etwas zu erzählen, was wie eine Mischung aus Fantasie und Realität klang.

„Habt ihr euch gut amüsiert?", fragte Keyla lächelnd und küsste die Stirn unserer Tochter.

„Ja, Onkel Remi hat mir viele Süßigkeiten gekauft", antwortete Maila, woraufhin Remi eine Unschuldsmaske aufsetzte.

„Das war Teil des Deals, damit sie ins Auto steigen", verteidigte er sich und wir alle lachten. „Außerdem vermute ich, dass sich unsere Eltern wieder einmal verfahren haben."

Ich sah zu Keyla, die das Glück und die Liebe in ihren Augen kaum verbergen konnte. „Komm, wir sollten uns schonmal setzten", sagte ich und ging mit Lian an der Hand zum Tisch.

„Wo ist Zoe? Kommt sie nicht?", fragte Remi an Keyla gewandt. Auch mein Verhältnis zu ihm hatte sich verändert, er hatte verstanden, dass Keyla und mein Leben nicht nur Schicksal war, sondern von der Zukunft bestimmt.

„Sie hat die Bäckerei eben geschlossen und ist jetzt auf dem Weg hierher.", antwortete meine wunderschöne Frau.

Remi und unsere Eltern sind in Paris geblieben, während Zoe sich kein Leben ohne ihre beste Freundin vorstellen konnte, also folgte sie uns nach London. Ihre Unterstützung war unschätzbar, besonders in den ersten Monaten, als wir uns in unserer neuen Umgebung einlebten und versuchten, eine Balance zwischen Arbeit, Familie und persönlichen Träumen zu finden.

„Papa, dürfen Lian und ich heute Nacht bei Oma und Opa schlafen?", fragte Maila plötzlich und unterbrach meine Gedanken.

„Nur, wenn Onkel Remi mir verspricht, dass ihr keine Süßigkeiten mehr bekommt", lachte ich und dachte darüber nach, wie kompliziert es damals war, ein passendes Ferienhaus zu finden, was sich unsere Eltern kaufen konnten. Immerhin musste es groß sein, sodass da Platz für die ganze Familie ist, außerhalb der Stadt und einen gewissen französischen Flair, wo unsere Mütter sich austoben konnten.

„Keine Süßigkeiten mehr? Das wird schwer", erwiderte Remi mit einem gespielt leidenden Gesichtsausdruck, während die Kinder ihn mit großen Augen ansahen.

Das Ferienhaus, das unsere Eltern schließlich fanden, war perfekt. Es lag in einer malerischen Gegend, umgeben von sanften Hügeln und Weinbergen, und strahlte den Charme eines alten französischen Landhauses aus. Das Haus war groß genug, um die ganze Familie zu beherbergen, mit weitläufigen Gärten, in denen die Kinder spielen konnten, und gemütlichen Ecken, in denen unsere Mütter ihre Kreativität ausleben konnten.

„Ich werde mich nie an den Verkehr hier gewöhnen", lachte mein Vater, als sie uns endlich erreicht hatten. Wir umarmten uns zur Begrüßung und als Zoe auch noch ankam, war alles perfekt. Wir waren einfach nur wir. Eine Familie. Denn das Leben hatte uns gelehrt, dass die besten Momente oft die einfachsten waren, die, die man mit Menschen verbringt, die man liebt.

Ende

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt