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Roi

„Ich bin gleich wieder da", sagte Keyla und sah mich entschuldigend an. Ich beobachtete, wie sie mit meinem Bruder durch die Menge verschwand und wartete darauf, dass dieser Schmerz, namentlich Eifersucht, mich überkam, aber nichts. Da war kein Gefühl, außer dass sie mir fehlte, ihre Nähe, ihre Wärme und ihr Duft. Ich war verrückt nach ihr. Ich vertraute ihr und wusste, dass sie mich liebte, mehr, als sie wahrscheinlich zugeben würde. Das war der Grund dafür, dass ich keine Eifersucht verspüren musste. Ich interessierte mich für keine der anwesenden Frauen und sie sich für keinen der anwesenden Männer, auch nicht für Remi, den sie an diesem Abend ohnehin kaum beachtet hatte. Nur mir galt ihre gesamte Aufmerksamkeit, mit der Ausnahme von Zoe.

Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen und nahm die Feierlichkeiten um mich herum wahr. Die lauten Gespräche, das Lachen und die Musik vermischten sich zu einem Hintergrundrauchen, das meine Gedanken überdeckte. Mein Fokus blieb auf Keyla gerichtet, selbst wenn sie außer Sichtweite war. Ich stand von dem Sofa auf, wollte ihre beste Freundin suchen und um Erlaubnis, dass Keyla und ich gehen dürften. Ich hatte sie genug mit den anderen Menschen hier geteilt und wollte sie für mich haben. Als ich Zoe durch die Menge gehen sah, wurde mir klar, dass etwas nicht stimmte. Keyla und ich verband ein unsichtbares Band, das unsere Gefühle auch in ihrer Abwesenheit spürbar machte.

Meine Augen durchsuchten den Raum. Noch mal und noch einmal. Sie war nicht im Wohnzimmer, aber wo war sie hin?

„Hast du meinen Bruder und Keyla gesehen?" Ich schrie gegen die laute Musik an und konnte an Zoes Gesicht sehen, dass sie mich nicht nur wegen des Lärms schwer verstand. Der Alkohol hatte ihre Sinne vernebelt.

„Ich glaube, die sind vor die Tür", deutete Zoe auf die Haustür, die offen stand. Ich schob mich durch die Menge und trat nach draußen. Die kühle Nachtluft schlug mir entgegen und ich suchte hastig die Umgebung ab. Ein paar Leute standen rauchend auf dem Bürgersteig, doch von Keyla und Remi war keine Spur zu sehen. Plötzlich hörte ich gedämpfte Stimmen um die Ecke. Mein Herz klopfte schneller, als ich die Stimmen erkannte. Es war Keyla. Als ich um die Ecke bog, sah ich sie. Sie stand vor meinem Bruder, der sie mit einer Mischung aus Schmerz und Verzweiflung ansah. Keyla sprach ruhig, aber entschlossen, während Remi den Kopf hängen ließ. Ich trat näher.

„Lass mich los, Remi", sagte Keyla fest, fast bedrohlich. Meine Schritte wurden schneller und mein Herz bebte in meinem Brustkorb vor Wut.

Remi schüttelte den Kopf und flüsterte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Dann sah er auf, beugte sich zu ihr und erst jetzt bemerkte ich seine Hand auf ihrer Wange. Er wollte sie küssen, doch bevor er sein Vorhaben umsetzen konnte, hatte Keyla ihm eine Ohrfeige verpasst. Ich rannte zu ihnen, mein Herz, mein Körper raste vor Zorn. Ich stellte mich schützend vor Keyla und riss die beiden somit voneinander. Meine Synapsen waren nicht mehr funktionsfähig. Mein Gehirn hatte sich abgestellt und alles wurde dunkelrot um mich herum.

„Roi", sagte mein Bruder leise.

Ich packte ihn am Kragen und drängte ihn einige Schritte von meiner Freundin weg. „Was glaubst du, was du da machst?", zischte ich, meine Stimme voller Wut und Enttäuschung.

Remi sah mich an, seine Augen voller Schmerz, aber keine Reue. Sein klarer Blick provozierte mich.

„Du hast sie doch gar nicht verdient", schrie er vor Zorn und versuchte, mich von sich zu stoßen, doch ich ließ ihn nicht los.

„Du bist verrückt, Remi", knurrte ich und drückte ihn fest gegen ein an der Straße stehendes Auto. „Du verstehst es einfach nicht, oder? Keyla ist nicht irgendein Preis, den man gewinnen kann. Sie ist ein Mensch, jemand, den ich liebe."

„Und ich liebe sie auch! Schon seit Jahren, bevor du sie überhaupt zur Kenntnis genommen hast!" Remi funkelte mich an, sein Atmen ging schwer.

„Liebe bedeutet nicht, jemanden zu besitzen", sagte ich scharf. „Liebe ist, wie das Licht in dunklen Zeiten, der Anker in stürmischen Gewässern und die Freude in jedem Augenblick. Die Nähe erfüllt dein Herz mit Wärme und Glück. Jeder Moment mit dieser Person ist kostbar und man kann sich plötzlich kein Leben mehr ohne sie vorstellen. Liebe lässt die Person zu deinem besten Freund und dein vertrauter werden."

Sein Gesicht verzog sich vor Wut und Schmerz. „Du verstehst es nicht. Du warst immer derjenige, der alles hatte. Du warst immer derjenige, der im Mittelpunkt stand. Ich wollte nur einmal etwas für mich."

„Und du dachtest, du könntest es dir einfach nehmen, egal, was Keyla will?" Meine Stimme war kalt vor Verachtung. „Das ist keine Liebe, Remi. Das ist Egoismus."

Er versuchte noch einmal, sich aus meinem Griff zu befreien, aber ich hielt ihn fest. „Geh nach Hause, Remi"

Schließlich ließ ich ihn los und er starte mich einen Moment lang an, bevor er ausholte und seine Faust mein Gesicht traf, schwächer, als er vermutet hatte. Ich packte ihn mir erneut, presste seinen bebenden Körper gegen das Auto und erhob meine Faust, kurz davor ihn ebenso zu schlagen.

Aber dann etwas passierte in mir. Ich wollte so nicht sein, denn ich hatte mich, ohne dass ich es bemerkt hatte, verändert. Ich war nicht die Person, die ihre Angelegenheiten mit Fäusten klärte, nicht mehr.

„Ich schlage dich nicht", hauchte ich und ließ meinen Bruder los, welcher direkt wieder auf mich zustürmte.

„Warum nicht? Wäre doch nicht das erste Mal", provozierte er mich.

Ich spürte, wie der Zorn in mir erneut aufstieg, aber ich hielt ihn zurück. Mein Leben war nicht schwarz-weiß. Es hatte an Farbe dazu gewonnen und das würde ich für nichts mehr hergeben.

„Weil ich das nicht mehr bin, Remi. Weil ich gelernt habe, dass Gewalt nichts löst. Und weil ich dich immer noch als meinen Bruder sehe, trotz allem."

Remi hielt inne, seine Brust hob und senkte sich heftig. Sein Blick war voller Wut und Schmerz, aber da war auch etwas anderes – Verwirrung, vielleicht sogar ein Hauch von Einsicht.

„Du weißt genau, was in dir schlummert, Roi und du weißt auch, dass du das nicht ewig verbergen kannst", waren seine letzten Worte und dann verschwand er in die Nacht. Eilig drehte ich mich herum und suchte mit meinen Augen nach Keyla, die immer noch an derselben Stelle stand.

„Es tut mir leid" Ich umschloss sie mit meinen Armen und tröstete sie stumm.

„Nein, mir tut es leid, dass ich dich in so eine Situation gebracht habe", flüsterte sie. Wir verharrten einen Moment lang in dieser Umarmung.

Drinnen ging die Party weiter und obwohl der Abend nicht so verlaufen war, wie wir es geplant hatten, fühlte ich, dass wir alle einen wichtigen Schritt gemacht haben. Die Sonne würde wieder aufgehen und mit ihr würden neue Chancen kommen.

A/n: Das letzte kleine Drama, vor dem Finalen Drama🙈 macht euch auf einiges gefasst🫢

Nächste Woche bin ich sehr viel beschäftigt, was eventuell daran liegt, dass ich Heirate😂, deshalb kann ich nicht sagen, wann und ob Kapitel kommen🤍

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt