Chaos

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Remi

"Ich kann es nicht ertragen, wenn er dich verletzt", sagte ich, während meine Hand leicht zitterte von dem Schlag, den ich ihm gerade verpasst hatte. Ich fuhr mir durch die Haare, während die Verzweiflung mich überkam. Ich machte mir einfach Sorgen, dass Keyla nur meinen Bruder in mir sieht. Roi, der sie immer wieder mit seinen Worten und Taten verletzen wird. Obwohl ich für sie ein Zufluchtsort war, wollte ich mehr sein als nur eine Erweiterung meines Bruders - ich wollte zeigen, wer ich wirklich bin.

„Bitte Remi, lass es für heute gut sein", schnaufte sie, während mein Körper noch vor Wut bebte. Ich war kurz davor meinen Bruder, der sich hinter dieser fantastischen Frau versteckte, erneut zu schlagen, denn sein selbstgefälliges grinsen ließ das Blut in mir kochen.

„Er kann damit nicht immer durchkommen, Keyla", erneut versuchte ich an ihr vorbeizukommen, allerdings stellte sie sich mir in den Weg. Ich gab auf, denn heute würde Keyla es nicht mehr zulassen, dass ich meinen Bruder zurechtweise, aber irgendwann wären wir allein. Meine Chance würde also noch kommen.

In meinem Zustand der unkontrollierbaren Wut hatte ich kaum registriert, wie nah Keyla mir war. Sie war dicht an mich herangetreten, um mich zu beruhigen und bevor sie sich wieder von mir löste, ihre Nähe tat einfach zu gut, hielt ich ihr Gesicht in meinen Händen. „Ich möchte nicht, dass dieses Glitzern in deinen Augen verblasst."

Keyla schaute zu mir auf und unsere Blicke trafen sich. Ihre Augen waren noch immer mit Tränen gefüllt, was mich dazu brachte, mich zusammenzureißen. Ich wusste, dass sie es heute nicht ertragen würde, wenn Roi eine Tracht Prügel von mir bekäme. Also konzentrierte ich mich auf das Hier und Jetzt, auf Keyla.
„Danke, Remi", hauchte sie.

Durch die gesamte Situation waren wir uns unerwartet nah gekommen. Zu eng, denn unsere Gesichter waren weniger als 15 Zentimeter voneinander entfernt. Plötzlich richtete sich mein Fokus auf ihre Lippen und mein heftig pochendes Herz. Ich konnte ihren unregelmäßigen Atem auf meiner Haut spüren und wieder einmal überflutete mich dieses eigenartige Kribbeln, besonders in meinem Bauch. Es waren Schmetterlinge, die immer dann auftauchten, wenn Keyla in meiner Nähe war. Was zum Teufel war das? Ich wusste, dass ich ihr verfallen war, aber so sehr? Sie hatte die Kontrolle über meinen gesamten Körper übernommen, mein Denken und Handeln geleitet. Wir starrten uns unentwegt in die Augen, und dann geschah es. Ich neigte mich leicht nach vorne, ihre Lippen waren mein Ziel. Keyla unterbrach mich nicht, also überbrückte ich die letzten Zentimeter und legte meine Lippen sanft auf ihre. Zuerst ganz behutsam, ohne Bewegung, dann immer stürmischer. Mein Herz schien fast vor Nervosität zu explodieren, aber auch vor Freude über den Erfolg, endlich das zu tun, wovon ich seit Wochen geträumt hatte.

In diesem Moment konnte ich nicht glücklicher sein, denn sie erwiderte den Kuss und ließ uns miteinander verschmelzen. Ich verlor den Bezug zur Realität, zur Welt um uns herum, selbst der Ort, an dem wir uns befanden, schien nicht mehr relevant zu sein. Nur Keyla zählte. Der Kuss wurde immer leidenschaftlicher, intensiver. Langsam bewegte ich mich, ohne unseren Kuss zu unterbrechen oder meine Hand von ihrem Nacken zu lösen. Ich drückte Keyla fest gegen die kalte Wand, meine Finger vergruben sich in ihren dunklen Haaren. Schwer atmend lösten wir uns voneinander, damit ich sie hochheben konnte. Die angenehme Wärme, die anfänglich zwischen uns lag, wurde zu einem Feuer, welches meinen Körper erfasste. Meine Hände erkundeten ihren Körper, ihren wunderschönen Körper, der sich für mich wie gemacht anfühlte.

Ein Räuspern ließ uns abrupt auseinanderfahren und in die Richtung blicken. Ausgerechnet mein Bruder stand noch im Raum, obwohl er offensichtlich gesehen hatte, was vor sich ging. Es schien fast so, als ob er es mit Absicht getan hatte und am liebsten wäre ich sofort wieder auf ihn losgegangen.
„Ich will ja nur ungern stören, während ihr euch auffrisst, aber das Feuerwerk beginnt gleich und Keyla liebt diesen Moment"

Die Frage war: War das Eifersucht in seiner Stimme? Überfordert musterte ich meinen Bruder, der uns vollkommen neutral ansah, aber hinter seiner Fassade lag etwas verborgen.

Ich setzte Keyla behutsam ab, nahm ihre Hand in meine und führte sie an Roi vorbei, den sie nicht einmal eines Blickes würdigte. Trotzdem hatte ich das starke Gefühl, dass er sie intensiv beobachtete, auch wenn es absurd war. Denn Roi interessierte sich für niemanden, außer sich selbst.

„Wieso war die Tür eigentlich abgeschlossen?", hörte ich Keyla mich leise fragen. Ich erzählte ihr, wie Zoe und ich sie gesucht hatten, wie die alte Dame meinte, dass sie nach dem Tragen der Kisten nicht mehr gesehen hatte, und wie ihr Mann den Keller wieder verschlossen hatte. Keyla schüttelte die gesamte Zeit mit dem Kopf, da sie es kaum glauben konnte.

„Sei froh, dass ich dich gefunden habe, Prinzessin", fügte ich lächelnd hinzu.

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt