Schock

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Roi

In der vergangenen Nacht hatte ich für Keyla hunderte von Nachrichten verfasst, sie jedoch sofort wieder gelöscht. Sie enthielten alles, von Wut und Zorn bis hin zu Liebe und Trauer. Die ersten Sonnenstrahlen durchdrangen den bewölkten Himmel, als ich immer noch auf mein Display starrte, überwältigt von einem Strudel der Emotionen. Die Worte waren aus mir herausgeflossen, ein Ausdruck meiner innersten Gedanken, doch die Unsicherheit überkam mich erneut, als ich die Nachricht absenden wollte. Mit zitternden Fingern löschte ich alles, bevor es zu spät war und ließ nur die Stille des Morgens zurück, während ich mit meinen Emotionen rang.

Ich stieg müde aus dem Bett und beschloss eine ausgedehnte Joggingrunde mit Askan zu gehen. Dabei gelang es mir endlich meinen überlasteten Kopf abzuschalten. Als ich zurück in meinem Zimmer war, wagte ich einen Blick durch meine Balkontür, aber als ich Keyla draußen entdeckte, zog ich die Vorhänge sofort zu und lehnte mich mit geschlossenen Augen an die Wand. Nachdem ich mehrmals tief durchgeatmet hatte, griff ich nach frischer Kleidung, um duschen zu gehen. Leider hatte ich an diesem Morgen kein Glück, da meine Mutter das Bad besetzt hielt, genau zu dem Zeitpunkt, als ich eigentlich zur Arbeit musste. Vertieft in meine Serie, die ich zur Ablenkung eingeschaltet hatte, bemerkte ich nicht, dass meine Mutter das Bad verließ und es jemand erneut besetzte.

„Ich muss dringend ins Bad", hämmerte ich gegen die Tür, bis die Person auf der anderen Seite endlich darauf aufmerksam wurde.
"Einen Moment noch, Roi", erklang die Stimme meines Bruders. Geduldig wartete ich, bis er schließlich das Bad verließ. Remi beachtete mich nicht, was mich jedoch nicht weiter störte. Eilig stellte ich mich unter das heiße Wasser, ließ meine angespannten Muskeln sich beruhigen und zog mich für die Arbeit an. Als ich endlich fertig war, bemerkte ich, dass mein Chip fehlte, der nötig war, um mich anzumelden und meine Arbeitszeit zu erfassen. Ich öffnete den Wäschekorb mit der schmutzigen Kleidung und suchte nach meiner Hose. In der Eile durchsuchte ich nicht die Hosentasche meiner eigenen Jeans, sondern die meines Bruders. Dort stieß ich auf einen kleinen Zettel, den ich aus Neugier herauszog.

für eine glückliche Kröte

Ich konnte meinen Augen kaum trauen und kniff sie sogar zusammen, aber der Text blieb derselbe. Es war meine Nachricht für Keyla, aber warum hatte sie mein Bruder? Wo waren dann die Konzertkarten? Ich verließ das Badezimmer und stürmte ins Erdgeschoss, als ich ihn nicht in seinem Zimmer fand und rief laut seinen Namen. Remi saß seelenruhig mit unserer Mutter im Wohnzimmer und schien sich angeregt mit ihr über etwas zu unterhalten, was ich ignorierte. Ich riss ihn am Kragen vom Sofa und holte aus. Meine Faust traf ihn perfekt und er sackte sofort zusammen, zum Glück war hinter ihm das Sofa. Meine Mutter stieß einen erschrockenen Schrei aus und legte schockiert eine Hand auf ihren Mund.

Nachdem meine Faust Remi getroffen hatte und er gefallen war, herrschte für einen Moment absolute Stille im Wohnzimmer. Meine Mutter starrte mich entsetzt an, während Remi sich mühsam aufzurappeln versuchte. Seine Augen funkelten vor Wut, doch bevor er etwas sagen konnte, unterbrach ich ihn.

"Was zum Teufel hast du mit meiner Nachricht an Keyla gemacht?", rief ich wütend aus, während ich den Zettel vor ihm hielt. "Und wo sind die verdammten Konzertkarten?"

Remi wich meinem Blick aus und schwieg. Doch bevor ich ihn weiter zur Rede stellen konnte, erhob sich meine Mutter und trat zwischen uns.

"Was ist hier los?!", fragte sie mit zitternder Stimme.

"Ich habe Keyla Konzertkarten geschenkt", brachte ich mühsam hervor, denn diese Situation raubte mir den Atem.

Meine Mutter und ich tauschten einen besorgten Blick aus, während Remi immer noch schweigend dastand, sein Gesicht ein Ausdruck aus Scham und Wut.
"Warum hast du das getan?", fragte meine Mutter sanft, sich an Remi wendend.
"Das war doch Rois Nachricht an Keyla."

„Du hast ihr keine Geschenke zu machen! Halt dich doch endlich von ihr fern, Hurensohn" Remi schubste mich mit Kraft zurück. Meine Mutter wollte dazwischen gehen, aber ich hielt sie davon ab, denn die Spannung zwischen Remi und mir war auf dem Höhepunkt.

"Was ist los, Remi? Hast du Angst zu verlieren?"

"Jungs! Das hier ist kein Wettstreit", rief meine Mutter empört aus, als sie versuchte, die Situation zu entschärfen.

"Angst? Das ich nicht lache, Roi. Sie ist meine Freundin. Ich habe schon längst gewonnen", erwiderte Remi mit einem spöttischen Tonfall. Seine Worte trafen mich wie ein Schlag ins Gesicht und ich spürte einen Stich der Eifersucht in meiner Brust.

"Hört auf!", schrie meine Mutter und stellte sich zwischen uns, wahrscheinlich aus Angst, dass wir uns gleich an die Gurgel gehen würden.
"Setzt euch! Beide!" Ihre Stimme klang fest und autoritär. Ich folgte ihrem Befehl, wie Remi und setzte mich auf das Sofa.

"Was ist nur in euch gefahren? Spinnt ihr jetzt vollkommen?" Meine Mutter klang besorgt und verärgert zugleich. Ihr Ton ließ uns beide verstummen, während wir sie unschuldig anblickten, ohne eine angemessene Antwort zu haben. Die Stille im Raum drückte das Unbehagen aus, das wir durch unsere Auseinandersetzung verursacht hatten.

„Warum muss er denn ständig zwischen mir und Keyla funken?"

"Ich mache doch gar nichts!", verteidigte ich mich, obwohl ich insgeheim wusste, dass Remi schon ein klein wenig recht hatte.

"Sie ist deine Freundin, Remi, aber das bedeutet nicht, dass Roi keinen Kontakt mehr zu ihr haben darf. Wir sind eine Familie", erklärte meine Mutter mit Nachdruck, während sie vor uns stand und uns abwechselnd ansah.

„Ach komm, Mama. Wir beide wissen, worum es ihm geht", dementierte Remi die Aussage. Ich hatte jedoch genug von dieser Diskussion, denn es war mein Leben, meine Entscheidungen und ich würde sie mir von niemandem nehmen lassen. Entschlossen verließ ich das Haus und obwohl mir bewusst war, dass ich bereits zu spät für die Arbeit war, rückte das in den Hintergrund. Ich lief schnurstracks geradeaus, klingelte bei den Flammings und stürmte an Izabell vorbei, nachdem sie mir freundlich die Tür geöffnet hatte. Die Treppe hinauf rennend, nahm ich immer zwei Stufen auf einmal und riss die Tür zu Keylas Zimmer auf. Sie drehte sich verdutzt herum, ich bückte mich und hob sie auf meine Schulter.

„Lass mich herunter, Roi"

A/n: Ich danke euch für 3k Reads❤️ bis Sonntag bin ich leider beschäftigt, aber am Montag kommt das nächste Kapitel, mal aus einer komplett neuen Sicht❤️

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt