beste Gesellschaft

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Keyla

Seit dem frühen Morgen hatte ich keine Zeit mehr gehabt, über Roi und seine Worte nachzudenken. Die Vorbereitungen auf den Sturm hatten mich vollständig in Anspruch genommen. Die Fenster wurden mit Holz verriegelt, mein Vater füllte Sandsäcke für die Haustür, meine Mutter kochte für drei Tage vor, damit wir auch ohne Strom essen konnten und ich half ihr dabei. Gerade als ich den Eintopf in eine weitere Brotdose füllte, läutete es plötzlich an der Haustür. Meine Mutter wandte sich belustigt zu mir herum, ihre Hände voller Mehl und ich unterbrach meine Aufgabe, um zur Tür zu gehen. Es war Remi.

„Können wir bitte kurz reden?"

"Ich muss ehrlich sein, Remi, heute ist wirklich nicht der beste Zeitpunkt. Ich hatte noch keine Sekunde Ruhe, also bezweifle ich, dass ich jetzt zwei Minuten für ein Gespräch habe", sagte ich, vielleicht etwas ausweichend, da ich gerade nicht wusste, wie ich mit Remi umgehen sollte. Es fühlte sich an, als hätte ich ihn auf mehreren Ebenen betrogen und dann kam der emotionale Schmerz hinzu, dass er meine Gefühle benutzt hatte, um Rache zu üben.

"Ich kann nicht die nächsten zwei Tage lang drüben sitzen und darüber nachdenken, dass ich keine Gelegenheit hatte, mit dir zu reden. Bitte, Keyla", flehte Remi. Ich stimmte dem Gespräch zu und bat ihn, in zwei Stunden wiederzukommen, denn bis dahin musste ich die Lebensmittel umfüllen, sie in den Kühlschrank stellen und mich um das Wasser für das Wohnzimmer kümmern. Nachdem wir größtenteils mit allem fertig waren, gönnte ich mir eine heiße Dusche, um meine Muskeln von all dem Stress zu entspannen. Als ich aus der Dusche stieg und meine Haare in ein kleines Handtuch wickelte, meinen Körper in ein weiteres einhüllte, verließ ich gedankenverloren das Badezimmer. Ich schlich über den Flur, da mein Vater es nicht mochte, wenn wir unbekleidet herumliefen, aber ich vergaß immer meine Kleidung. Als ich leise meine Zimmertür öffnete und sie vorsichtig hinter mir schloss, rutschte mein Herz plötzlich in die Hose - die ich nicht trug - und ich hätte beinahe mein Handtuch fallen lassen.

"Roi, was machst du hier?" schockiert presste ich mich gegen die Tür und war nur darauf bedacht, dass mein Handtuch an Ort und Stelle blieb.

„Unser Gespräch beenden", nicht, das ich wusste, dass er unhöflich und frech ist, aber das er mir entgegen grinst, statt sich wegzudrehen, zeigte mir, wer er war.

"Es tut mir leid, aber ich habe keine Zeit. Können wir das bitte auf morgen verschieben?" bat ich ihn, während ich mich langsam von der Tür löste, dennoch rührte ich mich nicht von der Stelle.

"Heute Nacht?" Sein Lächeln war Grund genug, um zuzusagen, doch die Worte meiner Mutter hielten mich auf, als sie an der Tür klopfte und mich darüber informierte, dass Remi da war.

"Ich komme sofort!", rief ich und sah, wie Roi gerade auf den Balkon ging. Schnell löste ich mich von der Tür und rannte ihm hinterher.

"Wirst du heute Nacht kommen?", fragte ich verzweifelt.

"Es scheint, als hättest du bereits beste Gesellschaft", sein Ton war verachtend. Roi war offensichtlich verärgert darüber, dass Remi hier war, also versuchte ich mich zu rechtfertigen.

"Er möchte nur reden und sich für seine Fehler entschuldigen"

"Ihr seit ein Paar, du musst mir also nichts erklären, Keyla", sagte Roi, kletterte über das Geländer und verschwand in der zunehmenden Dunkelheit. Enttäuscht über sein Verhalten seufzte ich, zog mich an und setzte mich zu Remi ins Wohnzimmer. Der Gedanke ließ mich nicht los, dass egal, wie sehr Roi und ich es versuchen würden, es immer so zwischen uns bleiben würde. Wir harmonierten nicht miteinander, auch wenn wir es wollten. Das gab mir erneut den Anlass, Abstand nehmen zu müssen. Denn auf Dauer würde es für einen von uns oder sogar für beide, schmerzhaft werden, besonders wenn die Gefühle sich verstärken oder fest verankern würden. Ich wollte das nicht, auch weil ich das Gefühl hatte, etwas hätte sich zwischen uns verändert. Aber wie konnte ich glauben, dass es für immer so sein würde? Roi und ich waren kompliziert. Es könnte niemals ein Wir geben, denn die Welt schien gegen uns zu sein. Obwohl ich gerne alles hergeben würde, die Beziehung mit Remi beenden und mich mit Roi in jedes Abenteuer stürzen würde, glaubte ich nicht, dass diese Zukunft für uns existierte. Es war ein nervenaufreibendes Auf und Ab meiner Gefühle, was für Außenstehende sicherlich nervig war.

„Keyla? Hörst du mir zu?" Remi unterbrach meine Gedanken und lenkte somit meine Aufmerksamkeit auf ihn.

„Entschuldige. Ich war in Gedanken. Der Sturm bereitet mir Sorge"

"Ich kann bei dir bleiben, wenn du Angst hast", sagte Remi und griff nach meiner Hand, drückte sie liebevoll. Doch ich musste seinen Vorschlag ablehnen.

„Es ist lieb von dir, aber deine Mutter braucht dich"

"Keyla, es tut mir so leid, was ich getan habe. Ich habe nicht darüber nachgedacht, wie du dich fühlen musst, wenn die Wahrheit herauskommt. Ich war dumm zu glauben, es würde dich an mich binden", sagte er schuldbewusst und senkte seinen Kopf, betrachtete stattdessen unsere Füße.

„Ich kann nicht sagen, dass es schon okay ist, denn es hat mich wirklich verletzt, aber wir waren beste Freunde und das will ich nicht verlieren, Remi"

"Vergibst du mir, bitte?" Endlich sah er mich direkt an, und ich bemerkte, wie ehrlich seine Worte waren, weshalb ich vorsichtig nickte. Doch dass er plötzlich seine Lippen auf meine legen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Völlig überrumpelt waren meine Augen aufgerissen und ich konnte den Kuss nicht, wie erwartet, erwidern - was ich auch nicht musste, denn wir wurden unterbrochen.

Valentina stürmte ins Haus, direkt auf mich zu und redete auf mich ein.

"Keyla, ich brauche deine Hilfe. Roi will Paris verlassen, obwohl die ersten Wolken aufziehen. Er hört nicht auf mich, aber du hast ihm immer gut zureden können. Bitte, sprich mit ihm."

Sofort sprang ich auf und war bereit, Roi zu überreden, heute nicht zu gehen, denn er würde mitten ins Auge des Sturms geraten. Meine Sorge und das schlechte Gewissen wuchsen ins Unendliche.

"Keyla, Roi ist bereits erwachsen. Du musst ihn nicht darum bitten, zu bleiben. Bleib bei mir und lass ihn gehen", sagte Remi, als er meinen Arm ergriff und mich intensiv ansah. Hatte er wirklich ernsthaft darum gebeten, seinen Bruder gehen zu lassen, obwohl ein schweres Unwetter bevorstand?

"Er ist dein Bruder, Remi. Ein Teil unserer Familie. Wie kannst du mich nur darum bitten?"

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt