Straßenfest

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Keyla

„Guten Morgen, Sweetheart", die Sonne und der Duft nach Bacon kitzelten meine Nase, weshalb ich widerwillig die Augen aufschlug. Neben mir hockte ein fröhlicher Remi, mit einem Frühstück in seinen Händen. Ich setzte mich auf, lehnte mich an die Rückwand des Bettes und nahm den herrlich duftenden Teller entgegen. Selbstverständlich bedankte ich mich dafür. Sofort verfiel ich dem Essen, wodurch uns eine angenehme Stille umgab, die mich nicht weiter störte.

„Jetzt ab mit dir! In zwei Stunden treffen wir uns mit Zoe und ich glaube kaum, dass du in deinem Pyjama da auftauchen willst" Remi nahm mir den leeren Teller ab und erst dann fiel mir auf, dass er bereits fertig angezogen war.

„Wie spät ist es?", erschrocken suchte ich nach meinem Handy, um festzustellen, dass ich es nicht dabeihatte. Remi lachte auf und sagte mir, dass es bereits elf Uhr war. Die Vorbereitungen waren bereits im vollen Gange, denn um dreizehn Uhr würde der Startschuss ertönen und das Fest beginnen. Ich hievte mich eilig aus dem Bett, gab meinem besten Freund einen Kuss auf die Wange und stürmte aus dem Haus. Allein für meine dicken dunklen Haare bräuchte ich eine halbe Stunde.

Um kurz vor eins hatte ich es geschafft und war endlich komplett fertig mit meiner Kleidung, meinen Haaren und Make-up. Ein letztes Mal drehte ich mich um meine eigene Achse und betrachtete mein Sommerkleid im Spiegel. Es mag etwas kurz wirken, doch es gefiel mir, wie es meine Taille umschmeichelte und meine langen Beine elegant zur Geltung brachte. Schnell schlüpfte ich in meine Sneaker, nahm meinen Rucksack von der Garderobe und verschwand aus dem Haus. Die verschiedenen süßlichen Düfte kamen mir entgegen und die gute Laune von der Straße färbte sofort auf mich ab. Mein Grinsen reichte von einem Ohr bis hinüber zum anderen. Bevor ich also die kleine Querstraße überquerte und mit Remi nach Zoe lief, musste ich unsere Nachbarin von nebenan begrüßen. Ihre Macarons waren die besten im gesamten Frankreich, was mir niemand glaubte. Roi und Remi mochten sie nicht, meine Mom bevorzugt ihre eigenen Gebäcke und die anderen ebenfalls die meiner Mom. Ich hingegen war viel zu egoistisch, um nur dem Gebäck meiner Mutter treu zu bleiben, aber darum wussten die anderen und es störte sie nicht.

„Bonjour, Keyla", mein Blick löste sich von den pastelligen Farben.

„Bonjour", unsere Nachbarin reichte mir eine kleine Gebäcktüte.

„Dieses Jahr habe ich eine neue Sorte ausprobiert. Sie wird dir gefallen, Keyla"

„Merci", ein Küsschen links, ein Küsschen rechts.

„Da bist du ja. Ich warte schon eine Ewigkeit auf dich", Remi umarmte mich von hinten. Seine Hände fest dabei um meine Taille geschlungen. Seit den letzten Tagen hatte sich etwas zwischen uns verändert und ich würde lügen, wenn ich sage, ich habe es nicht bemerkt. Aber dieses erhoffte prickeln, wie aus den Liebesfilmen, das fehlte mir. Er war mein bester Freund und würde es hoffentlich für immer bleiben. Nur für die Vermutung, dass da zwischen uns etwas wäre, würde ich es nicht hergeben wollen.

„Wollen wir los?", hauchte er dicht an meinem Ohr und wieder fehlte mir dieses Kribbeln. Verspürte er etwas anderes?

„Keyla, magst du mir noch einen Gefallen tun?", hörte ich meine Nachbarin, bevor ich auf seine Frage antworten konnte. Selbstverständlich nickte ich, denn sie bot mir die Chance aus der Situation herauszukommen und hatte mir eben etwas Süßes geschenkt.

„Unten bei uns im Keller sind noch die Getränkekisten und die Kartons vom letzten Jahr mit den restlichen Tüten und Tellern. Magst du sie mir hochbringen?"

„Aber natürlich", ich wandte mich an Remi.
„Würdest du schon zu Zoe gehen und ihr sagen, dass ich später komme? Wir treffen uns dann gleich an der Hüpfburg"

„Ich kann dir auch helfen, Sweetheart", mittlerweile hatte er sich von mir gelöst und stand seitlich neben mir. Sein Angebot war freundlich, allerdings wollte ich weder ihn noch Zoe aufhalten, weshalb ich ihn fortschickte. Zum Abschied gab er mir noch einen Kuss auf die Wange. Ich lief zwischen den Reihenhäusern, wo sich an der Hausseite die Metalltreppe hinunter in den Keller befand. Mit einem mulmigen Gefühl ging ich diese hinunter, denn schon als Kind fand ich es mehr als gruselig in diesem unterirdischen Räumen. Auch wenn ich fast erwachsen war, erinnerte ich mich an die dunklen Gemäuer und den feuchten Geruch, der einem immer in die Nase stieg. Die Tür zur Freiheit ließ ich absichtlich offen, damit ich schnell rein und wieder heraus konnte.

„Was machst du hier?", panisch drehte ich mich um, fasste mir an mein rasendes Herz und schreckte zurück.
„Keine Angst. Ich bin es nur, Kröte"

„Boa, hast du mich erschrocken", ich atmete hörbar aus, denn die Panik wich langsam von mir. Roi kam aus der Dunkelheit mit einer Getränkekiste.

„Ich soll dir wohl helfen", beantwortete ich seine erste Frage, die ich vor Schreck nicht realisiert hatte. Roi nickte, dann machte sich jeder an seine Kisten, schleppte diese hinauf und stellte sie draußen vor dem Eingang. Unser Motto war, erstmal alles heraus und dann zum Stand bringen. Letztendlich suchte ich den Karton vom letzten Jahr, wo sich die Teller drinnen befanden, während Roi die ersten Kisten zum Stand schleppte. Im Hauptraum fand ich mein gesuchtes nicht, wollte deswegen in den Nebenraum, wo ich mehrfach den Lichtschalter betätigte. Nichts. Genervt drückte ich nochmal kräftiger zu, doch der Raum blieb ohne Licht. Ich holte mein Handy hervor, um festzustellen, dass der Akku leer war. Wohl oder übel musste ich Roi um Hilfe bitten, denn ich bezweifelte, dass er mir sein Handy überlassen würde.

„Mach aber schnell, ich bin noch verabredet", angepisst von seiner Art, verdrehte ich meine Augen, aber hielt mich verbal zurück. Immerhin befanden wir uns in einem Keller und ich würde es ihm zutrauen, dass er mich hier zurücklassen würde. Roi schaltete das Licht seines Handys an, leuchtete in den Raum hinein, wo ich Kiste für Kiste untersuchte.

„Hast du das gehört?", meine Ohren hatten ein Geräusch vernommen. Meine Härchen stellten sich panisch auf, während meine Augen den Fokus auf allem Möglichen legten.

„Nein. Jetzt mach schon. Mein Akku ist auch gleich leer", er wiederholte meine Art, wenn ich genervt war indem er die Augen verdrehte. Bei den letzten Kisten in diesem Raum, fand ich endlich, wonach ich suchte. Mit ihr im Schlepptau trottete ich Roi hinterher, der plötzlich vor einem verschlossenen Ausgang stand.

„Warum hast du sie zugemacht?", warf ich ihm überfordert vor, obwohl ich wusste, dass es nicht seine Schuld war. Selbst wenn die Metalltür vom Wind geschlossen wurde, war sie noch zu öffnen. Aber jegliche Hoffnung wurde mir genommen, als er die Türklinke betätigte und sich nichts tat.

„Sie ist abgeschlossen"

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt