halbe Wahrheit

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Keyla

„Wer ist dieser Mann?" Die Frage kam mir schwer über die Lippen, aber sie musste gestellt werden. Ich sah sofort, wie die Haltung und Blicke meiner Eltern sich veränderten. Sie hatten wirklich etwas zu verbergen, aber würden sie mir die Wahrheit sagen?

„Das war mein Bruder", begann mein Vater zögernd. „Er ist vor vielen Jahren gestorben, da warst du ungefähr sechs Jahre alt."

Sofort überkam mich ein schlechtes Gewissen. Dieser Mann war mein Onkel und ich hatte unwissentlich den Verlust meines Vaters unter die Nase gerieben, nur weil ich neugierig war.

„Es tut mir leid," flüsterte ich, unfähig, meinen Blick von dem Foto abzuwenden. „Ich wusste es nicht."

„Du konntest es nicht wissen," sagte meine Mutter sanft und legte ihre Hand auf meine Schulter.

„Warum habt ihr mir nie von ihm erzählt?" Die Last auf meinen Schultern fühlte sich erdrückend an.

„Es war einfach zu schmerzhaft, aber jetzt, wo du es weißt, können wir das Thema endgültig abschließen" Mein Vater seufzte tief. Ich nickte langsam, noch immer überwältigt von der plötzlichen Enthüllung und doch blieb ein Gefühl in mir zurück.

„Was ist mit ihm passiert?"

„Keyla, respektiere bitte, dass ich nicht darüber reden mag. Er war ein großartiger Mann, aber er geriet in Schwierigkeiten. Mehr kann ich dir dazu nicht sagen" Mein Vater sah mich an, seine Augen voller Trauer, aber auch ein Hauch an Schock. Ich bohrte zu tief in der Vergangenheit und fühlte mich dazu nicht im Recht, obwohl dieser Mann mein Onkel und der Mann aus meinen Träumen war. Es ergab keinen Sinn, warum suchte er mich heim? Weil ich seine Nichte war! Das klang absurd.

Es war viel zu verarbeiten und ich spürte, wie eine Flut von Emotionen in mir aufstieg. Aber gleichzeitig war da auch ein Funken des Verstehens und der Verbindung, die ich noch nie zuvor gespürt hatte.

„Ich möchte mehr über ihn wissen", sagte ich schließlich. „Ich möchte verstehen, wer er war."

„Du hast da kein Recht zu, Keyla. Du kennst diesen Mann nicht", sagte meine Mutter scharf. Meine Eltern tauschten einen kurzen, verständnisvollen Blick und nickten. „Wir müssen zurück zur Arbeit, und du solltest das Wohnzimmer aufräumen."

Wie eine gute Tochter stimmte ich meinen Eltern zu, räumte meine Tasse weg und ging zurück ins Wohnzimmer, wo meine beste Freundin wartete.

„Und? Wie war's?", fragte Zoe neugierig.

„Er ist mein Onkel", klärte ich sie auf und ließ mich neben ihr auf das Sofa sinken. Die Worte fühlten sich immer noch fremd auf meiner Zunge an.

„Wow", sagte sie leise, „das ist... heftig. Wie fühlst du dich?"

Ich atmete tief durch, bevor ich antwortete. „Ehrlich gesagt, bin ich total überfordert. Meine Eltern haben ihn mir all die Jahre verschwiegen und jetzt frage ich mich, warum. Was könnte so schlimm gewesen sein, dass sie mir nie davon erzählt haben?"

„Es ist wirklich eigenartig, aber sei ihnen nicht Böse. Vielleicht versuchen sie etwas aus ihrer Vergangenheit zu schützen, wie Roi" Zoe legte eine Hand auf meine Schulter.

„Vielleicht", stimmte ich zu. „Aber jetzt will ich alles wissen. Wer er wirklich war, was ihm zugestoßen ist... alles."

„Und was wirst du tun?", fragte Zoe.

„Ich werde nachforschen. Meine Eltern haben mir nur das Nötigste erzählt. Aber ich werde nicht ruhen, bis ich die ganze Wahrheit herausgefunden habe."

„Ich bin bei dir, egal was kommt", sagte Zoe und nickte unterstützend. Nachdem wir das Chaos beseitigt hatten, verabschiedeten wir uns, und ich machte mich auf den Weg, um für meinen Freund und mich Pizza zu besorgen. Obwohl ich kaum Zeit hatte, an ihn zu denken, vermisste ich ihn wahnsinnig. War es wirklich möglich, jemanden so stark zu vermissen, nur weil er arbeiten war? Und war es möglich, obwohl man sein halbes Leben ohne diese Person zurechtgekommen ist?

Als ich die Pizzeria erreichte, bestellte ich unsere Lieblingspizzen und wartete, während die Düfte von frisch gebackenem Teig und geschmolzenem Käse die Luft erfüllten. Mein Handy vibrierte in meiner Tasche, und ich zog es hervor, um eine Nachricht von Roi zu sehen.

Roi         [16:41]: Bin gleich zu Hause. Kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen. Ich liebe dich

Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich tippte schnell eine Antwort zurück.

Keyla      [16:41]: Pizza ist gleich fertig! Ich liebe dich

Nachdem ich die Pizzen abgeholt hatte, machte ich mich auf den Rückweg. Die Gedanken an meinen Onkel und die ungelösten Fragen in meiner Familie schoben sich in den Hintergrund, als ich daran dachte, wie Roi und ich den Abend zusammen verbringen würden. Egal, wie chaotisch das Leben manchmal sein konnte, in seinen Armen fand ich immer Frieden.

Geduldig hatte Roi vor meiner Haustür gewartet und schlang sofort seine Arme um mich, als er mich sah. Seine Lippen legten sich liebevoll auf meine.

„Ich hätte es keine weitere Sekunde ohne dich ausgehalten," sagte er und atmete schwer. Wir gingen in mein Zimmer, wo ich einen Film aussuchen durfte und wir uns dem Duft der köstlichen Pizza hingaben.

„Bleibst du heute Nacht?", fragte ich, als ich vom Bad zurückkam.

„Als würde mich jemand aufhalten können," antwortete Roi, sprang aus dem Bett, kam auf mich zu und küsste mich leidenschaftlich. Schwer atmend löste ich mich von ihm und spürte die pure Erregung. Ich wollte ihn spüren, auf meiner Haut, auf meinen Lippen und in mir drin.

„Warum schmeißt du mich nicht aufs Bett und machst mit mir, was du willst" Ich nahm seine Lippen zwischen meinen Zähnen und zog sanft an ihnen. Roi entwich ein Keuchen.

„Deine Eltern sind nebenan"

„Sie sind nicht zu Hause, Rii", rief ich überrascht, bevor ich erschrocken aufschrie, als Roi mich plötzlich packte und aufs Bett warf.

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt