Was bisher geschah

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Roi

Drei Monate erschienen mir wie eine Ewigkeit. Die Tage zogen sich endlos hin, und jede Stunde dehnte sich ins Unermessliche. Abends scrollte ich oft durch die Nachrichten, die Keyla mir schickte, und betrachtete die Fotos, die sie aus Paris sendete. Es fühlte sich an, als wäre ein Teil von mir so weit weg, dass ich mich manchmal unvollständig fühlte.

Doch der Alltag hier in Afrika forderte mich. Anfangs fiel es mir schwer, mich auf meine Aufgaben zu konzentrieren, da meine Gedanken ständig bei ihr waren. Nichts konnte das Loch füllen, das ihre Abwesenheit hinterlassen hatte.

Eines Abends, als ich gerade meine Kleidung waschen wollte, klingelte mein Handy. Es war ein Videoanruf von Keyla. Ich nahm ihn sofort an, und ihr strahlendes Gesicht erschien auf meinem Bildschirm.

„Hey, Kröte", sagte ich.

„Hey, Riii", antwortete sie, und allein der Klang ihrer Stimme ließ mein Herz schneller schlagen. „Wie läuft es bei dir?"

„Es ist unglaublich hier. Die Arbeit ist intensiv, aber auch sehr erfüllend. Ich habe so viel gelernt und viele neue Erfahrungen gemacht. Aber ich vermisse dich schrecklich."

„Ich vermisse dich auch", sagte sie leise, Tränen trübten ihren Blick. „Aber ich bin so stolz auf dich."

„Danke, Keyla. Das bedeutet mir viel." Ich seufzte und fuhr mir durch die Haare. „Die Zeit vergeht schnell, aber ich kann es kaum erwarten, wieder bei dir zu sein."

Wir redeten noch eine Weile weiter, tauschten Neuigkeiten aus und lachten über kleine Dinge, bis es Zeit war, sich zu verabschieden. Nachdem wir aufgelegt hatten, fühlte ich mich etwas leichter. Die Tage würden weiterhin langsam vergehen, aber ich wusste, dass unsere Liebe stark genug war, um diese Zeit zu überstehen.

Drei Monate schienen lang, aber ich wusste, dass das Wiedersehen umso schöner sein würde.

Doch aus drei Monaten wurden drei Jahre. Die Zeit verging langsamer, als ich es mir jemals hätte vorstellen können. Was als kurze Trennung für persönliche und berufliche Entwicklung begann, wurde zu einer langen Phase der Distanz. Es gab Tage, an denen ich dachte, diese Trennung würde nie enden.

Zuerst wollte mein Chef einen Monat länger bleiben, dann doch ein halbes Jahr. Keyla und ich hielten so gut es ging den Kontakt, doch auch dieser wurde seltener, bis er schließlich ganz abbrach. Bis heute, bis zu meiner Rückkehr, habe ich nicht verstanden, warum sie sich von mir distanziert hatte. Der Schmerz hatte mich so sehr geblendet, dass ich am Ende hier blieb. Hatte ich sie verlassen, oder sie mich? Ich wusste es nicht.

An einem kühlen Herbsttag, als die Blätter von den Bäumen fielen und die Welt in goldenen Farben erstrahlte, stieg ich aus dem Taxi. Zurück zu Hause. Es war Remi, der mich bat, endlich nach Hause zu kommen, weil irgendetwas mit Keyla war. Die Frage, ob ich ihretwegen zurückkehren würde, stellte sich nicht, denn ich würde für sie jederzeit alles stehen und liegen lassen. Hätte mich der Schmerz nicht gelähmt, hätte ich es früher getan.

Die Straßen meiner Heimatstadt waren vertraut und fremd zugleich. Drei Jahre waren vergangen, seit ich sie verlassen hatte, um in Afrika zu arbeiten. Die Zeit hatte uns verändert und auseinandergebracht. Es war schwer, das Zuhause, das ich in meinem Herzen trug, mit der Realität zu vereinen. Meine Erinnerungen an Keyla waren lebendig und schmerzhaft; jede Straße und jeder Baum schien uns zu rufen.

Keyla

Drei Monate schienen eine lange Zeit zu sein, denn nicht nur Roi war weg, sondern auch mein Bauch wuchs und es wurde immer schwerer, es zu verbergen. Anfangs dachte ich, ich könnte die Situation allein bewältigen. Doch als ich die ersten Tritte spürte, wurde mir klar, dass ich nicht mehr allein entscheiden konnte. Die ersten Monate waren von ständiger Angst und Unsicherheit geprägt. Ich wusste nicht, wie ich es Roi sagen sollte, geschweige denn, wie er reagieren würde. Insgeheim hoffte ich, dass er zurückkäme, wenn er es erfuhr, aber die Angst, dass er mir oder dem Baby Vorwürfe machen könnte, war zu groß. Ich wollte, dass er seinen Traum lebt, ohne sich gebunden zu fühlen, und entschied mich daher, es ihm zu verschweigen.

Eines Abends, als ich auf dem Bett saß und die leisen Bewegungen des Babys in meinem Bauch spürte, beschloss ich, dass es an der Zeit war, jemanden einzuweihen. Ich rief meine beste Freundin Zoe an und bat sie, vorbeizukommen. Sie war die Erste, der ich es erzählte. Ihr Gesichtsausdruck wechselte von Überraschung zu Mitgefühl und schließlich zu Entschlossenheit.

„Du wirst das nicht allein durchstehen müssen, Keyla", sagte sie und nahm meine Hand. „Wir werden es gemeinsam schaffen."

Mit Zoes Unterstützung wagte ich es schließlich, meiner Familie die Wahrheit zu sagen. Ihre Reaktionen waren gemischt, aber letztendlich standen sie hinter mir. Meine Mutter war eine unglaubliche Hilfe und unterstützte mich in den schwierigen ersten Monaten. Doch immer blieb die Frage: Was würde Roi sagen, wenn er zurückkäme?

Doch er kam nicht zurück. Er verlängerte seinen Aufenthalt in Afrika immer wieder. Irgendwann konnte ich es nicht mehr ertragen und ich distanzierte mich unbewusst von ihm. Ich fühlte mich wie ein Klotz an seinem Bein, der ihn in dieser Situation nicht glücklich machen konnte, also ließ ich ihn los.

Dann, eines Herbsttages, drei Jahre nachdem Roi gegangen war, erhielt ich eine Nachricht von Remi. Er sagte, Roi käme nach Hause. Mein Herz schlug schneller, als ich die Nachricht las. Wie würde ich ihm erklären, dass er Vater war? Würde er wütend sein? Enttäuscht? Oder sich freuen?

Und was war mit dem bevorstehenden Umzug nach London?

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt