Gastfreundschaft

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Keyla

„Wo fahren wir hin, Roi?", wollte ich von ihm wissen, nachdem er das kurze Telefonat beendet und sein Handy ausgeschaltet hatte. Zu meinem Bedauern weigerte er sich, meiner besorgten Mutter, die dieses Durcheinander mitbekommen hatte und auch Remi, über mein Wohlergehen zu informieren.

„Es ist eine Überraschung" Roi lenkte das Auto elegant auf die Hauptstraße und drückte auf das Gaspedal. In Höchstgeschwindigkeit fuhren wir aus Paris heraus, wohin, wusste ich nicht. Die gesamte Fahrt herüber blieb es still im Auto, einzig und allein die Musik erfüllte diesen kleinen Raum und sorgte für eine angenehme Atmosphäre.

Die Landschaft zog vorbei, ein wechselndes Panorama aus grünen Feldern, sanften Hügeln und vereinzelten Dörfern. Roi schwieg beharrlich und ich wagte es nicht, ihn zu unterbrechen. Stattdessen lehnte ich mich zurück und ließ meine Gedanken schweifen.
Was für eine Überraschung mochte mich erwarten? Und warum diese Geheimniskrämerei?

Schließlich verlangsamte Roi das Tempo und bog auf eine schmale Landstraße ab. Die Umgebung wurde ländlicher, die Gebäude seltener. Ich spürte eine gewisse Aufregung in mir aufkeimen, als wir in eine idyllische kleine Stadt außerhalb von Paris einfuhren. Der Geruch von frisch gemähtem Gras und Blumen lag in der Luft.

"Wir sind da", sagte Roi schließlich und parkte das Auto vor einem malerischen Bed & Breakfast. Ich spürte, wie meine Neugierde ins Unermessliche stieg.

Kaum waren wir ausgestiegen, kam ein Mann, den ich auf Ende dreißig schätzte, auf uns zu, umarmte Roi freundlich und begann sofort, sich mit ihm zu unterhalten, als würden sie sich auf den neuesten Stand bringen. Dann richtete er seinen Blick auf mich.
"Du musst Keyla sein. Ich habe schon viel von dir gehört", sagte er mit einem warmen Lächeln. Seine Augen strahlten eine freundliche Offenheit aus, die mir sofort ein Gefühl der Vertrautheit vermittelten.

„Ich hoffe doch, nur Gutes", erwiderte ich sein Lächeln.

"Kommt erstmal herein. Meine Frau bereitet gerade das Frühstück für uns vor", lud er uns ein und führte uns ins Haus. Ich folgte ihm, gespannt darauf, wer uns noch erwarten würde. Das Bed & Breakfast strahlte eine gemütliche Atmosphäre aus, welche jeden Gast sofort willkommen hieß. Beim Betreten fiel der Blick auf einen einladenden Empfangsbereich mit rustikalen Holzmöbeln und warmen Farbtönen, die Behaglichkeit vermittelten. Ein knisterndes Feuer im Kamin sorgte für wohlige Wärme, während sanfte Musik leise im Hintergrund spielte. Durch die offene Tür gelangte man in den Frühstücksraum, wo mehrere große Esstische mit weißer Tischdecke und frischen Blumen liebevoll gedeckt waren. Die Wände waren dezent mit Kunstwerken und Fotografien geschmückt, die die Schönheit der umliegenden Landschaft einfingen. Roi und ich setzten uns an einen der liebevoll gedeckten Tische und kurz darauf gesellten sich die Frau und ihr Mann zu uns. Ihre freundlichen Gesichter strahlten eine herzliche Gastfreundschaft aus, während sie uns begrüßten und sich mit uns unterhielten. Die Frau präsentierte stolz das Frühstück, das sie für uns vorbereitet hatte und lud uns ein, uns zu bedienen.

Die Frage, die mir seit unserer Ankunft auf der Zunge lag, platzte nun aus mir heraus: "Woher kennen Sie und Roi sich?"

Der Mann, dessen Namen ich immer noch nicht kannte, tauschte einen Blick mit Roi aus, bevor er antwortete: „Roi und ich haben uns damals in der Schweiz kennengelernt und seitdem Kontakt gehalten" Seine Antwort war knapp, aber es lag eine gewisse Ernsthaftigkeit in seiner Stimme, die zeigte, dass ihre Verbindung tiefer ging als nur eine flüchtige Bekanntschaft.

"Roi hat Léon damals das Leben gerettet", fügte seine Frau hinzu. Erstaunt über ihre Worte, sah ich zu Roi, der neben mir saß und mit den Augen zu rollen schien.

"Ich habe ihn nur darauf hingewiesen, dass sein Karabinerhaken nicht richtig verschlossen ist", sagte Roi bescheiden. Seine Worte zeigten, dass er keine Aufmerksamkeit für seine Tat suchte, sondern einfach das Richtige getan hatte, als es darauf ankam. Während wir gemeinsam zu Ende frühstückten, tauschten wir Geschichten und Erinnerungen aus und ich spürte ein warmes, wohliges Gefühl in meiner Brust.

„Meine Frau hat ein Zimmer für euch vorbereiten lassen, damit ihr euch in Ruhe umziehen könnt. Außerdem habe ich euch passende Kleidung herausgesucht", sagte Léon und lächelte freundlich, nachdem er uns die Schlüssel überreicht hatte. Roi führte uns durch die schmalen Gänge, bis er an einer Tür innehielt und sie aufschloss. Die Tür öffnete sich, und ich betrat das Zimmer, das für uns vorbereitet worden war, unwissend, wofür ich mich umziehen musste. Das kleine Zimmer strahlte eine rustikale Eleganz aus, mit komfortablen Betten, weichen Decken und liebevollen Details wie handgefertigten Dekorationen und antiken Möbelstücken. Jedes Zimmer hatte sein eigenes Badezimmer, das mit duftenden Pflegeprodukten und flauschigen Handtüchern ausgestattet war.

"Ich überlasse dir das Bad" Roi überreichte mir die Sportkleidung, bevor er sich zurückzog. Überraschenderweise passte sie perfekt und ich fühlte mich bereit für das Abenteuer, das uns bevorstand. Startklar standen wir draußen und warteten darauf, dass Léon sich zu uns gesellte. Es war merkwürdig, dass Roi und ich noch nicht wirklich Worte ausgetauscht hatten. In der Stille lag eine gewisse Spannung.

„Woher kannte er meinen Namen?", entschlossen ein Gespräch mit ihm zu beginnen.

"Ja, das habe ich mich auch gefragt" Roi lächelte leicht. "Léon hat eine bemerkenswerte Art, sich an Namen zu erinnern. Ich denke, er hat ein gutes Gedächtnis für solche Dinge" Seine Antwort war ruhig und gelassen.

„Seid ihr bereit?", erkundigte sich der gut gelaunte Léon, gepackt mit einem Rucksack. Roi und ich stimmten zu.

„Perfekt. Es sind gute 5 Kilometer bis zur Erhöhung", informierte er uns, lief voraus und führte uns somit den Weg, wohin auch immer.

Wir liefen über die Landwege, die sich malerisch durch grüne Felder und dichte Wälder schlängelten. Die Sonne brach durch die Baumgipfel, während Vögel ihre Lieder trällerten und eine sanfte Brise durch die Blätter wehte. Léon führte uns sicher entlang der Pfade, die sich mal leicht aufsteigend, mal abfallend durch die Landschaft schlängelten. Roi folgte seinem energischen Tempo, während ich teilweise Schwierigkeiten hatte, Schritt zu halten. Ab und zu tauschten wir Blicke aus, die eine Mischung aus Entschlossenheit und Ermutigung ausdrückten. Trotz der Herausforderungen genossen ich die Schönheit der Landschaft, während wir uns dem Ziel näherten.

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt