Offenheit

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Roi

Die Worte „Lass mich dich küssen" lagen mir auf der Zunge, nachdem sie mich ermutigt hatte, frei zu sein. Doch bevor ich sie aussprechen konnte, kam der Kellner endlich mit ihrem Burger und zerstörte diesen perfekten Moment zwischen uns. Als ich den Käse entdeckte, der erneut auf ihrem Burger war, obwohl sie ihn bereits zurückgeschickt hatte, erinnerte ich mich daran, wie Keyla schon als kleines Kind jegliche Form von Käse gemieden hatte, sogar auf einer Pizza. Ich hatte es nie ganz verstanden, denn für mich galt immer: je mehr Käse, desto besser. Aber zum Glück muss ich sagen, dass sie ihn mittlerweile in geringen Mengen akzeptierte.

„Schon gut", hörte ich Keyla zwischen meinen Gedanken sagen, aber nichts war gut. Plötzlich stand ich auf, sodass sogar der Stuhl umkippte, packte den Kellner am Kragen und zog ihn dicht an mich heran. Der Kellner zuckte vor Überraschung zurück. Die anderen Gäste im Bistro warfen uns neugierige Blicke zu, während ich mit geballten Fäusten und einem finsteren Blick den Kellner anstarrte.

„Du gehst jetzt in die Küche und bestellst einen neuen Burger, der innerhalb von fünf Minuten an unserem Tisch ist. Verstanden?" Ich ließ den Mann hektisch nickend los und er eilte davon, um den Teller zu ersetzen.

„Das war doch nicht nötig. Ich hätte den Käse herunter gekratzt", sagte Keyla sanft, während sie versuchte, die Spannung zu lösen. Ich erwiderte nichts darauf, sondern nahm einen Schluck von meinem Getränk, um das pulsierende Blut in meinen Adern zu bändigen.

"Danke, nicht nur für eben, sondern auch für die Nacht, in der du mir geholfen hast", überrascht von ihren Worten, da ich mit einer Ermahnung gerechnet hatte, stellte ich mein Glas ab und widmete mich ihren Worten.

"Das habe ich bisher niemandem erzählt, aber diese Träume machen mir Angst. Glaubst du, es ist eine Sehnsucht, wie vor unserem Sprung?", mein Herz machte einen kleinen Sprung, da ich ihr erster Vertrauter war und es erfüllte mich mit unglaublichem Stolz.

"Ich denke, Träume funktionieren anders. Sie spiegeln unsere tatsächlichen Ängste wider"

„Aber dieser Mann... Ich kenne ihn nicht", ihre Lippe bebte, denn diese Worte fielen ihr unglaublich schwer und bevor sie es genauer erläutern konnte, wurde ihr Essen serviert.

„Ihr Essen geht heute aufs Haus. Mit freundlichen Grüßen vom Koch", verkündigte der Kellner, ohne uns seines Blickes zu würdigen und verschwand sofort nach seinen Worten. Keyla widmete sich sofort ihrem Burger, denn diese immense Geduld die sie dafür aufbringen musste, hatte sie nur noch hungriger gemacht. Ein Lächeln spielte auf meinen Lippen, als ich begann, meinen kalten Burger und ihre Anwesenheit zu genießen, aber die Worte in meinem Kopf wirbelten durcheinander. Wer war der Mann, von dem sie sprach?

"Vielleicht kennst du ihn ja irgendwie?", fragte die Neugierde in mir, begleitet von dem starken Wunsch, ihr helfen zu wollen. Keyla schüttelte langsam den Kopf, während sie weiter an ihrem Burger kaute. "Nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihn nicht kenne", antwortete sie schließlich. Doch ihre Augen verrieten eine Spur von Unsicherheit.

„Zumindest erinnere ich mich nicht daran" Ich nickte stumm. Eine unruhige Ungewissheit ergriff mich, da ich nicht wusste, wie ich ihr helfen konnte. Schließlich tat ich das einzig Richtige: „Du kannst dich jederzeit bei mir melden, wenn die Albträume zurückkommen"

"Danke, Roi", sagte Keyla und lächelte leicht. Wir beendeten unsere Burger und verließen das Bistro. Trotz des wunderbaren Ausblicks würde ich diesen Ort nie wieder besuchen, wegen des schlechten Services. Schweigend gingen wir nebeneinander her, gefangen in unseren Gedanken, zurück zum Auto und machten uns auf den Heimweg.

Auf dem Rückweg erinnerte ich mich daran, warum ich Keyla überhaupt entführt hatte - um ihr die Wahrheit über die Karten und meinen Bruder zu sagen. Doch ich beschloss, die Wahrheit für mich zu behalten. Einerseits wollte ich diesen schönen Tag nicht ruinieren, andererseits wollte ich sie nach den intensiven Gesprächen nicht noch mehr aufwühlen.
Entschlossen, die Stimmung nicht zu trüben, schwieg ich beharrlich über meine ursprünglichen Absichten. Keyla schien in ihre eigenen Gedanken vertieft zu sein. Fast zu Hause angekommen, spürte ich, wie die Erinnerung an den Tag wie Schatten über uns lagen und der Wunsch aufkam, es könnte immer so einfach sein.

Sie.

Ich.

Nur wir beide in einem unendlichen Universum.

„Roi?" Es war Keyla, die den Mut fand, die Stille zu durchbrechen. Ich hielt den Wagen an und parkte am Straßenrand. Als ich zu ihr hinüberblickte, verlor ich mich in ihren unglaublich schönen Augen. Keylas Augen waren wie zwei strahlend blaue Saphire, lebhaft und klar. Sie schienen mit jedem Blick eine Geschichte zu erzählen und ihr Glanz war so fesselnd, dass ich mich kaum davon lösen konnte. In ihnen lag eine unbeschreibliche Tiefe und ein Hauch von Geheimnis, der mich immer wieder in ihren Bann zog. Während ich mich in ihren Augen verloren hatte, wurde mir mit einem plötzlichen Schauer klar, dass sich etwas in mir verändert hatte. Jeder Blick, jede Berührung schien eine tiefere Bedeutung zu haben und mein Herz begann schneller zu schlagen, wenn ich in ihrer Nähe war. Es war, als ob die Welt um mich herum verblassen würde und nur sie blieb in meinem Fokus zurück – ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass ich Gefühle für sie empfand.

„Wünschst du dir auch, dass dieser Tag nie enden würde?", wie sehr ich auch darauf gehofft hätte, mit einem klaren Ja zu antworten oder sie zu ermutigen, mit mir Paris zu verlassen, aber eine plötzliche Vernunft hielt mich zurück.

„Lass uns nach Hause fahren, Kröte", sagte ich und zog mich zurück. Wir waren uns so nah gekommen, dass es schwer war, den Drang zu unterdrücken, sie zu küssen.

Nachdem ich das Auto gestartet hatte, herrschte eine unbehagliche Stille zwischen uns. Keyla blickte aus dem Fenster und ich konnte sehen, wie ihre Gedanken umherirrten. Ich konnte es nicht ertragen, die Spannung weiterhin zu spüren, also beschloss ich, etwas zu sagen.

„Keyla, ich..." Meine Worte stockten, als ich versuchte, die richtigen auszuwählen. Doch bevor ich fortfahren konnte, legte sie sanft ihre Hand auf meine und sah mich mit einem warmen Lächeln an.

„Es ist in Ordnung, Roi. Ich verstehe schon" Wir fuhren weiter und kam viel zu schnell an dem Ort an, welchen wir Zuhause nannten. Trotz der Dunkelheit konnte ich meinen Bruder sehen, der auf uns zu warten schien. Sofort eilte er zu uns herüber, als der Wagen hielt und riss meine Fahrertür auf.

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt