Liebling

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Keyla

„Hör auf mir so dicht zu folgen, Roi!"

„Hast du vergessen, das wir in dieselbe Richtung müssen?" Roi stand mir so nah, dass kein Blatt mehr zwischen uns passte und lächelte mich schelmisch an. Seine selbstbewusste Art seit unserem Treffen am Flughafen machte mich wahnsinnig, verrückt nach ihm, aber ich versuchte mir einzureden, Abstand zu halten, denn mein Herz wollte keinen weiteren Schmerz.

"Du weißt genau, was ich meine, Williams", sagte ich, in der Hoffnung, der Nachname würde eine nötige Distanz schaffen, die er jedoch mit simplen Worten zerstörte.

"Es ist unglaublich heiß, wenn du wütend meinen Nachnamen aussprichst, Kröte", sagte er, fast zu spät bemerkte ich, wie er erneut seine Lippen auf meine legen wollte. Doch diesmal stieß ich ihn von mir weg.

"Ich sagte, halt dich fern von mir, Williams!" Ich drehte mich abrupt um, mein Haar wirbelte im leichten Wind und meine Schritte wurden schneller, denn irgendwie musste ich Distanz schaffen. Der Klang meiner Worte hing in der Luft, während ich mit entschlossenen Schritten davonging. Jeder Schritt fühlte sich wie ein Kampf gegen die Anziehungskraft an, die zwischen uns lag. Doch ich musste stark bleiben, um nicht erneut in den Strudel meiner Gefühle gezogen zu werden. Wir liefen die restlichen Meter durch England zu dem Haus seiner Tante, während mir durch seine Nähe keine Zeit blieb die neue Stadt zu erkunden. Als Roi schließlich klingelte, verging nur ein Moment, bis die Tür geöffnet wurde. Vor uns stand eine Frau, welche ein Ebenbild zu Valentina darstellte. Einen kurzen Augenblick musterte ich die Frau, die ich zuvor nie gesehen hatte, doch bevor ich etwas sagen konnte, zog sie Roi in eine innige Umarmung. Als sie sich von ihm löste, musterte sie mich und stellte etwas relativ schnell fest, womit sie jedoch falsch lag.

„Du musst Keyla sein. Seine Freundin" Ich wollte etwas erwidern, ihr sagen, wie falsch sie lag, da legte Roi seinen Arm allerdings um mich und stimmte ihr zu.

"Es ist schön zu sehen, wie sich dein Leben verändert hat", begann sie. "Aber kommt erstmal herein. Ich mache uns einen Tee und ihr erzählt mir in Ruhe, wie es in Paris so für euch läuft." Die Schwester von Valentina führte uns in ihr Backsteinhaus mit einem gepflegten Vorgarten, dessen Fassade von Efeu umrankt war und großen Fenstern mit weißen Holzrahmen. Im Inneren erwartete uns hohe Decken mit dekorativen Rosetten, traditionelle Holzböden und Wandverkleidungen aus dunklem Holz. Es war ganz anders im Vergleich zu unserem Zuhause in Paris, aber dennoch strahlte es eine gewisse Gemütlichkeit aus, die mich entspannt aufatmen ließ. Ich wusste, dass Valentina und ihre Schwester nur sporadisch Kontakt pflegten, seit sie England verlassen hatte, aber hier zu sein, löste neue Gefühle in mir aus. Die Küche war rustikal gestaltet, mit freiliegenden Balken an der Decke und einem Aga-Herd, der dem Raum einen Hauch von Tradition verlieh.

"Ich bin übrigens Vera" Ich reichte ihr meine Hand, doch anstatt sie zu schütteln, zog sie mich in eine ähnlich liebevolle Umarmung wie bei Roi eben. Etwas überrumpelt ließ ich es über mich ergehen und setzte mich anschließend an den Tisch, ausgerechnet neben ihm. Roi nutzte die Vorlage, die seine Tante ihm eben geboten hatte und rückte dichter an mich heran. Er verhakte unsere Finger miteinander, was Vera mit einem Lächeln kommentierte, als sie sich zu uns an den Tisch setzte. Sie goss uns etwas Tee ein und servierte uns dazu klassisches englisches Gebäck.

"Jetzt erzählt mal, wie habt ihr euch kennengelernt?", fragte Vera, während sie uns erwartungsvoll ansah. Ich wollte meine Hand zurückziehen, wollte seiner Tante sagen, dass wir eigentlich kein Paar waren, aber Roi ließ dies nicht zu.

„Sie ist die Tochter von Izabell", begann er, vollkommen gelassen.

„Meinte deine Mutter nicht, dass ihr euch hassen würdet?" Vera wirkte überrascht.

"Als Kinder vielleicht, aber in den letzten Monaten hat sich etwas verändert. Sie wurde zum Mittelpunkt meines Lebens, weshalb ich um ihre Liebe gekämpft habe, nicht wahr, Liebling?" erklärte er mit einem liebevollen Blick zu mir und hauchte einen Kuss auf meine Wange. Mit Entsetzen ließ ich es erneut über mich ergehen.

"Es ist schön, dich so glücklich zu sehen und ich weiß, wie viel es deiner Mutter bedeutet, besonders nachdem sie sich so viele Sorgen um dich gemacht hat, weil du ihr so ähnlich bist. Für sie war es Paris und ihre Kinder und für dich eine Frau", bemerkte Vera einfühlsam, während sie liebevoll, wie sie war, ihre Hand auf seiner Schulter ablegte. Dankbar für ihre warme Präsenz und gleichzeitig genervt von den Gedanken, als seine Freundin angesehen zu werden.

"Ich würde mich nach der Reise gerne umziehen, wenn das keine Umstände bereitet", sagte ich schließlich und schaffte es, meine Hand aus dem Griff zu lösen, um aufzustehen. Vera und Roi taten es mir nach, als sie erneut das Wort ergriff.

"Ich habe euch ein Zimmer vorbereitet. Oben links, die erste Tür. Wenn ihr mich sucht, mein Schlafzimmer befindet sich unten", erklärte Vera und deutete auf die Treppe. Schockiert riss ich meine Augen auf und sah nervös zwischen den beiden Hin und Her, was seine Tante zu bemerken schien.

„Ich wusste nicht, dass ihr getrennt schlaft, sonst hätte ich das Wohnzimmer hergerichtet", versuchte sie sich zu rechtfertigen, aber Roi schnitt ihr das Wort ab.

"Wir sind es gewohnt, ein Bett zu teilen, also mach dir keine Umstände, Vera. Keyla ist nur etwas schüchtern", nervös lachte ich auf, während ich Roi in den Arm kniff, sodass Vera es nicht sehen konnte. Mein vermeintlicher Freund ließ das Ganze unkommentiert, doch ich konnte seine amüsierte Stille spüren, während wir uns auf den Weg nach oben machten, wo uns ein hiesiges antikes Holzbett erwartete, eingedeckt mit typisch englischer Bettwäsche.

„Ich werde nicht auf dem Boden schlafen, sondern neben meiner Freundin liegen, sollte das gerade dein Gedanke gewesen sein" Ich hatte vergessen, wie gut er meine Züge lesen konnte, als wäre ich ein offenes Buch.

„Ich bin aber nicht deine Freundin!", dementierte ich seine Aussage und riss einen Teil der Bettwäsche vom Bett, genauer gesagt platzierte ich sie daneben, für ihn.

"Du hast meine Tante doch vorhin gehört, Körte", sagte Roi und kam mir näher, drängte mich in Richtung des Bettes, sodass ich mit den Kniekehlen gegen die Kante stieß. Ich versuchte, mich an ihm vorbeizudrängen, aber er war wieder einmal schneller und ließ sich mit seinem Gewicht nach vorne fallen, sodass ich unter ihm lag.

"Du gehörst mir, Liebling", flüsterte er, seine Lippen zu dicht an meinen. Doch plötzlich schien es, als wäre mein Verstand ausgeschaltet.

"Wundert es dich gar nicht, dass deine Tante gar keine Verletzung aufweist?" versuchte ich, ihn von seinem Vorhaben abzulenken. Doch er schüttelte nur den Kopf und schenkte mir sein perfektes Lächeln.

"Ich wusste es, seit meine Mutter es erwähnt hatte, denn sie kann genauso wie du sehr schlecht lügen", sagte Roi ruhig, während sein Blick fest auf mir ruhte.

"Nutzen wir die Chance und gönnen uns diesen Pärchenurlaub", schlug er mit einem breiten Lächeln vor und presste seine Lippen auf meine. Dahin war mein Verstand.

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt