Vorahnung

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Roi

„Guten Morgen." Ich hielt meinem neuen Chef meine Hand hin, die er fest entgegennahm.

„Guten Morgen, Roi. Der erste Tag ist meist etwas langweilig. Ich werde dir unser Büro zeigen, dir die Kollegen vorstellen und du wirst dich mit deinen Aufgaben vertraut machen," begann er zu erzählen, während er mich hineinbat und durch den schmalen Flur führte.

„Hier entlang", sagte er und führte mich zu einem modernen, offenen Bürobereich. „Das ist unser Team. Wir sind eine kleine, aber effiziente Truppe. Jeder hat hier seine speziellen Aufgaben, aber wir arbeiten eng zusammen, um die besten Ergebnisse zu erzielen"

Er zeigte auf verschiedene Arbeitsbereiche und nannte die Namen der Kollegen, die dort saßen. „Dort drüben ist das Marketing-Team und nebenan findest du die IT-Abteilung. Wir legen großen Wert auf eine gute Zusammenarbeit, also zögere nicht, Fragen zu stellen oder Hilfe anzufordern."

Ich nickte und versuchte, mir die Namen und Gesichter einzuprägen. „Danke, ich werde mein Bestes geben"

„Das glaube ich dir", sagte er lächelnd. „Hier ist dein Schreibtisch." Er führte mich zu einem Arbeitsplatz, der mit einem Computer und einigen Büromaterialien ausgestattet war. „Mach dich erst mal mit deinem Platz vertraut. Ich werde dir später ein paar Einweisungen zu deinen Aufgaben geben. Außerdem findest du die Küche gleich nebenan, wo du dich jederzeit bedienen kannst"

„Vielen Dank," antwortete ich, setzte mich und begann, meinen neuen Arbeitsplatz zu erkunden. Ich konnte es kaum erwarten, loszulegen und mich in meine neuen Aufgaben zu vertiefen, jedoch war da auch der Gedanke an Keyla. Sie fehlte mir wahnsinnig, obwohl wir gerade mal eine Stunde voneinander getrennt waren. Ich holte mein Handy hervor und machte ein Selfie von mir an meinem neuen Arbeitsplatz. Es dauerte keine Minute, da bekam ich ein Bild zurück. Keyla und Zoe saßen im Wohnzimmer, beide mit einem breiten Lächeln im Gesicht.

Viel Erfolg bei deinem ersten Tag, Rii! Wir denken an dich - schrieb sie dazu.

Ihr Anblick auf dem Bild ließ mein Herz schneller schlagen. Ihre Augen strahlten und ich konnte förmlich die Wärme ihres Lächelns spüren. Es war beruhigend zu wissen, dass sie an mich dachte, während ich hier war und mich in meinen neuen Job einarbeitete.

Ich schickte ihr eine kurze Nachricht zurück:
„Danke, Kröte. Ich vermisse dich jetzt schon. Bis später"

Niemals hätte ich gedacht, dass ich nach etwas anderem als der Welt süchtig sein könnte, aber wahrscheinlich war sie schon immer meine einzige Sucht. Keyla hatte mein Herz und meine Gedanken komplett eingenommen. Ihre Abwesenheit machte mir klar, wie sehr ich sie brauchte und wie tief meine Gefühle für sie waren. Es war, als ob jede Faser meines Seins nur auf sie abgestimmt war. Der Gedanke, dass wir zusammen gehören, erfüllte mich mit einer Wärme und Zufriedenheit, die ich nie zuvor gekannt hatte. Ich wusste jetzt, dass sie immer meine einzige Sucht gewesen war, die einzige Konstante, die mein Leben sinnvoll und lebenswert machte. Und das war etwas, wofür ich für immer dankbar sein würde.

Mit einem Lächeln legte ich das Handy weg und wandte mich wieder meinen neuen Aufgaben zu. Obwohl die Arbeit gerade erst begonnen hatte, fühlte ich mich bereits motiviert und unterstützt, dank Keyla.

Aber ein Gedanke ließ mich weiterhin nicht los: mein Bruder. Der Schmerz, den er gestern offensichtlich gezeigt hatte, war mir ehrlich gesagt egal gewesen. Er hatte die Aufmerksamkeit von Keyla zu einem Spiel gemacht, unfair gespielt und letztendlich verloren. Trotzdem wusste ich, wie tief ihre Freundschaft ging und dass Keyla ihm gegenüber nur platonische Gefühle hatte. Deshalb beschloss ich, in der Mittagspause das Gespräch mit ihm zu suchen.

„Lass uns reden, Remi", sagte ich und deutete auf einen leeren Tisch draußen beim Café neben unserem Bürogebäude. Widerwillig folgte er mir.

„Was gibt es da noch zu reden?", murmelte er, setzte sich und verschränkte die Arme.

„Ich will ehrlich zu dir sein. Eigentlich ist mir die gesamte Situation egal, aber Keyla nicht. Ich weiß, dass sie dir wichtig ist und ich weiß, dass du ihr genauso wichtig bist"

Remi schnaubte und wandte den Blick ab. „Du hast keine Ahnung, wie es ist, jemanden zu verlieren, den man liebt"

„Du weißt nicht, wie es ist, jemanden sein ganzes Leben zu lieben und es nicht zulassen zu können", entgegnete ich ruhig.

„Ich liebe Keyla wirklich, Roi, aber mir ist bewusst, dass ich sie nie so lieben werde, wie du es tust", Remi seufzte tief und schaute zu Boden.

„Es ist einfach schwer, loszulassen. Sie ist so ein wichtiger Teil meines Lebens"

„Du musst nicht loslassen, du musst nur erkennen, dass sie nicht dasselbe für dich empfindet. Lass nicht zu, dass ihr eure Freundschaft verliert"

„Vielleicht hast du recht, aber ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken", er atmete tief durch.

„Das ist in Ordnung", erwiderte ich.

„Wir sind Brüder. Das wird sich nie ändern."

Wir saßen noch eine Weile schweigend nebeneinander, beide in Gedanken versunken, aber mit einem Gefühl der Erleichterung. Es war ein kleiner Schritt, aber ein wichtiger, um die Risse in unserer Beziehung zu heilen.

Zurück im Büro bekam ich meine ersten Aufgaben, die ich gewissenhaft erledigte, immer mit dem Gedanken daran, Keyla bald wieder in meinen Armen zu halten. In diesem Moment ahnte ich nicht, wie kompliziert unsere Geschichte noch werden würde und dass ein Happy End noch in weiter Ferne lag.

Die Stunden vergingen und jede erledigte Aufgabe brachte mich einen Schritt näher an den Feierabend. Plötzlich klingelte mein Handy, und eine Nachricht von Keyla erschien auf dem Bildschirm.

Keyla        [16:23]: Zählst du auch schon die Minuten?

Roi [16:23]: Jede einzelne Minute

Keyla [16:24]: Pizza oder Nudeln?

Roi [16:24]: Pizza natürlich

Sechs Minuten später war der Arbeitstag endlich zu Ende und ich machte mich auf den Weg, um Keyla zu treffen. Ich spürte ein merkwürdiges Gefühl der Vorahnung. Irgendetwas lag in der Luft, das sich nicht richtig anfühlte. Ein Schatten über unserem Glück, den ich noch nicht ganz greifen konnte. Aber ich wusste, dass wir, egal was kommen würde, zusammen stark genug sein mussten, um es zu überstehen. Denn unsere Geschichte war noch lange nicht zu Ende geschrieben und die Herausforderungen, die vor uns lagen, würden unsere Liebe auf die Probe stellen wie nie zuvor.

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt