Gründe

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Roi

Buddha sagte mal, Niemals in der Welt hört Hass durch Hass auf. Hass hört durch Liebe auf.
Ich war ein Fan der Poesie und auch hier musste ich dem Meister recht geben, jedoch könnte niemals eine Liebe zwischen mir und Keyla entstehen, welche den Hass füreinander schmälern könnte. Wir waren dazu geboren einander zu hassen und dadurch zu Höchstleistung angespornt zu sein, denn niemand normales würde den anderen so herausfordern, wie wir es taten. Allerdings meinte Buddha damit nicht die Liebe zueinander, sprich Keyla und Ich. Es existierte eine andere Liebe, und zwar die zu seinen Familienmitgliedern.

„Roi, ich bitte dich", unterbrach mein Bruder meine poetischen Gedanken. Unweigerlich nickte ich, stimmte seinem Wunsch zu, denn in letzter Zeit war mir aufgefallen, dass er immer häufiger die Nähe zu Keyla suchte. Meine Meinung zählte dabei nicht, aber ich hielt es für einen Fehler, nicht weil ich Keyla nicht mochte. Wir waren wie Geschwister aufgewachsen, wie also konnte er mehr für sie empfinden, als geschwisterliche Liebe?

Nach dem Abendessen hatte ich Keyla von mir gewiesen, zum einen, da ich es nicht mehr aushielt freundlich zu sein und zum anderen, da ihre Worte mich stückweise verletzt hatten. Sie vertraute mir nicht. Natürlich nicht, unter unseren Umständen, aber wir waren dennoch eine Familie, die zusammenhielt.
Trotz dessen lobte ich mich innerlich, da ich Remi seinem Wunsch nachgekommen war und Keyla besser als sonst behandelte. Es war nicht leicht, besonders, da die beiden es sich zur Aufgabe gemacht hatten beim Essen, mich zu ärgern.

Ich klappte meinen Laptop auf, öffnete das Schreibprogramm und begann die ersten Zeilen meiner Bewerbung zu tippen, obwohl ich nicht wusste, welcher Job mich anzog. Ich war schon immer jemand, der gerne in Büchern las, die Abenddämmerung genoss oder aber auch mich durch den Wind leiten ließ. Bisher gab es für mich keinen richtigen Ort oder eine überzeugende Tätigkeit. Dennoch musste ich schauen, dass mein Leben weiter verläuft, da ich nicht immer bei meinen Eltern leben konnte. Deshalb bewarb ich mich erstmal in mehreren Tierparks und Freizeitparks, vielleicht würde ich dann meine Bestimmung finden.

Völlig ausgelaugt von den vielen Buchstaben, die irgendwann wirr auf dem Bildschirm lagen, ging ich mit Askan ins obere Stockwerk. Auf der Treppe sah ich die Tüte, welche ich vorhin Keyla gegeben hatte. Ich wusste, dass meine Worte sie verletzt hatten und sie nur deshalb auf ihre Lieblingssorte verzichtet hatte. Ich zückte mein Handy, war kurz davor eine entschuldigende Nachricht zu schreiben, aber änderte meine Pläne. Es war unsere Art der Kommunikation, die ich mir von meinem Bruder oder sonst, wem nicht nehmen lassen würde. Innerlich genoss ich den Kampf ums gewinnen und die Art und Weise, wie wir uns zum Rande des Wahnsinns trieben.

Meine Mutter würde noch weit über Mitternacht bei den Flemmings bleiben, deshalb schloss ich das Fenster im Flur, hing noch die Wäsche auf und stellte ein Glas Wasser an ihr Bett. Es war lustig, aber auch anstrengend zugleich, wenn die beiden Damen zu tief ins Glas geschaut hatten. Auch als Kind wurde es oft peinlich, da sie immer wieder erlebte Geschichten auspackten, wie die, wo ich mit 2 Jahren in einer vollen Windel auf den Po gefallen bin und sie explodiert ist. Der einzige Vorteil, über Keyla hatte ich genauso peinliche Storys mitbekommen, wenn die beiden Familien nicht gerade zusammenhingen.

Für eine letzte Zigarette an diesem Abend riss ich die Vorhänge beiseite und öffnete das Bodenfenster. Ich stellte mich auf meinen kleinen Balkon, zündete die Nikotinbombe an und sah, wie Askan es sich auf meinem Kopfkissen gemütlich machte. Automatisch glitt mein Blick anschließend nach drüben, wo Keyla ihr Balkon war. Nur einen Luftsprung von mir entfernt. Ihre Angewohnheit war es im Sommer mit offener Tür zu schlafen, weshalb ich gestern Mittag und zufälligerweise auch letzte Woche beobachtete, wie sie sich im Schlaf wand. Die sonst so ruhige Schläferin hatte plötzlich Alpträume von einem Mann. Für mich, weil sie eben wie eine Schwester war, wollte ich mehr darüber herausfinden und hoffte, durch meine neue freundliche Art, dank meines Bruders, ihr ein bisschen vertrauen abzuverlangen. Jetzt gerade kuschelte sie sich vermutlich an meinem Bruder, denn die Tür und die Vorhänge waren geschlossen. Besser so, denn ich wollte meinem Bruder nicht beim Sex erwischen, wie schon einmal. Und durch seinen geringeren Damenbesuch erschlich sich mir der Verdacht, dass er eine Flamme hatte, die mehr als nur eine Bettgeschichte war. Kurz stellte ich mir vor, wenn Remi und Kröte heiraten würden. Ich müsste sie für den Rest meines Lebens ertragen, wobei ich das glaube eh müsste. Ich raufte mir durch die Haare und pustete den Rauch und meine verdorbenen Gedanken heraus.

Nach der warmen Dusche kuschelte ich mich zu meinem Husky ins Bett und schlief innerhalb von Minuten ein. Traumlos.

Am nächsten Morgen kleidete ich mich etwas schlichter, da ich die Bewerbungen wegbringen wollte. Draußen am Auto meiner Eltern bemerkte ich Keyla, welche unsicher mir herüberwinkte. Ich nickte ihr nur desinteressiert zu und stieg in das Auto, als sie plötzlich an der Scheibe stand. Genervt öffnete ich das Fenster, lehnte meinen Arm hinaus und zog meine Augenbraue hoch.

„Ich wollte eigentlich mit dem Bus fahren", dass sie immer so um den heißen Brei reden musste.
„Kannst du mich stattdessen mitnehmen?"

„Der Bus ist bestimmt angenehmer", erwiderte ich. Eigentlich wollte ich das Fenster schließen, da kamen mir die Worte meines Bruders in den Sinn.

„Kannst du bitte freundlicher zu Keyla sein? Mir liegt etwas an ihr und dein Verhalten, wie am Strand vor ein paar Tagen verletzt sie!"

„Steig ein"

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt