Emotionspaket

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Roi

Es war wie ein Paket aus Emotionen, als Zoe mir den Zeitungsartikel zu Ende vorgelesen hatte. Eine Welle von Gefühlen durchflutete mich, jede einzelne schwer zu beschreiben. Wut, Trauer, Mitgefühl – alles mischte sich zu einem chaotischen Sturm in meinem Inneren. Doch inmitten dieses Gefühlswirrwarrs gab es eine Konstante: Keyla. Sie war der Mittelpunkt meiner Gedanken und nichts anderes zählte.

„Ich verstehe nicht, wie ihre Eltern das all die Jahre verheimlichen konnten, ohne dass wir etwas davon mitbekamen", murmelte ich, mehr zu mir selbst als zu Zoe. „All die Jahre hat Keyla das unterbewusst mit sich herumtragen müssen."

Zoe nickte. „Es muss unglaublich schwer für sie gewesen sein. Kein Wunder, dass sie diese Albträume hat", ihre Augen voller Mitgefühl.

„Wie konnten wir so blind sein? Ich war acht, als es passiert war. Warum habe ich nichts bemerkt?" Ich biss mir auf die Lippe, unfähig, die Wut und den Schmerz in mir zu unterdrücken.

„Es ist nicht deine Schuld. Du hast immer das Beste für sie gewollt", versuchte Zoe mich zu beruhigen.

„Wie konnten Izabell und Julien ihr das verheimlichen?", die Worte wogen schwer. Sie waren ein Teil meiner Familie, sie waren wie meine Eltern.

Keyla hatte immer so stark gewirkt, immer das Lächeln im Gesicht. Sie hatte so viel von mir ertragen müssen, trotz der Last ihrer Vergangenheit, weshalb ich mich jetzt unglaublich schlecht fühlte. Ich war es, der ihr Leben verschlimmert hatte. Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. All die Zeiten, in denen ich mich auf ihre Stärke verlassen hatte, ohne zu merken, wie sie unterbewusst litt. Meine Schultern sanken herab, als die Schuld mich übermannte.

Wie konnte ich das nur wiedergutmachen?

In diesem Moment versprach ich mir selbst, dass ich alles tun würde, um ihre Last zu erleichtern. Egal wie schwer der Weg auch sein würde, ich würde an ihrer Seite bleiben. Denn sie hatte mir gezeigt, was wahre Stärke bedeutete und es war an der Zeit, dass ich ihr zeigte, dass sie nicht alleine kämpfen musste.

„Wann wollen wir es Keyla sagen?", fragte Zoe an mich gewandt, doch als wir ihre Stimme vernahmen, verstummten wir beide.

„Wann wollt ihr mir was sagen?" Stutzig stand sie vor uns und musterte uns beide, so als hätte sie uns bei etwas erwischt, was ja auch stimmte. Ich fühlte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte und mein Magen sich zusammenzog. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, aber wie hätten wir es ihr sonst beibringen sollen? Ich suchte Zoes Blick, suchte nach einem Zeichen, was ich tun sollte. Doch sie schien genauso sprachlos wie ich.

„Keyla...", begann ich schließlich und spürte, wie meine Stimme zitterte. „Es gibt etwas, das du wissen solltest. Etwas über deine Vergangenheit."

Ihre Augen weiteten sich leicht, und ich sah, wie eine Mischung aus Angst und Neugier in ihnen aufstieg. „Meine Vergangenheit? Was genau meint ihr?"

„Es geht um deinen Onkel. Wir haben etwas herausgefunden, das du wissen solltest" Zoe trat einen Schritt vor und legte eine Hand auf Keylas Arm. Keyla blickte zwischen uns hin und her, ihre Stirn legte sich in Falten.

„Warum klingt ihr so geheimnisvoll? Was ist passiert?"

Ich holte tief Luft und versuchte, die richtigen Worte zu finden. „Wir haben einen Zeitungsartikel gefunden, der von einem tragischen Unfall spricht. Ein Unfall, bei dem dein Onkel ums Leben kam. Deine Eltern sollten dir die ganze Geschichte dazu erzählen, Keyla"

Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Keyla stand einfach da, starrte uns an und ich konnte sehen, wie die Informationen in ihrem Kopf ihren Platz suchten. Dann, ohne ein Wort zu sagen, drehte sie sich um und ging. Zoe und ich sahen uns an, wussten beide, dass wir sie nicht alleine lassen konnten.

Wir folgten ihr durch die Straßen, während Keyla sich immer wieder verzweifelt durch die Haare fuhr. Ich beschleunigte meine Schritte, sodass ich sie einholen konnte und riss sie in eine feste Umarmung.

„Du bist nicht allein, Kröte. Wir sind bei dir und begleiten dich zu dem Gespräch mit deinen Eltern."

„Ich weiß nicht, ob ich das kann", flüsterte sie gegen meine Brust. Sie zitterte leicht, aber nach einem Moment erwiderte sie meine Umarmung.

„Doch, das kannst du", sagte Zoe entschlossen. Keyla holte tief Luft und löste sich ein wenig von mir, um uns beide anzusehen. In ihren Augen lag immer noch der Schock, aber auch eine Spur von Entschlossenheit.

„Okay", sagte sie schließlich. „Lasst es uns tun."

Zusammen machten wir uns auf den Weg zu Keylas Elternhaus. Jeder Schritt fühlte sich schwer und bedeutsam an, als würden wir auf eine unsichtbare Schwelle zugehen, die unser aller Leben verändern würde. Als wir schließlich vor der Tür standen, nahm Keyla noch einmal tief Luft und klingelte. Die Tür öffnete sich nach einem Moment und Keylas Mutter sah uns überrascht an.

„Keyla? Was macht ihr denn hier?" Wir folgten Izabell ins Wohnzimmer, wo Julien auf einem der Sessel saß und die Zeitung las.

„Mama, Papa", begann Keyla und ihre Stimme zitterte leicht. „Ich muss wissen, was damals passiert ist"

Ihre Mutter erstarrte für einen Moment. „Setzt euch, ich mache uns etwas Tee und dann ist es an der Zeit, dass wir reden"

„Es war eine schreckliche Zeit für uns alle", begann ihr Vater. „Wir wollten nicht, dass du diese Last tragen musst. Dein Onkel war ein guter Mensch, bis er an die falschen Personen geraten ist und sein Tod hat uns alle sehr getroffen. Wir dachten, wenn du die Wahrheit nicht kennen würdest, könntest du unbeschwert leben"

„Aber es hat mich verfolgt", sagte Keyla mit Tränen in den Augen. Ich drückte ihre Hand. „Diese Albträume in den letzten Monaten... Ich wusste, dass etwas nicht stimmte, aber ihr habt nie etwas gesagt"

„Es war ein Fehler", antwortete ihre Mutter.

„Ich will alles wissen. Keine Geheimnisse mehr" Keyla schloss die Augen und atmete tief durch. Ihre Eltern nickten und obwohl Zoe und ich bereits die Wahrheit kannten, war es schmerzhaft dies aus ihren Mündern zu hören. Und während die Eltern zu erzählen begannen, hielt ich Keylas Hand fest in meiner.

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt