Fritten auf dem Boden

282 23 23
                                    

Keyla

Es war eine unangenehme Hinfahrt, denn die leise Musik aus dem Radio lief im Hintergrund und niemand sagte ein Wort. Die Stille war kaum auszuhalten, jedoch wagte ich es nicht Roi mit meinen unüberlegten Worten auf die Palme zu bringen. In der Stadt angekommen, erhielt ich die Nachricht, dass Zoe mich versetzte, wegen einer Familienangelegenheit. Es nützte nichts, also musste ich alleine ältere Jugendliche ansprechen und sie bitten, mir Alkohol zu kaufen. Mir fehlte noch ein Jahr, um dies selbst zu tun. Es war peinlich und doch schaffte ich es irgendwie, dass mir zwei junge Mädels, 19, Tequila und anderen Fusel kauften. Ich unterhielt mich noch nett mit ihnen, dann machte ich mich auf dem Weg, zurück zum Treffpunkt mit Roi. Bisher war es ein entspannter Tag, die einzige Hürde war die Rückfahrt, aber diese würde ich genauso überstehen, wie die Hinfahrt. Ich nahm mir fest vor mir meine Laune nicht durch ihn versauen zu lassen, denn ich war viel zu entspannt und gut gelaunt, als dass er es könnte. Der Abend mit Remi hatte gutgetan.

Auf dem Weg entdeckte ich einen kleinen Stand und konnte es mir nicht nehmen lassen, mir eine kleine Mahlzeit zu gönnen. Ich bestellte, wonach es mir sann und lief mit den verpackten und noch heißen Fritten zum Auto, wo ich dem köstlichen Duft nachgeben wollte. Kurz bekam ich Angst, sie könnten kalt werden und dadurch nur noch halb so gut schmecken, da Roi mich einen Moment warten ließ, aber schließlich kam er um die Ecke gebogen. Es war ein ungewöhnlicher Anblick, ihn in seiner schlichten, weniger rockigen und düsteren Kleidung zu sehen. Mir gefiel das warme Braun zu gut, denn es schmeichelte seinen sommerlichen Hautton und den strahlenden grünen Augen. Wäre er nicht mein Nachbar und gleichzeitig mein Feind, hätte ich mich Hals über Kopf in ihn verschossen, wobei ich die Schmetterlinge in seiner Nähe immer häufiger spürte. Es sollte nicht so sein, doch je mehr ich sie versuchte im Zaum zu halten, flatterten sie noch stärker. Mittlerweile schaffte ich es dieses Gefühl ihren Freiraum zu lassen und nicht dabei durchzudrehen. Vor einem halben Jahr war es schier unmöglich. Nach wie vor schob ich es auf sein neues Aussehen.

„Es wundert mich, wie du bei der Menge an Essen, welche du täglich zu dir nimmst, so eine Figur haben kannst", war das eben ein Kompliment oder eher eine Beleidigung? Ich wusste es nicht und konnte es auch nicht zuordnen, weshalb ich es mit einem Schulterzucken abtat und ins Auto stieg. Angeschnallt fiel ich sofort über meine Fritten her, wodurch ich einen merkwürdigen Blick von Roi kassierte. Während er das Auto auf die Straße lenkte, nahm der herrliche Duft den kleinen innen Raum ein.

„Meine Eltern bringen mich um, wenn du mit deiner Sauce kleckerst", schnalzte er mit seiner Zunge. Trotz vollem Mund entwich mir ein Kichern, denn die Vorstellung war zu absurd. Und bevor ich reagieren konnte, da ich noch mit den Gedanken seiner Ermordung spielte, griff er zu mir herüber. In letzter Sekunde zog ich die Fritten beiseite, allerdings etwas zu stürmisch. Durch die fettigen Finger entglitt mir die Schale und landete in dem Fußraum vor mir. Plötzlich ging alles so schnell. Roi bremste den Wagen abrupt ab, sodass mein Kopf beinahe auf der Armatur knallte, genau da, wo die Sauce einen Fleck hinterlassen hatte.

„Sag mal spinnst du?", schrie ich aufgebracht. Mein Herz raste von dem plötzlichen Halt. Ich saß wieder aufrecht und fasste mir an die Brust.

„Steig aus! Sofort", war seine Reaktion.

„Jetzt spinnst du wirklich! Es ist deine Schuld, da du unbedingt meine Fritten klauen musstest und jetzt soll ich hier in der Pampa aussteigen? Du hast sie nicht mehr alle!"

„Ich wollte nur eine Pommes, aber du musstest ja ein Drama daraus machen, so als würde ich dir Diamanten klauen wollen", mit hohem Puls, stetig steigend, bückte ich mich und packte mir eine Handvoll Fritten. Unüberlegt und überaus dumm, warf ich sie ihm ins Gesicht. Erschrocken schloss er seine Augen und lehnte sich etwas zurück. Ich sah seine Ader an der Stirn, welche immer dann hervortrat, wenn er wütend wurde. Bevor er mir also beleidigende Worte an den Kopf warf oder mir Haare herausriss, stieg ich in Eile aus. Ich rannte los, hörte kurz danach die knirschenden Schritte, die mir folgten. Mein Herz klopfte nicht nur wild, es drückte so stark gegen meine Brust, dass ich es nahezu verlor. Ich hatte zu viele Filme und Serien gesehen, denn genau das passierte oft in Vampire Diaries, jemanden wurde das Herz mit einer Leichtigkeit, die erschreckend war, herausgerissen.

Schlagartig wurde ich zu Boden gerissen. Roi hatte mich eingeholt und sich auf mich geworfen. Ich wandte mich unter ihm, wodurch mein Gesicht seinem gefährlich nahekam, aber statt eines vermutlichen Kusses, rieb er mir die Fritten und die Sauce ins Gesicht. Mir blieb die Luft weg. In meinen Nasenlöchern und in meinem Mund befand sich zermatschte Pommes. Wild schlug ich um mich, bis er endlich von mir abließ. Roi stützte seine Arme neben mir ab, erhob sich und stand dann vor mir, während ich noch auf dem Boden lag. Er entfernte sich von mir. Voller Adrenalin drehte ich mich, drückte mich unelegant vom Boden ab und hob dabei einen kleinen Kieselstein auf. Ich nutze den Schwung meiner Energie und warf den Stein geradeaus. Gewollt oder nicht gewollt, ich traf Roi seinen Kopf.

„Wehe du lässt mich hier, Arschloch"

„Arschloch?", entsetzt schnappte Roi nach Luft und sah mir direkt in die Augen. Seine grünen Augen schimmerten vor Belustigung, gemischt mit Wut. Ich konnte es nicht genau identifizieren, egal wie sehr ich es versuchte. Trotzig und als besten Ausweg aus dieser Situation lief ich an ihm vorbei in Richtung Auto, dort angekommen, setzte ich mit hinein, sammelte die Fritten ein und verstaute die Schale in meiner Tüte mit dem Alkohol. Roi kam kurz danach, setzte sich und drehte sich zu mir herüber.

„Was läuft da zwischen dir und meinem Bruder?", die Frage kam unerwartet.

𝗲𝗶𝗻𝗲𝗻 𝗟𝘂𝗳𝘁𝘀𝗽𝗿𝘂𝗻𝗴 𝗲𝗻𝘁𝗳𝗲𝗿𝗻𝘁Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt