Kapitel 72

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Etwas überrascht, blickte Osamu zu Kaede, welche ihren Kopf leicht gesenkt, aber dennoch etwas gelächelt hatte. So wie es schien, war sie es wirklich daran gewohnt, dass ihre Oma ihr Gesicht immer wieder vergessen hatte. So wie er Kaede eigentlich kannte, hätte sie bei jedem anderen gleich gesagt wer sie war. Nur hier, gegenüber ihrer Oma blieb sie still und geduldig, was wirklich beachtlich war.

"Oma, ich sitze vor dir.", sprach Kaede doch etwas sanft und wurde von den braunen Augen angesehen. Diese blickte nun auf ihre Hände, welche von einer weiteren Hand etwas wärme bekommen hatte.

"Ich bin deine Magnolie.", kam es gleich über Kaede's Lippen, da ihre Oma öfters solche Blumen erhalten hatte. Kaede würde auch nicht vergessen, dass ihre Oma ihren Charakter damit beschrieben hatte.

"Ohhh, Kaede..Liebes..", sprach die Grauhaarige nach einigen Sekunden und erhielt ein friedliches Lächeln. "Wie lange bist du schon hier?"

"Bin gerade erst gekommen.", log Kaede, was Osamu so belassen sollte. Kaede wusste wohl ganz genau, wie sie mit allem hier umgehen musste. In ihrem Roman hatte sie ähnliche Situationen geschildert.

"Ist das etwa dein Freund?", fragte die alte Frau, weswegen Kaede ihren Mund etwas geöffnet hatte. "Ich.." "Ja.", sprach Osamu schnell, was Kaede dazu veranlasst hatte ihre Augen zu weiten und rot zu werden. Ihr Blick richtete sich zu dem Miya, welcher sehr gelassen da gestanden war, und wegen Kaede's Redaktion leicht grinsen musste.

"W..as.." Kaede brachte kaum etwas aus ihrem Mund heraus. Wie kam Osamu darauf, ihrer Oma so etwas zu sagen? Es stimmte gar nicht, also warum?

"Wie schön.", strahlte ihre Oma, weswegen Kaede hier nicht mehr sagen konnte und wollte. Schon lange hatte sie ihre Oma nicht mehr so strahlen gesehen, weswegen Kaede selbst gerührt war.

"Wissen Sie, meine Enkelin frisst ziemlich viel in sich hinein. Es würde ihr gut tun, wenn jemand wie Sie an ihrer Seite ist.", fing die Frau an zu sprechen, was nun total peinlich für Kaede wurde. "Ich hoffe, sie macht Ihnen keinen Ärger."

"Ganz und gar nicht.", lächelte Osamu und fand es amüsant, wie peinlich Kaede alles gerade fand. Diese wurde nun von einer Hand auf ihrer Wange in Beschlag genommen.

"Du hast dir einen hübschen jungen Mann ausgesucht.", gab sie Osamu erneut das Kompliment. Ja, Kaede musste es zugeben. Osamu sah wirklich gut aus, egal was er an hatte. Wenn sie aber nur wüsste, dass es gar nicht stimmte.

"Kazumi mag ihn bestimmt auch.", sprach ihre Oma gleich, was Osamu schlucken lies. Sie sollte doch wissen, dass Kazumi nicht mehr lebte. Aber Kyoko hatte ebenfalls im Roman gesagt, dass es Koko gut gehen würde.

Seine Augen richteten sich zu Kaede, welche erst Gestern mit ihm an ihrem Grab gewesen war. Es musste ihr sicherlich sehr weh tun diese Aussage zu hören. Wann sagte Kaede ihr die Wahrheit?

"Oma..hör mal..", begann Kaede zu sagen und konnte ihr kaum in die Augen sehen. Sie erinnerte sich ganz gut daran, wie Chika und Megumi ebenfalls schon mal hier gewesen waren. Ihre Oma hatte Chika richtig angestrahlt als diese hinein gekommen war.

Ein offensichtliches Zeichen, dass sie Chika eindeutig mit Kazumi verwechselt hatte. Ein Moment, welcher Kaede selbst auch schon passiert war. Aber wenn sie ihrer Oma nichts sagen würde, würde es ihr selbst nicht weiter helfen.

"Kazumi sie..sie ist nicht mehr da.", kam es vorsichtig über Kaede's Lippen, auf welche sie nun selbst etwas biss. Eine Stille kam auf, in welcher keiner ein Wort gesagt hatte. "Ich..hätte es dir früher sagen sollen..", gestand die Tokoyami leise weinerlich, und spürte, wie sich die Hand ihrer Oma erneut auf ihrer Wange befand.

Mit einer leicht verschwommenen Sicht, blickte Kaede hoch. In den braunen Augen konnte sie ein leichtes Schimmern erkennen, welches ebenfalls durch die Einsicht kommen musste.

Ihre Oma hatte wie es schien, ihren Nebel nicht mehr vor Augen sondern wie damals eine klare Meinung und eine klare Anwesenheit. "Ich weis..", kam es über ihre Lippen, was die Augen von Kaede weiten lies. "Was..? Warum und..seit wann?"

"Schon etwas länger, Liebes. Nachdem du mich in deinem Oberschuljahr besucht hast, und dich mit weinend geöffnet hast, kam ein weiterer Besuch. Ich habe mir schon bei dir gedacht, dass etwas nicht stimmen konnte und du es mir einfach nicht sagen kannst. Ihre Eltern kamen mich besuchen und haben mir gesagt, was geschehen ist. Ihre Mutter sagte mir auch, dass sie sich nicht traut mit dir zu sprechen wegen dem, was vorgefallen ist."

Tränen sammelten sich in Kaede's Augen, während ihre Lippen anfingen zu beben. All die Jahre dachte sie, dass ihre Oma alles sowieso vergessen würde. Dass es nichts bringen würde, ihr von Kazumi's Tod zu erzählen. Und doch nahmen die Nishida das Geständnis auf sich, welches Kaede nie sagen konnte.

"Ich habe immer darauf gewartet bis du es mir sagst, meine kleine Magnolie.", sprach die Grauhaarige, weswegen Kaede nicht anders konnte als zu weinen und wurde wie einst schon an die Brust ihrer Oma gezogen. Ihre Hand fuhr wie immer über ihre Haare. Eine Geste, welche Kaede auch bei ihr bald nicht mehr haben würde. Schliesslich hatte ihre Oma ihre Krankheit sehr lange ausgehalten. Niemand konnte sagen, wie lange sie noch leben würde.

"Du bist so stark, Kaede..", sprach die Frau leise und sanft, was Osamu einfach nur mit an sehen konnte. Für Kaede musste wohl eine weitere Last von ihr gefallen sein. Ihrer Oma selbst die Wahrheit zu sagen, war sicherlich sehr schwer für sie gewesen. "Aber..du hast nun Freunde an deiner Seite, welche für dich da sind. Rede mit ihnen, sag ihnen, wie du dich fühlst. Hör bitte auf, alles in dich hinein zu fressen und deine Gefühle zu unterdrücken. Selbst wenn du so stark wie eine Magnolie bist."

Während die alte Frau diese Worte sagte, blickte sie zu Osamu, welcher ohne zu zögern genickt hatte. Aber er war nicht der Einzige, welcher angesprochen wurde. Megumi und Chika hatten ebenfalls einen Einfluss auf Kaede. Selbst sein Zwillingsbruder.

"Halte dich an sie, wenn ich nicht mehr da bin.", bat die Grauhaarige, was Kaede deutlich verstehen konnte und annehmen wollte. Ihre Oma wusste also, dass sie durch ihre Krankheit und durch ihr Alter bald nicht mehr für sie da sein konnte. "Ich..verspreche..es..", schluckte Kaede, welche den warmen Moment und die liebevollen Arme einfach nur geniessen wollte.

Die Schriftstellerin Osamu FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt