Alice in Borderland

Kapitel 148 - Hexenjagt

Neunzig Sekunden lang beobachten meine wachsamen Augen das rotleuchtende Licht der Laserbarriere vor dem schwarzen Himmelszelt, welche sich um das Hotelgelände erhebt und es zu einer undurchdringbaren Barriere macht, bevor das Licht immer schwächer wird und schließlich verblasst. Diese tödlichen Lichteffekte machen das Hotel, in welchem wir als eine Gemeinschaft zusammengelebt haben, nicht nur zu einem einzigartigen Spielort, sondern auch zu einem Gefängnis, aus dem niemand vor erfolgreichem Abschluss des Spieles verschwinden kann.

Ich schließe meine Augenlider für einen Moment und atme tief ein, sodass sich meine Lungen mit frischem Sauerstoff füllen und meine Brust sich leicht hebt. Während meine Muskeln regungslos und entspannt bleiben, fängt mein Herzschlag an sich zu beschleunigen und ich spüre ein Gefühl auf meiner Haut, als wäre die Luft geladen mit Elektrizität. Ich schätze so fühlt sich wohl die Ruhe vor dem Sturm an.

„Das wird ziemlich ungemütlich da drinnen werden", meint Kuina und anhand dem Tonfall ihrer Stimme stelle ich fest, dass sie ihrer Angewohnheit nachgeht und auf einem Plastikstrohhalm beginnt unruhig herumzukauen.

„Auf jeden Fall wird es interessant", meint Chishiya und ich öffne meine Augen, um zu sehen, dass er leicht nickt, und seine Augenbrauen ziehen sich nach oben. Schwach zucken seine Mundwinkel arrogant nach oben und sein Blick ist fokussiert auf das Hauptgebäude des Hotels.

„Wie stehen unsere Chancen?", meint Kuina leicht nervös, doch ehrlichgesagt finde ich anhand ihrer Körpersprache, dass sie beeindruckend kontrolliert ihre Fassung behält.

„Der Großteil der Bewohner sind Pik- und Kreuzspieler, die meisten werden schnell Panik bekommen", teilt Chishiya laut seine Einschätzung mit, „Ich schätze Herzspieler sind sehr rar im Beach, was vielleicht zu unserem Nachteil wird. Bekannt sind mir nur der Hutmacher, aber sein Leichnam liegt auf dem Obduktionstisch von Ann im Keller. Mira können wir nicht vertrauen und ich schätze nach dem ereignisreichen Abend wird Arisu uns nicht vertrauen. Bleibt nur noch..."

Chishiya dreht seinen Kopf nach hinten zu mir und Kuina folgt seinem Blick, bevor sich ihre Augenbrauen kritisch zusammenziehen. Vergessen, ich hatte es vor Kuina nicht erwähnt, wie ich mich vor der Führungsriege offenbart habe.

Aber ich erkenne Chishiya' s Intention dahinter. Ich muss ruhig bleiben, für meine Freunde. Ich spanne meinen Kiefer an und mache einen Schritt nach vorne, um zwischen den beiden zum stehen zu kommen und nehme mich zusammen, um mich gefasst dem bevorstehenden Spiel zu stellen.

„Verdammt, ich wollte niemals wieder mit dir in einem Herzspiel landen", seufze ich bitter sarkastisch und spüre, wie mein Spielmodus einzusetzen beginnt. Meine Miene wird kälter und meine Schultern sacken nach unten, während meine Hand nach dem einzigen Gegenstand greift, welchen ich aus dem Beach mitnehmen wollte – meinen schwarzen Gummiball.

„Was, bereust du unseren ersten Kuss so sehr?", meint Chishiya sarkastisch und grinst frech und sofort spüre ich Kuina' s neugierigen Seitenblick.

„Klappe", meine ich emotionslos zurück und dennoch bröckelt meine Fassade, als ein belustigtes Grinsen über meine Lippen huscht.

„Wollen wir dann?", meint er nach einer kurzen Pause und während er die Kapuze seiner weißen Weste aufzieht und seine Hände in die Westentaschen steckt, schlendert er langsam auf den Eingang zu und ich tausche einen augenverdrehenden Blick mit der Frau mit den Dreadlocks neben mir aus, bevor wir ihm folgen.

Sobald wir das Innere des Gebäudes betreten, wirkt die Luft auf einen Schlag stickig und das gelbliche Licht der Deckenleuten lässt die Szenerie in einer ganz neuen Stimmung erstrahlen. Wir kennen noch nicht die Spielregeln, aber dieser Ort wirkt dadurch düsterer. Zu dritt erreichen wir den Eingangsbereich und behalten unsere synchronisierte Geschwindigkeit bei, während andere Bewohner an uns vorbeirennen zu einem kleinen aufgebauten weißen Tisch, auf welchem sich unzählige Teilnehmer-Handys stapeln.