Epilog - Das Ende einer Geschichte

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Für einen Moment wirkt die Welt um mich herum zeitlupenartig, als würde selbst die Luft angehalten werden. Ich drehe meinen Rücken dem Seaside Paradise zu, welches vor aller Augen niederbrennt und sehe in die kalten entschlossenen Augen der Person vor mir. Etwas in meiner Brust zieht sich zusammen und ich krümme mich leicht in der naiven Hoffnung, dass der Schmerz damit verschwindet. Ungläubig dessen, was ich sehe, füllen Tränen meine Augen, doch mein Spielmodus hat sich noch nicht vollends abgeschaltet und ich bin einfach zu stolz, um ihnen freies Gewähr zu leisten.

Die Hand, welche die Waffe auf meinen Kopf richtet, zittert leicht und ich schüttele den Kopf, denn niemals hätte ich das kommen sehen.

„Das Herzspiel ist vorbei", überkommt es meine Lippen und kopfschüttelnd mache ich einen weiteren bedachten Schritt nach hinten. Niemand muss heute Abend mehr sterben, wir haben die Hexe verbrannt und das Spiel absolviert. Doch obwohl sich Tränen über die Wangen meines Gegenüber bahnen, lockert er den Griff um die Waffe nicht. Trotz seines entschlossenen Ausdrucks zittert seine Hand enorm und verletzt zieht sich ein Knoten in meiner Brust zusammen.

Ich analysiere seine Gesichtsmimik und verzweifelt weiche ich seinem Blick aus. Sein Ausdruck gleicht dem von Niragi, als er nicht mehr er selbst war und hilfesuchend sehe ich zu der Gruppe der Überlebenden, doch ich habe mich von ihrer Position entfernt und niemand bemerkt mich. Es wird keine Hilfe kommen.

„Sie werden nicht kommen", bemerkt er meinen auf die Menschen gerichteten Blick und nickend sehe ich wieder zu ihm auf. Seine Stimme ist reuevoll, dennoch bedroht er mich und mein Leben.

„Nimm die Waffe runter", versuche ich beruhigend auf ihn einzureden und bin selbst überrascht, wie fest und entschlossen meine Stimme klingt.

„Ich habe heute so viele Menschen getötet", meint der Mann weinerlich und verstehend nicke ich einfühlsam. Das Spiel hat immer noch Auswirkungen auf ihn, ich muss wirklich behutsam sein.

„Es war nicht deine Schuld", würge ich hervor. Die Menschen des Militärtrupps haben sich dazu entschlossen diese Teilnehmer zu töten, aber er...

„Es tut mir so leid Sayuuri", presst er hinter zusammengebissenen Lippen hervor und die Situation realisierend, stirbt etwas in meinem Inneren ab. Mein bester Freund richtet eine Waffe auf mich, sichtlich bereit den Abzug zu betätigen.

"Du musst das nicht tun, das Spiel ist vorbei", versuche ich auf ihn einzureden, doch sein verwirrtes Kopfschütteln lässt mich innehalten. Hier geht es nicht um das Spiel, es geht um etwas ganz anderes.

„Doch", bringt er mit brüchiger Stimme hervor und ein Wimmern verlässt meine Lippen. Nicht weil er mit töten möchte, ich denke ich weiß genau, worum es geht. "Izumi ist tot."

"Ich weiß und ich wünschte es wäre anders, aber nimm die Waffe runter", entfährt er mir bedacht, während meine Brust sich zusammenzieht. „Yuudai."

„Hör auf."

Energisch schüttelt er den Kopf und die erste Träne löst sich aus meinem Augenwinkel, während etwas in meinem Inneren stirbt. Er ist einer der Menschen, dem ich in den Spielen mein Leben anvertraut habe, immer in dem Versuch ihn zu beschützen. Er ist mein Freund – mein bester Freund. Dennoch richtet er eine Waffe auf mich und verzweifelt sacken meine Mundwinkel nach unten.

„Atme tief durch, wir bekommen das hin."

„Rede mit mir nicht wie eine Herzspielerin", faucht er wütend auf die Welt und sein Finger krümmt sich um den Abzug. Wie eine Herzspielerin...mein Spielmodus versiebt und ich lächele bei dem Gedanken, wie ich in seinen Augen aussehen muss. Eine Frau – tränenverschmiert – in einem lächerlichen Cheerleader-Kostüm. Meine Haare wehen durch den leichten Wind nach hinten und streifen sanft über meine Schulter, im Hintergrund das brennende Hotel.

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt