Kapitel 1

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Ich hörte Geräusche, die mich aus dem Schlaf weckten. Ich schlief nicht gerade fest wie ein Stein, weshalb ich auch sofort erwachte bei jedem leisesten Geräusch.

So öffnete ich langsam meine Zimmertür und sah im Wohnzimmer das Licht brennen. Es ertönte wieder ein Gelächter und das Geräusch zusammenknallender Alkoholflaschen. Ich schlich so leise es ging an die Tür unseres Wohnzimmers heran und nahm den starken Geruch von Alkohol wahr. Der Geruch war so intensiv, dass ich gezwungen war, mir die Nase zu zu halten. Ich versuchte durch den kleinen Türspalt die Gesichter zu identifizieren und hielt meinen Atem dabei an, um bloß keine Geräusche von mir zu geben. 

Plötzlich spürte ich einen festen Griff um mein Handgelenk und wurde nach hinten gezerrt. "Oh hallo, die Dame!", sprach die Person und ich konnte seinen widerlichen Atem riechen. Diesen Mann hatte ich nie zuvor gesehen. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Die Angst, Dad könnte mich hören, war viel zu hoch, um nach Hilfe zu schreien. Ich musste das alleine regeln. "Lassen Sie mich bitte los!", sprach ich, jedoch so leise es ging und versuchte ihn mit aller Kraft von mir zu stoßen.  Er drückte mich gegen die Wand und presste seinen Körper gegen meinen. Verdammt! "Na, wenn ich wüsste, dass ein tolles Mädchen hier wohnt, wäre ich doch des Öfteren da gewesen.", lachte er und zog den Duft meiner Haare ein. "Bitte!", flehte ich ihn an. Er war so widerlich. Als ich merkte, wie schwer die Sache für mich wurde, hatte ich keine andere Wahl.  "DAD!", schrie ich mit gebrochener, aber dennoch lauter Stimme, sodass  der Fremde zusammenzuckte und mich sofort losließ. Er stolperte zurück und stützte sich an der Wand ab. "Was ist denn hier los?!", rief mein Dad wütend und sah uns beide abwechselnd an. Er war betrunken. Er torkelte auf mich zu. "Deine Tochter dachte, ich sei ein Einbrecher....nicht wahr?", entgegnete der Fremde und sah mich dabei grinsend an. Noch bevor ich etwas erwidern konnte, wurde ich von Dad unsanft in mein Zimmer gezerrt. Ich schrie auf, doch das Geräusch aus meinem Mund war gebrochen. Ich wusste, was auf mich zukam. 

Dort schubste er mich auf mein Bett und schrie:"Hatte ich dir nicht gesagt, dass du dich nicht blicken lassen sollst, wenn ich Besuch habe?!" Schon spürte ich seine flache Hand gegen meine Wange schlagen. "Du Miststück!", rief er, torkelte etwas und schlug mich diesmal fester. Als er seine Hand hob und mich erneut schlagen wollte, schloss ich sofort meine Augen und wartete nur noch darauf, dass ich es so schnell wie möglich hinter mir hatte, doch es kam nichts. Stattdessen hörte ich jemanden rufen:"Das reicht!"

Ich öffnete meine Augen und sah einen weiteren fremden Mann dabei zu, wie er das Handgelenk meines Vaters festhielt und mich rettete. Für dieses Mal jedoch nur. "Lass mich los!", schrie Dad und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, doch der Mann ließ das nicht zu. Wieso half er mir? "Sie ist noch ein Kind, verdammt!", schrie der Mann,"hör endlich auf!"
"Das geht dich einen Scheißdreck an!", schrie Dad zurück und befreite sich aus seinem Griff. "Nein!", murmelte ich so leise es ging und kniff wieder meine Augen zusammen. "PABLO!"
Ich hörte etwas gegen die Wand knallen. Es war Dads Rücken. "Es reicht!", meinte der Mann.

Dad sah mich bedrohlich mit seinen blutunterlaufenen Augen an. Gerade jetzt hatte ich nicht nur für diesen Ausraster Angst, sondern um mein ganzes Leben. Noch nie hatte ich ihn so finster und gefühllos erlebt.
"Wir sind noch nicht fertig, du Miststück!", rief er und zeigte mit seinem Zeigefinger drohend auf mich. Sein Gesicht war rot und schweißunterlaufen.  Ich wusste ganz genau, dass das hier nicht einfach so enden würde. Er sah mir einen kurzen Moment intensiv in die Augen und verließ dann das Zimmer. Ich biss meine Zähne zusammen, um nicht loszuheulen. 

Ich zog meine Beine an meinen Körper heran und umschlang sie mit meinen dünnen Armen. Der fremde Mann ging auf die Knie und sah mich bemitleidend an. "Alles okay?", fragte er mich. Ich sah ihm durch meine Wimpern durch in die Augen und nickte. 
"Leg dich wieder ins Bett.", sagte er zu mir gewandt und zog ganz leicht seine Mundwinkel hoch, damit es wenigstens etwas freundlich rüberkam. Als ich merkte, wie er seine Hand langsam hob, zuckte ich zurück. "Oh nein...nein, niemals. Das würde ich niemals tun.", entschuldigte er sich. "Ich...gute Nacht.", flüsterte er.  Ich wollte mich bei ihm bedanken, aber ich traute mich nicht. Er hatte mich nur heute geschont, aber morgen würde wieder ein neuer Tag sein und Dad würde wieder etwas finden, worüber er seine Frust an mir rauslassen konnte.

Don't leave meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt