3. Kapitel

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Alison

"Solche Idioten", murmelt Kyle leicht gereizt, während wir schließlich an den Jungs vorbei laufen. Er versucht mich so oft wie möglich zu verteidigen, jedoch bringt es leider nicht viel, da sie einfach immer in der Überzahl sind.

Ich nicke nur und sehe weiterhin auf den Boden. Ich bin es mittlerweile gewohnt, dass sie sich über mich lustig machen und mich 'Klem' nennen. Traurigerweise fange ich sogar schon an auf den Namen 'Klem' zu reagieren, seit sie in der 9. Klasse angefangen haben mich so zu nennen. Damals, kurz nachdem ich krank wurde, fing alles an. Ich war nicht immer so, wie jetzt. Ich war nicht immer schüchtern und zurückhaltend. Jedoch verändert sich das Leben, wenn man gesagt bekommt, dass man unheilbar krank ist.

Es schmerzt auch nicht mehr so sehr wie damals, wenn sie mich auslachen. Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt. Es ist zum Alltag geworden.

Kyle hat einmal versucht mich zu verteidigen und legte sich mit ihnen an. Danach kam er nur mit einem blauen Auge zurück, doch er wollte mir bis heute nicht verraten, was sie genau mit ihm angestellt haben.

"Sehen wir uns in der Pause?", fragt Kyle, als ich gerade meinen Spind öffne und meine Biologe Bücher heraushole.

Wir nehmen zurzeit das Nervensystem durch, jedoch habe ich schon einiges vorgearbeitet, damit ich vor der Prüfung nicht alles auf einmal lernen muss. Ich habe in meiner Freizeit auch nicht besonders viel zu tun. Wenn ich mich nicht gerade mit Kyle treffe, habe ich nur die Möglichkeit ein Buch zu lesen, einen Film zu schauen oder eben zu lernen. Letztendlich wirkt sich das aber positiv auf meine Noten aus.

Ich schenke ihm ein müdes Lächeln und schließe die Tür meines Schließfachs. "Ja, wie immer." Ich winke ihm kurz zum Abschied und laufe dann schließlich zu meinem Biologiekurs.

Mr. Landon steht schon an seinem Schreibtisch, als ich den Raum betrete. Er ist noch ein ziemlich junger Lehrer, der erst seit letztem Jahr an dieser Schule angestellt ist. Seine schwarzen Locken stehen meistens in alle Richtungen ab, sodass man denken könnte, er würde jeden Morgen verschlafen und hätte dadurch keine Zeit mehr, seine Haare zu richten. Er wirkt auf den ersten Blick auch ziemlich freundlich, jedoch hat er oft genug bewiesen, dass er sich durchsetzen kann und hat sich somit auch den Respekt bei den Schülern ergattert.

Mr. Landon ist mein Lieblingslehrer und manchmal habe ich auch das Gefühl, dass ich seine Lieblingsschülerin bin. Als er von meiner Krankheit erfuhr, war er sehr bestürzt und erkundigt sich seitdem fast in jeder Stunde nach meinem Gesundheitszustand.

Da sich die meisten Schüler noch unterhalten oder auf den Tischen sitzen, kann ich ungestört zu meinem Platz in der ersten Reihe gehen.

Ich sitze alleine an dem Partnertisch, doch das macht mir nichts aus. Ich bin es gewohnt alleine zu sein und mittlerweile finde ich das auch viel besser, als sich die ganze Zeit dazu verpflichtet zu fühlen, sich mit seinem Sitznachbarn über belanglose Dinge zu unterhalten.

Als Mr. Landon schließlich mit dem Unterricht beginnt und uns einen Text über die Nervenfasern austeilt, höre ich Stimmen aus der letzten Reihe, die sich nicht gerade leise miteinander unterhalten.

Ich muss mich nicht einmal umdrehen, um zu wissen zu wem diese Stimmen gehören. Zu oft haben sie mich ausgelacht oder sich über mich lustig gemacht.

Als ich letztendlich doch einen Blick über die Schulter werfe, sehe ich Jack und seine Clique in der letzten Reihe sitzen. Keiner von ihnen denkt auch nur daran den Text durchzulesen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten von ihnen nicht einmal den Abschluss schaffen werden, da sie einfach alle faul sind und relativ schlechte Noten schreiben.

Ganz links in der Tischreihe sitzen Nico und Nate. Sie sind Brüder und kommen beide aus England, was man an ihrem starken britischen Akzent ausmachen kann. Nico ist der Ältere von den beiden und ist einmal sitzen geblieben, wodurch sie nun in derselben Stufe sind. Während Nicos Haare fast schwarz sind, sind Nates blond. Sogar durch die Entfernung kann ich ihre blauen Augen erkennen und durch Nates breites Grinsen, wird der Piercing an seiner Lippe sichtbar.

Ein lautes Kichern am anderen Ende der Tischreihe lässt mich zu Logan blicken, der seine Lippen kurz an Bellas Hals hinunter gleiten lässt und es den beiden anscheinend egal zu sein scheint, dass wir uns gerade im Unterricht befinden. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, dann sind die beiden ein Paar, die sich jedoch wegen Logans starker Eifersucht fast jede Woche streiten.

Neben ihnen sitzt Jase, der wegen den beiden nur die Augen verdreht und sich durch sein kurzes braunes Haar fährt. Jase ist der Ruhigste von allen, wenn es um mich geht. Ich kann mich nicht daran zurückerinnern, dass er jemals etwas Schlechtes über mich gesagt hat oder ohne den Einfluss vom Gruppenzwang gelacht hat.

Als nächstes wandert mein Blick zu Jack. Er sitzt neben Jase und hat den Blick auf seinen Block vor sich auf den Tisch gerichtet und ist eindeutig von der größten Schlampe der Schule, namens Katelyn genervt, da sie ohne Punkt und Komma auf ihn einredet.

Die beiden hatten in dem letzten Jahr ständig eine On-Off Beziehung, oder so etwas in dieser Art, wodurch es unterhaltsam war zu beobachten, wie sie sich morgens vor der Schule stritten und in der Pause wieder miteinander rummachten, nur um sich dann am Ende des Tages erneut zu streiten.

Jack ist wirklich das größte Arschloch, das ich kenne. Er macht alle Leute um sich herum fertig und schleppt so viele Mädchen wie nur möglich ab. Er hat keinen Respekt vor anderen und fühlt sich, da er der Quarterback der Football Mannschaft ist, als etwas Besonderes.

Als hätte ich seinen Namen gerufen, sieht er plötzlich auf, sodass sich unsere Blicke treffen. Ich bin wie gebannt, als ich in seine leuchtenden grünen Augen starre. Ich kann nicht leugnen, dass ich schon immer etwas fasziniert von ihm gewesen bin. Auch wenn ich ihn eigentlich für das, was er mir ständig antut, hassen sollte, kann ich es einfach nicht. Sein Blick, mit dem er mich ansieht, ist ausdruckslos und verwirrt zugleich, sodass ich spüre, wie mein Herz etwas schneller zu schlagen beginnt.

"Was?", fragt er laut genug, dass es alle hören können und neugierig von ihren Blättern aufschauen. Ich drehe mich schnell wieder nach vorne, während ich spüre, dass meine Wangen sich rot verfärben. Ich kann jetzt nur allzu gerne auf die Kommentare seiner Freunde verzichten und würde am liebsten im Erdboden versinken.

Doch es ist schon zu spät, sie fangen längst wieder an zu lachen. Ich seufze und konzentriere mich weiter auf den Text und versuche meinen Blick starr nach unten zu richten, als Mr. Landon im selben Moment die Klasse um Ruhe bittet.

Zwanzig Minuten bevor die Stunde vorbei ist, wird mir plötzlich wie allzu oft schwindelig. Ich stütze den Kopf auf den Händen ab und fahre mir durchs Haar, während ich versuche, gleichmäßige Atemzüge zu nehmen. Als mir jedoch leicht schwarz vor Augen wird und ich das Gefühl habe, dass ich jeden Moment zusammenklappen werde, hebe ich schnell meine Hand.

"Mr. Landon, kann ich bitte auf die Toilette?" Noch ehe er sich zu mir umgedreht hat, stehe ich schon auf meinen wackeligen Beinen.

"Natürlich. Alles in Ordnung?", fragt Mr. Landon besorgt da er, genauso wie einige andere Lehrer an dieser Schule, von meiner Krankheit weiß.

Ich nicke und laufe mit gesenktem Blick und wackeligen Knien aus dem Zimmer zur nächsten Mädchentoilette.

Als ich die Tür öffne, kann ich mich gerade noch am Waschbecken festhalten, bevor ich auf den Boden knalle. Ich zittere am ganzen Körper, sodass ich schnell nach meinen Tabletten in der Hosentasche greife und eine hinunter schlucke.

Ich habe unterschiedliche Tabletten, die ich einnehmen muss. Die drei wichtigsten davon muss ich täglich und zu bestimmen Uhrzeiten einnehmen und noch einige Tabletten, die für Notfälle wie diesen gedacht sind.

Als ich, nachdem sich mein Körper wieder einigermaßen beruhigt hat, mein Spiegelbild betrachte, atme ich tief durch. "Nicht umkippen!", befehle ich mir selbst und schließe daraufhin kurz die Augen.

Meine Beine sind schließlich jedoch ziemlich stark am Zittern, sodass ich mich zur Sicherheit auf den Boden setze und meinen Kopf gegen die kalten Fließen an der Wand lehne. Der Schwindel wird langsam etwas besser, während mir jedoch eine einzelne Träne über die Wange läuft.

Heute ist kein guter Tag für mich.

To StayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt