8. Kapitel

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Alison

Die Zeit scheint einfach überhaupt nicht an uns vorbeiziehen zu wollen.

Entweder haben die Putzfrauen heute erst gar nicht vor zu arbeiten oder dieser Raum wird einfach nicht mehr genutzt. Die meisten Schüler und Lehrer müssten mittlerweile längst zu Hause sein und in diesem kleinen Raum, ohne noch so ein winziges Fenster, hat natürlich keiner von uns beiden Handyempfang.

Da meine Mom auch erst heute Abend um neun nach Hause kommt wird somit auch sie nicht merken, dass ich mich zurzeit nicht zu Hause aufhalte.

"Ich halte es hier nicht mehr lange aus...", murmelt Jack plötzlich mit einem leichten Stöhnen und lässt dabei mit zusammengekniffenen Augen seinen Hinterkopf gegen die Wand fallen.

"Ich auch nicht...", erwidere ich und habe auf seltsame Weise dieses dämliche Gefühl, dass die Wände immer näher auf einander zu kommen.

Nachdem Jack noch vor wenigen Minuten ständig gegen die Tür getreten hat, gab er es letztendlich auf, was sich als eine Wohltat für meine Kopfschmerzen herausstellte, die mich schon den ganzen Vormittag lang plagten.

Ich checke erneut mein Handy, habe aber immernoch kein Netz. Erschöpft lasse ich mich an die Wand zurückfallen und schließe für wenige Sekunden die Augen. Die Müdigkeit von heute morgen holt mich wieder ein, sodass ich am liebsten nur noch in einen tiefen Schlaf versinken möchte.

"Ich habe riesigen Hunger", jammert er schließlich und fasst sich an seinen knurrenden Bauch.

Ich seufze. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal wirklich ein Hungergefühl verspürt hatte.

"Ich nicht", erwidere ich und sehe mir zum gefühlt hundertsten Mal die Putzmittel auf dem Regal, das direkt gegenüber von mir an der Wand hängt, an.

"Nicht gerade hilfreich", bemerkt er mit einem leicht genervten Ton in der Stimme und verdreht dabei die Augen.

Ich bin ebenfalls kurz davor die Augen zu verdrehen, als mir plötzlich auf einen Schlag ziemlich schlecht wird. Da die Übelkeit meinen ganzen Körper durchzieht und die Hitze durch meine Adern schießen lässt, halte ich die Luft an und versuche somitndieses unangenehme Gefühl zum Stoppen zu bringen.

"Wenn du dich umbringen willst, würde ich es nicht mit Luft anhalten versuchen", bemerkt er mit einem belustigten Klang in der Stimme und wirft einen irritierten Blick in meine Richtung.

Ich bin jedes Mal aufs Neue von seinen Stimmungsschwankungen überrascht. Es wird mir wohl für immer ein Rätsel bleiben, wie er es schafft, in der einen Sekunde schlecht gelaunt zu sein und in der nächsten schon wieder zu lachen.

Ich atme wieder tief ein und möchte gerade etwas erwidern, als es mir plötzlich wie ein Schlag ins Gesicht bewusst wird. Ich habe meine Tablette nicht genommen. Sie liegt in meinem Spind und ist somit unerreichbar. Panisch werfe ich einen Blick auf die Uhr in meinem Handy und muss feststellen, dass wir bereits sechzehn Uhr haben. Ich hätte die Tablette vor einer Stunde nehmen müssen.

Das Blut gefriert in meinen Adern, während ich im selben Moment am ganzen Körper erstarre und Jack mit einem von Panik gefüllten Ausdruck in den Augen ansehe.

"Wir müssen hier raus, sofort!" Das letzte Mal, als ich meine Tablette nicht eingenommen habe, endete es mit einem Besuch im Krankenhaus und darauf kann ich nun mehr als nur verzichten.

"Was du nicht sagst." Er verdreht erneut die Augen und lehnt seinen Kopf wieder gegen die Tür.

"Nein, wirklich..." Mit zitternder Stimme, versuche ich aufzustehen, als sich im selben Moment jedoch der Raum zu drehen beginnt. Ich lasse mich somit wieder gegen die Wand fallen und versuche die immer größer werdenden schwarzen Punkte, die sich vor meinen Augen ausbreiten, wegzublinzeln.

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