39. Kapitel

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Alison

Nachdem mich Kyle noch eine ganze Weile im Arm gehalten hatte, habe ich mich allmählich wieder beruhigt.

Es tat gut, all die Wut und all die Trauer rauszulassen, jedoch befindet sich nun nichts, als eine schmerzhafte Leere in mir. Es fühlt sich an, als würde ich nur noch aus einer leblosen Hülle bestehen. Keine Lebenskraft fließt durch meine Adern. Keine Emotionen finden einen Weg an die Oberfläche. Da ist nur noch diese unbeschreibliche Leere.

Kyle leistete mir noch für eine Weile Gesellschaft, verließ letztendlich jedoch das Zimmer, als ich in einen unruhigen Schlaf glitt.

Es war mir nicht möglich die innere Unruhe in meinen Körper zu besänftigen, welches sich durch ständiges Erwachen mitten in der Nacht äußerte. Zu viele Gedanken, zu viele Ängste kreisten mit permanent durch den Kopf. Sie handelten von meiner Familie, meiner Krankheit, und sogar von Jack. Alles ist zurzeit einfach so verwirrend. Ich weiß nicht mehr wo mir der Kopf steht.

Den ganzen Sonntag habe ich nur im Bett verbracht, während die Zeit einfach an mir vorbeigezogen ist. Meine Mom und Emily haben oft nach mir gesehen, um sich zu versichern, dass es mir gut geht, doch letztendlich wollte ich einfach nur alleine sein.

Als mir meine Mom auf einem Tablett Essen aufs Zimmer brachte, zwang sie mich mit ihrer üblichen Fürsorge dazu, so viel zu essen, wie es mir möglich war. Mir war sofort bewusst, dass sie sich Sorgen um mich machte, da es nun mehr als offensichtlich war, dass ich stark an Gewicht verloren habe und mein Körper immer schwächer wird.

Kaum hatte sie den Raum wieder verlassen, musste ich mich sofort über die Toilette beugen und das ganze Essen wieder loswerden. Seit mittlerweile vier Tagen habe ich nichts mehr bei mir behalten können. Egal wie sehr ich es auch versuche, egal wie stark ich das Essen hinunterwürge, ich habe weder Appetit, noch will es in meinem Magen bleiben.

Meine Mom weiß nichts davon, dass ich mich nach jeder Mahlzeit übergeben muss, doch im Nachhinein ist das auch besser so. Sie soll sich nicht noch mehr Sorgen machen, als sie es bisher schon tut.

Sie versucht stark für mich zu sein und ihre Trauer mit einem Lächeln zu überspielen, doch ich durchschaue sie. Sie kann mir nichts vormachen. Ich erkenne die Sorge in ihren Augen, die sie hinter einem Lächeln zu verstecken versucht und sehe auch immer ihren bestürzen Blick, sobald sie meinen schwachen Körper zu Gesicht bekommt.

Es muss schwer sein eine Tochter zu haben, die   in nächster Zeit sterben wird. Es muss im allgemeinen unfassbar schlimm sein, ein Kind zu verlieren, dass eigentlich noch das ganze Leben vor sich hat.

Gegen Abend kam Sarah in mein Zimmer, um sich zu verabschieden, da sie sich wieder auf den Heimweg nach Kalifornien zu ihrem Mann machte. Als sie mich in den Arm genommen hatte, musste ich sofort anfangen zu weinen, da ich das schreckliche Gefühl hatte, sie somit das letzte Mal gesehen zu haben.

Abschiede fielen mir schon immer besonders schwer, doch es wurde durch meine Krankheit letztendlich nur noch schlimmer, da ich mir nun nie sicher sein kann, ob ich diese Person jemals wiedersehen werde und ob dieser Abschied somit der Letzte war.

Während ich schließlich im Bad stand, um eine Dusche zu nehmen, erschrak ich vor meinem eigenen Spiegelbild, als ich mir das Top über den Kopf zog. Meine Rippen sind deutlichen unter der dünnen Haut zu erkennen, während sich ein großer blauer Fleck über meinen Bauch zieht. Ich sehe einfach nur schwach und gebrechlich aus.

Auch die Augenringe sind noch genauso dunkel, wie bereits in den letzten Tagen und werfen Schatten auf meine Wangen. Eine Träne lief mir schlussendlich über die Wange, während ich schnell in die Dusche stieg, um meinen Anblick nicht länger ertragen zu müssen.

To StayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt