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"Mutter. Kann ich dich sprechen?", fragt Lalaith Tauriel, als sie von der Patrouille zurück ist und ihren Bericht erstattet hat.
"Ja, natürlich." Tauriel sieht von dem Buch, das sie gerade liest auf und schaut zu Lalaith. Sie sind in der kleinen Bibliothek, die sich relativ versteckt im Palast befindet. Tauriel kommt gerne hierher, wenn sie einfach mal abschalten möchte.
"Ich möchte mehr über Vaters Vergangenheit und Dol Guldur erfahren. Du weisst bestimmt eine Menge darüber!" Tauriel seufzt. "Ich wusste, dass du mich eines Tages mal danach fragen würdest... Setz dich, Kind. Es wird lange dauern."
So setzt sich Lalaith.

Der Wald ist dunkel und wirkt bedrohlich auf die kleine Elbin. "Adar!", ruft sie immer wieder verzweifelt aus. Doch niemand antwortet. Kein Vater kommt, der seine aufgelöste Tochter auf den Arm nimmt und beruhigt. Sie ist alleine.
In einer regnerischen Nacht, die diesem Tag folgt, hört das Mädchen Stimmen. Männliche Stimmen.
Nicht weit von ihr laufen einige Männer in den Wald. "Hilfe!", ruft sie kraftlos, ehe sie von Müdigkeit ergriffen wird und auf dem kalten Waldboden einschläft.
Als sie am nächsten Morgen wach wird, liegt sie nicht wie erwartet auf dem Waldboden, sondern in einem warmen Bett. Durch ein Fenster, das von einigen Blättern verdeckt ist, kommt etwas Sonnenlicht hinein. Staunend sieht sich das Mädchen in dem Raum um. Sie erschrickt, als ihr Blick plötzlich an zwei Paar strahlend blauer Augen hängenbleibt. Doch während die Augen des Mannes sie ausdruckslos mustern, schaut der Junge, der vielleicht ein paar Jahre älter ist als sie selbst, ganz freundlich zu ihr. "Le suilen, kleines Mädchen. Ich bin König Thranduil und das ist mein Sohn, Prinz Legolas. Nenne mir bitte deinen Namen." Das Mädchen sieht ihn kurz mit großen Augen an, ehe sie zu sprechen beginnt: "Ich bin Tauriel, hir nin Thranduil." "Willkommen im Düsterwald, Tauriel, Tochter des Waldes.", sagt Legolas. Für sein Alter ist er sehr gut erzogen worden, findet Tauriel. "Selbstverständlich darfst du hier leben, wenn du möchtest.", sagt Thranduil daraufhin. Tauriel nickt. "Hannon Le.", flüstert sie dankbar.
So vergehen die Jahre. Tauriel freundet sich mit Prinz Legolas an und wächst zu einer wunderschönen Frau mit langen rot-braunen Haaren heran. Sobald sie alt genug ist, lässt sie sich von Legolas den Umgang mit Pfeil, Bogen und Dolchen beibringen. Sie erreicht vieles und ist mit knapp 650 Jahren Anführerin der Wache, als eine Gemeinschaft von 13 Zwergen ihr Leben komplett auf den Kopf stellt. Sie erfährt, was Legolas für sie empfindet und fühlt sich schrecklich, als sie sich in einen Zwerg verliebt. Sie will den Zwergen helfen und ist mehr als glücklich, dass Legolas ihr zur Seite steht.

"Das war die Zeit, bevor dein Vater sich verändert hat. Ich glaube, dass das wichtig ist, um den Rest zu verstehen, den ich dir jetzt erzählen werde. Allerdings kann ich dir nur erzählen, was mir Freunde und dein Vater selbst mir erzählt haben."

Legolas hat sich nach der Schlacht der fünf Heere grundlegend verändert. Er ist nicht mehr so fröhlich, wie ihn alle kannten. Er kehrt nicht zurück in den Düsterwald, sondern reitet durch Mittelerde und lernt dazu auch noch Aragorn kennen. Fast 60 Jahre später kämpft er im Ringkrieg gegen Mordor. Als die Schlacht gewonnen ist, reitet er nach Hause. Doch dort ist er nicht glücklich und verlässt den Düsterwald wieder. Ziellos reitet er durch Mittelerde, bis er das verlassene Imladris auffindet. Dort trifft er auf Tauriel, die ebenfalls wie er tieftraurig und gebrochen ist. Gemeinsam spenden sie sich Trost. Und Tauriel begreift langsam, dass sie sich zu Legolas hingezogen fühlt. Doch erst der Pfeil, der beinahe sein Leben kostet, lässt sie begreifen, dass sie Legolas liebt.

"So kam es, dass dein Vater mich fragte, ob ich ihn heiraten will. Von diesem Tag an wurde er wieder fröhlicher. So wie früher... Aber ich scheife ab... Dol Guldur... diese Festung war früher, vor sehr sehr vielen Jahrhunderten, das Zuhause vieler Waldelben. Doch um des Friedenswillen mit unseren Verwandten in Lorien zog sich unser Volk zurück. Und so verfiel die Festung... und bald zog das Böse dort ein... Sauron, der gestaltlos war, und seine 9 Sklaven, die Nazgul... So viel die Dunkelheit noch weiter über den Wald. 60 Jahre vor dem Ringkrieg wurde Sauron aus Dol Guldur vertrieben. Er kehrte zurück nach Mordor und baute dort seine Festung Barad-Dur wieder auf. So verfiel Mittelerde in die zweite Finsternis." Lalaith schweigt. Das, was ihre Mutter ihr erzählt hat, muss sie alles erst schlucken. Nach einer Weile, in der beide schweigen, fragt sie: "Was ist mit der ersten Finsternis?" Tauriel seufzt. "Hier." Sie reicht Lalaith ein in Leder gebundenes Buch ohne Titel. "Darin findest du alles zur ersten Finsternis. All das Wissen wurde vor langer Zeit aufgeschrieben. Fast alle Elben haben Zugriff darauf. Es wird Zeit, dass du begreifst, wie wertvoll eine friedliche Welt ist. Die, in der dein Vater und ich aufgewachsen sind, war voller Gefahren. Ja, hier lauern auch viele Gefahren, aber früher war alles schlimmer, als Saurons Geist noch lebte und der eine Ring existierte." Lalaith nickt. "Musste Vater das auch lesen?" Tauriel lächelt bei dieser Erinnerung: "Ja und noch viel mehr. Schon bevor ich Legolas kannte, wusste er eine Menge über unsere Vergangenheit und die erste Finsternis. Aber er wollte immer jagen gehen anstelle zu lesen. Irgendwann hat Thranduil seine Waffen weggesperrt, damit Legolas zumindest etwas liest. Sein Vater legte sehr viel Wert auf solches Wissen. Ich für meinen Teil wollte diese Bücher gerne lesen, allerdings meinte Thranduil immer, dass ich dieses Wissen eh nicht brauchen würde. Nun aber bin ich Königin und sollte doch noch etwas über unsere Geschichte wissen. Zwar hat Legolas mir sehr vieles beigebracht, aber ich interessiere mich auch ab und an für Einzelheiten. Doch wenn ich früher in die Bibliothek kam, dann habe ich die Orks studiert." "Warum?", möchte Lalaith wissen. "Rache. Orks haben meine Eltern ermordet. Und ich wollte mich an jedem einzelnen rächen. Ich studierte sie und lernte sie kennen. Nach dem normalen Kampftraining traf ich mich mit Legolas und übte weiter. So kam es schließlich dazu, dass ich früh zur Anführerin der Wache ernannt wurde. Ich wollte Rache und bekam sie. Zwar kann das den Verlust, den ich erlitt, nicht gut machen. Aber ich kann sagen, dass ich nicht tatenlos gewartet habe, bis sie auf mich losgehen." "Ich bewundere dich, Mutter. Du hast ein wahres Kämpferherz." Tauriel lächelt sie liebevoll an. "Du bist die Tochter von zwei Kriegern. Auch du hast ein Kämpferherz. Und ein reines dazu. Glaub mir, Lalaith. Du machst uns glücklich. Du lässt uns die dunkle Zeit, die wir erlebt haben, vergessen. Und dafür sind wir dir sehr dankbar." Sie nimmt ihre Tochter in den Arm.
Als sie sich wieder von einander lösen, lächelt Tauriel sie noch einmal an, bevor sie die Bibliothek verlässt und in den Thronsaal zu Legolas geht. "Lalaith kann dich verstehen, Liebster. Ich habe ihr erklärt, was du durchgemacht hast und sie hat es verstanden." Er nickt zum Zeichen, dass er sie verstanden hat. "Hannon Le, Tauriel." Dann schweigt er kurz und sagt dann schmunzelnd: "Le melin. (Ich liebe dich.) Immer und ewig. Du hast so viel Licht in mein Leben gebracht. Was kann jetzt noch passieren?"
Wenn er wüsste, was in Zukunft noch geschieht...

Extra langes Kapitel!!!
Ich wollte euch mal eine kleine Freude machen, da ihr in letzter Zeit immer so geduldig sein musstet. Ich werde versuchen, wieder etwas mehr zum Schreiben zu kommen. ❤
Eure AranelTauriel❤

Ruf des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt